Gesetzestext

 

(1) Der Erbvertrag kann auf Grund der §§ 2078, 2079 auch von dem Erblasser angefochten werden; zur Anfechtung auf Grund des § 2079 ist erforderlich, dass der Pflichtteilsberechtigte zur Zeit der Anfechtung vorhanden ist.

(2) 1Soll nach dem Tode des anderen Vertragschließenden eine zu Gunsten eines Dritten getroffene Verfügung von dem Erblasser angefochten werden, so ist die Anfechtung dem Nachlassgericht gegenüber zu erklären. 2Das Nachlassgericht soll die Erklärung dem Dritten mitteilen.

A. Zweck/Anfechtungsrecht.

 

Rn 1

Einseitige Verfügungen und Testamente können vom Erblasser widerrufen werden (§§ 2299 II 1, 2253 ff). Für den Widerruf wechselseitiger Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament zu Lebzeiten der Ehegatten verweist § 2271 I auf den Rücktritt vom Erbvertrag (§ 2296); nach dem Tod eines Ehegatten gelten die §§ 22812285 analog (RGZ 87, 95; BGH NJW 62, 1913 [BGH 04.07.1962 - V ZR 206/60]). Bzgl vertragsmäßiger Verfügungen in einem Erbvertrag kann der Erblasser seine Testierfreiheit durch Anfechtung seiner Verfügung wieder erlangen, indem § 2281 ihm das Anfechtungsrecht einräumt, welches bei Testamenten wegen ihrer Widerruflichkeit nur Dritten (vgl § 2080) zuzuerkennen war. Der Vertragsgegner kann seine Willenserklärung vor und nach dem Erbfall nach §§ 119, 123 anfechten, insoweit er nicht selbst vertragsmäßig verfügt hat. Als Nächstberufener iSv § 2080 kann er nach §§ 2078 ff die Erklärung des verfügenden Erblassers anfechten. Ausgeschlossen ist eine Anfechtung, soweit der Erblasser ihre Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich herbeigeführt oder auf das Recht nach §§ 2078 I, 2079 2 erbvertraglich verzichtet hat (BGH NJW 83, 2247, 2249; BayObLG FamRZ 00, 1331, 1332). Zum Anfechtungsrecht Dritter s § 2285. Kostenschuldner: § 23 Nr 4a GNotKG; Kosten der Entgegennahme: KV Nr 12410 I Nr 2 GNotKG: 15 EUR.

B. Anfechtungsgründe.

 

Rn 2

§ 2281 verweist auf §§ 2078, 2079. Zur Anfechtung wegen Erklärungs- oder Inhaltsirrtums und Drohung s § 2079 Rn 1 f, 7. Anders als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden ist der Motivirrtum ein Grund, die vertragsmäßige Verfügung als Verfügung vTw anzufechten (§ 2078 II Alt 1). Daher kann der Verfügende, dessen Erwartung sich nicht erfüllt hat, anfechten. Maßgeblich ist seine wirkliche reale, nicht nur hypothetische Vorstellung und Erwartung (BGH NJW-RR 87, 1412, 1413 [BGH 27.05.1987 - IVa ZR 30/86]). Unbewusste Umstände, die dem Verfügenden so selbstverständlich sind, dass er sie jederzeit in sein Bewusstsein holen kann, genügen (München ZEV 07, 530, 531 [OLG München 27.07.2007 - 31 Wx 51/07]). Ein Irrtum kann darin liegen, dass der Erblasser die Bindungswirkung (Vor § 2274 Rn 1) nicht kannte (Hamm OLGZ 66, 497; Frankf ZEV 97, 422), über den erbvertraglichen Ausschluss des Anfechtungsrechts (BayObLG NJW-RR 97, 1030 [BayObLG 23.04.1997 - 1 Z BR 140/96]), über eine bestimmte Art der Unterhaltsgewährung oder Betreuung (BGH NJW 52, 419; FamRZ 73, 539), die Erfüllung einer vereinbarten Gegenleistung (Hamm DNotZ 77, 756 [OLG Hamm 14.02.1977 - 15 W 159/75]), in der Erwartung des Abbaus persönlicher Unstimmigkeiten mit der Vertragspartei (BGH WM 73, 974), oder über den Fortbestand einer Ehe (Hamm OLGR 05, 205 f) oder unter besonderen Umständen über ihren einträchtigen Fortgang (BayObLG FamRZ 83, 1275; 90, 322; 98, 1625; 00, 1053, 1054) irrte. Beruht der Irrtum auf arglistiger Täuschung, kommt es anders als bei § 123 II nicht darauf an, ob der Vertragspartner oder ein Dritter sie verübte.

C. Pflichtteilsberechtigter.

 

Rn 3

Für die Anfechtung wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten (§ 2079 Rn 8) verlangt § 2281 I Hs 2, dass dieser zur Zeit der Anfechtung lebt (BGH NJW 70, 279), und weicht insoweit von § 2079, der auf den Erbfall abstellt, ab. Damit kann der Erblasser den neu hinzutretenden Pflichtteilsberechtigten bei der Verteilung seines Nachlasses berücksichtigen und der Gefahr, dass dieser nach § 2079 anficht, begegnen (BGH aaO). Dass der Erblasser das Hinzutreten selbst veranlasst hat (zB durch Wiederverheiratung oder Zeugung eines Kindes), ist in den Grenzen der §§ 138, 226 unerheblich.

 

Rn 4

Die Entziehung des Pflichtteils kann als einseitige Verfügung frei widerrufen werden. Eine vertragsmäßig getroffene Verfügung, die der Erblasser im Zusammenhang mit der Entziehung getroffen hat, kann uU wegen Motivirrtums (§§ 2078 II, 2281 I) angefochten werden, wenn der Entziehungsgrund nachträglich wegfällt (vgl §§ 2336 IV, 2333 Nr 5).

 

Rn 5

Die Verzeihung (§ 2337) berechtigt dagegen nicht zur Anfechtung. Ansonsten stünde der Bestand des Erbvertrags im Belieben des Erblassers (Prot V, 412 f; Staud/Kanzleiter Rz 17; aA R/B/M/Mayer Rz 18; MüKo/Musielak Rz 14). Der Erblasser kann sich den Rücktritt für den Fall der Verzeihung vorbehalten.

D. Kausalität.

 

Rn 6

§ 2078 II setzt voraus, dass der Erblasser durch den Motivirrtum oder die widerrechtliche Drohung zu seiner Verfügung bestimmt worden ist. Er müsste sie bei Kenntnis der Sachlage unterlassen haben (München ZEV 09, 345, 347 [OLG München 16.04.2009 - 31 Wx 90/08]).

E. Anfechtungsgegner.

 

Rn 7

Zu Lebzeiten des Vertragspartners ist ihm in der Form des § 2...

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