Gesetzestext

 

(1) Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt

(2) Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt.

(3) 1Das Nachlassgericht soll die Ausschlagung demjenigen mitteilen, welchem die Erbschaft infolge der Ausschlagung angefallen ist. 2Es hat die Einsicht der Erklärung jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Der Anfall der Erbschaft erfolgt zwar nach § 1942 mit dem Tode, durch die Fiktion des § 1953 wird dieser Anfall aber durch die Ausschlagung auf den Zeitpunkt des Todes wieder aufgehoben. Der endgültige Erbe ist Rechtsnachfolger des Erblassers, nicht aber des vorläufigen Erben (BGH NJW 89, 2885 [BGH 08.02.1989 - IVa ZR 98/87]). Gleichwohl bleiben bestimmte Rechtshandlungen des vorläufigen oder Handlungen die ihm ggü vorgenommen sind, nach § 1959 nicht wirkungslos.

B. Rückwirkung.

 

Rn 2

Wird die Erbschaft vor ihrem Anfall wirksam ausgeschlagen, erfolgt kein Anfall (vgl Zimmer NJW 2016, 3341). Bei einer Ausschlagung nach dem Erbfall gilt der Anfall als nicht erfolgt, I, dh sie wirkt auf den Erbfall zurück. Der Ausschlagende ist von Anfang an nicht Erbe geworden. Der Nächstberufene gilt, ebenfalls rückwirkend, vom Erbfall an als Erbe. Er muss dabei den Erbfall erlebt haben; nicht aber die Ausschlagung (RGZ 61, 14).

 

Rn 3

Auch für den vorläufigen Erben entsteht mit dem Tod die Verpflichtung zur Zahlung der Erbschaftssteuer, die allerdings mit der Ausschlagung rückwirkend entfällt. Nach § 3 II Nr 4 iVm § 9 I Nr 1 ErbStG unterliegt eine dem vorläufigen Erben gewährte Entschädigung oder Abfindung für die Ausschlagung ebenfalls der Erbschaftssteuer.

C. Rechtsstellung des Ausschlagenden.

 

Rn 4

Da der Ausschlagende nicht Gesamtrechtsnachfolger ist, stand ihm der Nachlass zu keinem Zeitpunkt zu, auch ist der wirkliche Erbe nicht etwa Rechtsnachfolger des Ausschlagenden (BGH NJW 89, 2885 [BGH 08.02.1989 - IVa ZR 98/87]). Er hat, abgesehen von §§ 2305, 2306 I u 1371 III, keinen Pflichtteilsanspruch, wobei auch die Ausschlagung ›aus allen Berufungsgründen‹ nicht zwingend zum Verlust des Pflichtteils nach § 2306 I führt (Schlesw FamRZ 15, 702; § 2306 Rn 9). Nach § 2180 III sind die Regelungen des § 1953 I, II auf Vermächtnisse entspr anwendbar. Beschwerungen wie Vermächtnisse und Auflagen bleiben nach §§ 2161, 2192 im Zweifel bestehen, da die Ausschlagung nicht den Verlust letztwilliger Vorteile bewirkt (Staud/Otte § 1953 Rz 9). Sofern er das ihm zugewendete Vorausvermächtnis nicht mit ausgeschlagen hat oder es nicht unter der Bedingung der Erbschaftsannahme gewährt wurde, verbleibt es dem Ausschlagenden.

 

Rn 5

Der Ausschlagende hat ggü dem wirklichen Erben Auskunfts- (§§ 1959 I, 681, 666, 2027 II) und Herausgabepflichten (§§ 1953 mit 1959 I, 667, 681). Ein Erbschaftsanspruch nach §§ 2018 ff besteht nicht (Lange/Kuchinke § 40 II 2), ein gegen den vorläufigen Erben ergangenes Urt entfaltet den wirklichen Erben ggü keine Bindungswirkung nach § 265 ZPO (BGHZ 106, 359). Ob und inwieweit Rechtshandlungen des vorläufigen Erben bei Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Gläubigerbegünstigung nach § 131 InsO angefochten werden können, hängt von der Absicht des vorläufigen Erben ab (BGH NJW 69, 1349 [BGH 16.05.1969 - V ZR 86/68]). Zur Antragstellung im Insolvenzverfahren vgl BGH ZEV 11, 544 [BGH 19.05.2011 - IX ZB 74/10].

 

Rn 6

Ggü Dritten verfügte der vorläufige Erbe infolge der Rückwirkung als Nichtberechtigter, sofern es sich nicht um Geschäfte iSd § 1959 II, III handelte. Zwar ist auch der Besitz nach § 857 beim Erbfall auf den wirklichen Erben übergegangen, doch kann dies an der tatsächlichen Sachherrschaft des vorläufigen Erben über die Nachlassgegenstände nichts ändern. Die Besitzentziehung gilt als gesetzlich gestattet, so dass keine verbotene Eigenmacht iSd § 858 vorliegt (Staud/Otte § 1953 Rz 4) und die Sachen dem wirklichen Erben auch nicht abhandengekommen sind, § 935. Ein gutgläubiger Erwerb ist nach den §§ 892, 893, 932 vom vorläufigen Erben möglich; nach den §§ 2366, 2367 nur, wenn die Annahme angefochten wird, da im Erbscheinsantrag die Annahmeerklärung liegt.

D. Anfall an den Nächstberufenen (Abs 2).

 

Rn 7

Die Person des Nächstberufenen bestimmt sich, da der Ausschlagende als vor dem Erbfall verstorben gilt, nach den Vorschriften der gewillkürten oder gesetzlichen Erbfolge. Bei gesetzlicher Erbfolge führt die Ausschlagung durch einen Abkömmling gem § 1924 III zur Berufung seiner Abkömmlinge. Schlägt ein Eltern- oder Großelternteil aus, treten an dessen Stelle seine Abkömmlinge, § 1925 III, § 1926 III (NK-BGB/Ivo § 1953 Rz 6). Hat der Ausschlagende keine Abkömmlinge, erhöht sich nach § 1924 IV der jeweilige Erbteil der anderen Erstberufenen. Sind keine Abkömmlinge derselben Ordnung vorhanden, geht das Erbrecht an die nächsthöhere Ordnung (MüKo/Leipold § 1953 Rz 9). Die Ausschlagung des Ehegatten führt zur Erhöhung der Erbteile der berufenen Verwandten, ggf erst zu ihrer Berufung, § 1931 II. Bei einer Erbteilserhöhu...

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