Gesetzestext

 

(1) 1Ein vor einem Notar oder nach § 2249 errichtetes Testament gilt als widerrufen, wenn die in amtliche Verwahrung genommene Urkunde dem Erblasser zurückgegeben wird. 2Die zurückgebende Stelle soll den Erblasser über die in Satz 1 vorgesehene Folge der Rückgabe belehren, dies auf der Urkunde vermerken und aktenkundig machen, dass beides geschehen ist.

(2) 1Der Erblasser kann die Rückgabe jederzeit verlangen. 2Das Testament darf nur an den Erblasser persönlich zurückgegeben werden.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 2 gelten auch für ein nach § 2248 hinterlegtes Testament; die Rückgabe ist auf die Wirksamkeit des Testaments ohne Einfluss.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Notarielle Testamente sollen bis zur Eröffnung ununterbrochen in der besonderen amtlichen Verwahrung verbleiben, damit sie vor Fälschungen geschützt sind. Gleichzeitig soll der Erblasser verhindern können, dass ein verwahrtes, inhaltlich überholtes Testament gegen seinen Willen verkündet wird. Die Vorschrift trägt beiden Zielen Rechnung, indem sie an die Rückgabe des Testaments die Widerrufsfiktion knüpft. Betroffen sind auch öffentliche Testamente, die vor dem 1.1.70 bei einem Richter errichtet wurden (§ 68 III BeurkG).

B. Rücknahme des öffentlichen Testaments.

I. Rückgabe an den Erblasser.

 

Rn 2

Der Erblasser kann jederzeit die Rückgabe verlangen (II 1). Sie ist Rechtsgeschäft unter Lebenden und nach hM gleichzeitig (wegen der Widerrufswirkung) Verfügung von Todes wegen (BGHZ 23, 211; BayObLGZ 73, 36; BayObLG NJW-RR 05, 957; aM Soergel/Runge-Rannow Rz 7; Merle AcP 171, 492, 508). Daher wird Testierfähigkeit vorausgesetzt. Gem § 2078 anfechten können die nach § 2080 Berechtigten, nicht dagegen der Erblasser (BayObLGZ 60, 494). Einen Anfechtungsgrund gem § 2078 bildet insbesondere der Irrtum über die Rechtsfolgen der Rücknahme (Ddorf FGPrax 16, 130).

 

Rn 3

Der Widerruf ist nur wirksam, wenn das Testament an den (testierfähigen) Erblasser persönlich zurückgegeben wird (II 2). Der Erblasser ist dabei über die Wirkung der Rückgabe zu belehren (I 2). Keinen Widerruf bewirkt die Rückgabe an einen bevollmächtigten Vertreter (hM, vgl BGH NJW 59, 2113 [BGH 16.09.1959 - V ZR 20/59]; Saarbr NJW-RR 92, 586 [OLG Saarbrücken 16.10.1991 - 5 W 96/91]). Stellvertretung ist ausgeschlossen, weil die Rücknahme Verfügung von Todes wegen ist, und weil gewährleistet sein soll, dass der Erblasser die Rückgabe noch im Moment der Herausgabe will (BGH aaO).

 

Rn 4

Keine Rückgabe iSd I liegt in der unverlangten Aushändigung an den Erblasser oder in der bloßen Gewährung der Einsichtnahme bei Gericht, auch wenn das Testament dabei versehentlich zurückgegeben wird. Wenn der Erblasser das Testament heimlich oder gewaltsam wieder an sich bringt, sollte dies aufgrund des Normzwecks als Widerruf iSd I gelten (Staud/Baumann Rz 17).

II. Widerrufswirkung.

 

Rn 5

Die Widerrufswirkung der Rücknahme tritt wegen der gesetzlichen Fiktion der Widerrufsabsicht unabhängig vom Willen des Erblassers ein (BayObLG FGPrax 05, 72 [BayObLG 15.12.2004 - 1Z BR 103/04]). Sie gilt nur für die Rückgabe eines öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung, nicht dagegen für die Rückgabe aus einfacher Verwahrung. Ein öffentliches Testament, das zugleich der Form des § 2247 entspricht, fällt nach hM (Grüneberg/Weidlich Rz 1; Kipp/Coing § 31 II 3 Fn 18) nicht unter III, sondern ist mit der Rücknahme aufgehoben (aM Erman/S. u T. Kappler Rz 2; differenzierend Staud/Baumann Rz 21–22e). Auf Erbverträge, die nur Verfügungen von Todes wegen enthalten, ist § 2256 I entspr anwendbar (§ 2300 II). Der Widerruf kann nicht seinerseits widerrufen werden, etwa durch neuerliche besondere amtliche Verwahrung des zurückgegebenen Testaments oder spätere letztwillige Verfügung. Wird ein Testament zurückgenommen, auf das der Erblasser in einer anderweitigen Verfügung Bezug genommen hat, so bleibt die Letztere wirksam, wenn sich ihr Inhalt durch Auslegung ermitteln lässt (Frankf ZEV 22, 164 [BFH 01.09.2021 - II R 40/19]).

C. Rückgabe anderer Testamente.

 

Rn 6

Ein eigenhändiges Testament kann aus der besonderen amtlichen Verwahrung zurückverlangt werden (III). Ein in analoger Anwendung des § 2248 hinterlegtes Dreizeugentestament (§§ 2250, 2251) kann ebenfalls analog zu § 2256 III wieder herausverlangt werden. Die Rückgabe hat in beiden Fällen keinen Einfluss auf die Wirksamkeit.

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