Gesetzestext

 

(1) Durch die Errichtung eines Testaments wird ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht.

(2) Wird das spätere Testament widerrufen, so ist im Zweifel das frühere Testament in gleicher Weise wirksam, wie wenn es nicht aufgehoben worden wäre.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Ein später errichtetes Testament hebt das frühere insoweit auf, als es diesem widerspricht; iÜ gelten die Bestimmungen des früheren Testaments weiter (vgl Staud/Baumann Rz 14). Die Aufhebung erfolgt ggf kraft Gesetzes. Ein entspr Wille des Erblassers ist ebenso wenig erforderlich wie seine Kenntnis von der früheren Verfügung.

 

Rn 2

Der Erblasser soll jeweils den Errichtungszeitpunkt angeben (§ 2247 II), damit bei mehreren Testamenten die chronologische Aufeinanderfolge festgestellt werden kann. IÜ ist bei Ungewissheit über den Errichtungszeitpunkt jedes Beweismittel zur Klärung zulässig. Ist eine Klärung nicht möglich, gelten mehrere Testamente mit gleichem Datum als gleichzeitig errichtet. Dann ist I nicht anwendbar. Beide Testamente heben einander vielmehr, soweit sie sich widersprechen, auf (BayObLG FamRZ 05, 482; KG OLGZ 91, 147); soweit sie gleich lauten, gelten sie nebeneinander (BayObLG FamRZ 00, 1538). Gleiches gilt für mehrere undatierte Testamente. Ist ein Testament datiert, das andere undatiert, gilt im Zweifel das undatierte als das ältere (vgl § 2247 V). Bei gleich lautenden, aber nacheinander errichteten Testamenten bleibt grds (vgl aber Rn 3) auch das frühere wirksam. Das Erbrecht beruht dann auf jedem der Testamente (BayObLG FamRZ 89, 442).

B. Regelungsgehalt.

I. Inhaltlicher Widerspruch.

 

Rn 3

Ein Widerspruch (I) besteht grds dann, wenn mehrere letztwillige Verfügungen sachlich miteinander unvereinbar sind (BGH NJW 85, 969 [BGH 07.11.1984 - IVa ZR 77/83]; vgl aber Rn 4). Dies ist im Wege des inhaltlichen Vergleichs beider Testamente zu ermitteln, der dafür zunächst durch Testamentsauslegung (§§ 133, 2084) festzustellen ist. Ein Widerspruch kann sich auch dadurch ergeben, dass in einem späteren Testament eine frühere Verfügung weggelassen ist (Köln NJW-RR 92, 1419; BayObLGZ 91, 13). Bestimmt der Erblasser den zunächst zum Alleinerben Eingesetzten nachträglich zum Testamentsvollstrecker, so liegt darin ohne weiteres kein Widerruf (BayObLG FGPrax 05, 126 [BayObLG 22.02.2005 - 1 Z BR 94/04]).

 

Rn 4

Über das Bestehen eines Widerspruchs entscheidet letztlich der Erblasserwille. Daher kann sogar bei sachlicher Vereinbarkeit mehrerer Verfügungen ein Widerspruch vorliegen, wenn nämlich nach dem Willen des Erblassers allein die spätere Verfügung gelten soll. Dies kommt insb in Betracht, wenn der Erblasser mit dem späteren Testament die Erbfolge abschließend und umfassend regeln wollte, sei es insgesamt oder auch nur für einen bestimmten Teilbereich (BGH NJW 81, 2746 [BGH 16.03.1981 - II ZB 9/80]; 85, 969 [BGH 07.11.1984 - IVa ZR 77/83]; Saarbr 7.9.20 – 5 W 30/20). Dass der Erblasser an seine frühere Verfügung noch gedacht hat, ist nicht erforderlich (BayObLG FamRZ 89, 442).

II. Rechtsfolge.

1. Aufhebung.

 

Rn 5

Die spätere Verfügung hebt die frühere nur insoweit auf, als ein Widerspruch besteht. So widerspricht die alleinige Erbeinsetzung des Ehegatten in einem notariellen Testament als bloße Wiederholung nicht einer früheren Erbeinsetzung durch privatschriftliches Testament, auch wenn nun noch Regelungen für den Fall des gleichzeitigen Versterbens oder des Längerlebens des Erblassers getroffen werden (BayObLG aaO). Die alleinige Erbeinsetzung eines Abkömmlings muss hinsichtlich seiner Berufung nicht einem früheren Erbvertrag widersprechen, in dem er auch eingesetzt war, wenngleich neben anderen (BayObLG Rpfleger 87, 60).

2. Unwirksamkeit und Unwirksamwerden des Widerrufs.

 

Rn 6

Die Aufhebung wird nur durch ein Testament bewirkt, das zunächst gültig errichtet wird (KG DNotZ 56, 564 [KG Berlin 07.05.1956 - 1 W 871/56]). Bleibt das Testament dann aus tatsächlichen Gründen wirkungslos (BayObLG NJW-RR 96, 967 [BayObLG 30.11.1995 - 1Z BR 86/95]), so bleibt es bei der Aufhebung der früheren Verfügungen. Dies ist etwa der Fall bei Tod oder Ausschlagung des Bedachten sowie bei Bedingungsausfall oder Verlust (KG JW 35, 3122). Wird das Testament dagegen rückwirkend unwirksam, etwa infolge Anfechtung oder Fristablaufs eines Nottestaments (§ 2252), so entfällt die Aufhebungswirkung. Auch der Widerruf des späteren Testaments beseitigt die Aufhebungswirkung (II) und stellt das frühere Testament wieder her. Allerdings ist II nur Auslegungsregel (›im Zweifel‹). Das frühere Testament wird daher nicht wiederhergestellt, wenn der Erblasser dies trotz des Widerrufs nicht will, also an der Aufhebung des früheren Testaments festhält (Hamm Rpfleger 83, 401). Will der Erblasser das frühere Testament nur teilweise wiederherstellen, bedarf es entspr neuer Verfügungen (Klunzinger DNotZ 74, 286 ff). Die Wirkungen eines Widerrufs gem § 2255 oder § 2256 können nicht aufgehoben werden. Wird ein durch privatschriftliches Testament widerrufenes notarielles Testament erneut unterzeichnet, dann liegt darin weder ein Widerruf des Widerrufs noch eine formwirksame Neuerricht...

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