Gesetzestext

 

(1) 1Durch den Erbvertrag wird eine frühere letztwillige Verfügung des Erblassers aufgehoben, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde. 2In dem gleichen Umfang ist eine spätere Verfügung von Todes wegen unwirksam, unbeschadet der Vorschrift des § 2297.

(2) Ist der Bedachte ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling des Erblassers, so kann der Erblasser durch eine spätere letztwillige Verfügung die nach § 2338 zulässigen Anordnungen treffen.

A. Zweck.

 

Rn 1

I 1 schützt den Vertragspartner in Parallele zu § 2258 I davor, dass seine Rechte durch frühere letztwillige Verfügungen des Erblassers ausgehöhlt werden. I 2 ist Ausdruck der erbvertraglichen Bindung (BGH NJW 58, 498 [BGH 08.01.1958 - IV ZR 219/57]; Köln NJW-RR 94, 651, 652), die spätere, beeinträchtigende Verfügungen vTw der vertragsmäßigen Verfügung vTw ausschließt. Der Erbvertrag verschafft dem Bedachten zwar nur eine tatsächliche Erwerbsaussicht. Der Erblasser kann weiterhin über Nachlassgegenstände verfügen (§ 2286; vgl BGH NJW 68, 2052, 2053 [BGH 14.03.1968 - III ZR 228/65]). Insb vollzogene Schenkungen vTw fallen nicht unter § 2289 (§ 2287 Rn 4 f). Auch familienrechtliche Geschäfte wie die Eingehung einer Ehe bleiben möglich (§ 2286 Rn 2). Der Erblasser hat aber durch den Erbvertrag seine Testierfreiheit iRd getroffenen vertraglichen Verfügungen vTw beschränkt (Vor § 2274 Rn 1). II 2 ermöglicht bei pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen im Interesse der Familie Beschränkungen in guter Absicht gem § 2338 (Rn 12).

B. Erbvertrag.

 

Rn 2

Die Wirkung des § 2289 setzt eine vertragliche Verfügung (§ 2278 Rn 1) – für einseitige gelten §§ 2258, 2299 – in einem wirksamen Erbvertrag voraus. Sie tritt nicht ein, wird der Erbvertrag mit Wirkung ex tunc angefochten (§§ 2281 ff). Wird er aufgehoben (§§ 2290 ff) oder durch Rücktritt beseitigt (§§ 2293), wird eine nach § 2289 I 1 durch den Erbvertrag aufgehobene letztwillige Verfügung entspr §§ 2257, 2258 II iVm § 2279 I wieder wirksam, es sei denn, sie ist im Erbvertrag widerrufen worden (§§ 2253 ff iVm § 2299 II; BGH NJW 04, 3558, 3559). Ist im Einzelfall nicht ein anderer Wille des Erblassers festzustellen, wird auch seine letztwillige Verfügung wieder wirksam, wenn der Erbvertrag, der sie aufhob, danach gegenstandslos wird, zB durch Vorversterben des Bedachten (zum Ersatzerben München NJW-RR 21, 1593 Rz 12), Ausschlagung oder Verzicht (KG JFG 5, 181, 183; Zweibr FamRZ 99, 1545; Jauernig/Stürner Rz 4; Grünewald/Weidlich Rz 4, 6; Schlüter ErbR Rz 274; aA BRHP/Litzenburger Rz 3; Keim ZEV 99, 413, 414 f; Kummer ZEV 99, 440 f [OLG Zweibrücken 04.03.1999 - 3 W 29/99]).

C. Wirkung.

 

Rn 3

§ 2289 I schützt das Recht des vertraglichen Bedachten. Die vertragliche Verfügung hebt eine frühere letztwillige Verfügung des Erblassers auf, soweit diese das Recht des Bedachten beeinträchtigt. Dafür ist unabhängig von wirtschaftlichen Kriterien allein entscheidend, ob sie den Vertragserben in seiner im Erbvertrag nach Inhalt und Umfang von den Parteien formulierten Rechtsstellung beeinträchtigt, dh die Rechtsstellung des Vertragserben nach der konkreten Vereinbarung durch die spätere letztwillige Verfügung gemindert, beschränkt, belastet oder gegenstandslos gemacht wird (BGH NJW 11, 1733, 1735). Im Unterschied zu § 2258 I kann eine vorausgehende Verfügung auch beeinträchtigen, wenn sie dem Erbvertrag nicht widerspricht (BGH NJW 58, 498 [BGH 08.01.1958 - IV ZR 219/57]; MüKo/Musielak Rz 11). Eine Beeinträchtigung liegt zB vor, ordnete der Erblasser zuvor Vermächtnisse, Auflagen (Frankf 22.8.17 – 8 U 39/17), Testamentsvollstreckung (BGH NJW 62, 912; München ZEV 08, 340, 341 [OLG München 03.06.2008 - 34 Wx 29/08]), wertverschiebende Teilungsanordnungen (BGH NJW 62, 912 [BGH 14.02.1962 - V ZR 92/60]; Braunschw ZEV 96, 69, 70) oder Einsetzung eines Schiedsrichters (str; Hamm NJW-RR 91, 455, 456) an. Die bloße Auswechselung der Person des Testamentsvollstreckers beeinträchtigt, wenn auf diese die Rechtsstellung des Vertragserben ausgedehnt wurde (BGH NJW 11, 1733, 1736; FamRZ 12, 1869, 1871; 13.9.12 – IV ZB 23/11).

 

Rn 4

§ 2289 I 1 wirkt nicht auf Verfügungen, die der Erblasser nicht einseitig aufheben kann. Die Wirkung tritt nicht ein, wenn die frühere, zeitlich vor dem Erbvertrag getroffene Verfügung ein wechselbezügliches gemeinschaftliches Testament (vgl § 2271) oder ein Erbvertrag ist. Dann bewirkt diese Verfügung die Unwirksamkeit des zeitlich nachfolgenden Erbvertrags (§§ 2271, 2289 I 2; Rn 5), soweit die Beeinträchtigung reicht. Das gilt nicht, wollten die Vertragspartner mit dem späteren Erbvertrag die frühere Verfügung ersetzen, also aufheben (§ 2290). Wollten sie sie aufrechterhalten und kommt dieses im Erbvertrag zum Ausdruck, ist die spätere erbvertragliche Verfügung insoweit eingeschränkt. Auch wenn in der Erbvertragsurkunde zugleich einseitig Anordnungen getroffen werden (§ 2299), die die vertragsmäßigen Verfügungen einschränken, sind diese von vornherein eingeschränkt, da sie der andere Vertragspartner kennt und ggf widersprochen hätte (Ddo...

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