Gesetzestext

 

(1) Die Erbschaft geht auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft).

(2) Der Fiskus kann die ihm als gesetzlichem Erben angefallene Erbschaft nicht ausschlagen.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift enthält, zusammen mit § 1922, den Grundsatz des Vonselbsterwerbs der Erbschaft, dh die Erbschaft fällt im Zeitpunkt des Todes des Erblassers ohne Wissen und Wollen des Erben kraft Gesetzes an, ohne dass es hierfür der Geschäftsfähigkeit bedarf.

 

Rn 2

Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist zwar nicht im eigentlichen Sinne höchstpersönlich (so aber Zweibrücken ZEV 08, 194 [OLG Zweibrücken 13.11.2007 - 3 W 198/07] mit krit Anm Zimmer), so dass eine Vertretung möglich ist (§ 1943 Rn 9). Eine Ausübung des Gestaltungsrechts durch den Sozialhilfeträger (BGH ZEV 11, 258 [BGH 19.01.2011 - IV ZR 7/10]; Zimmer ZEV 12, 276 [LSG Nordrhein-Westfalen 23.01.2012 - L 20 SO 565/11 B]), den Insolvenzverwalter oder Treuhänder ist jedoch nicht möglich, weil es um die Ausübung von weitgehend familiären und persönlichen Beziehungen geht, auch wenn vermögensrechtliche Auswirkungen damit verbunden sein mögen (BGH NJW 13, 692 [BGH 20.12.2012 - IX ZR 56/12]). Das Ausschlagungsrecht kann als höchstpersönliches, nicht übertragbares Gestaltungsrecht nicht gepfändet werden (München NJW 15, 2128 [BGH 23.10.2014 - I ZB 82/13]). Im Sozialrecht (Rn 10) oder im Unterhaltsrecht kann etwas anderes gelten, sodass die Ausschlagung Nachteile mit sich bringen kann.

B. Anfall der Erbschaft.

 

Rn 3

IdR fallen Erbfall und Anfall der Erbschaft zeitlich zusammen. Dies gilt auch im Fall des § 1923 II (MüKo/Leipold § 1942 Rz 9). Der Anfall kann nicht von einer besonderen Annahmeerklärung abhängig gemacht werden, § 1947; dies wäre nur ein unbeachtlicher Zusatz, wodurch sich an der Vollerbenstellung nichts ändern würde. Allerdings kann der Erblasser, abw vom Gesetz, eine Zeit für die Annahme der Erbschaft vorschreiben.

 

Rn 4

Im Falle der Ausschlagung oder Erbunfähigkeit gilt der Anfall als nicht erfolgt und nach §§ 1953 II, 2344 II als mit dem Erbfall an den Nächstberufenen übergegangen; dieser muss nur den Erbfall, nicht auch den Anfall erleben (Grüneberg/Weidlich § 1942 Rz 1).

 

Rn 5

Beim Vermächtnis (zur Ausschlagungsfrist vgl § 1944 Rn 4), das keinen Einfluss auf die Erbfolge hat, erfolgt der Anfall regelmäßig, aber nicht zwingend mit dem Erbfall (Ausnahme: §§ 2177–2179), wohingegen die Nacherbschaft erst mit Eintritt des Nacherbfalls nach § 2139 anfällt; zur Ausschlagung der Erbschaft durch den Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls vgl § 2142 Rn 2.

C. Vorläufiger Erbschaftserwerb.

 

Rn 6

Wegen des bis zur Annahme der Erbschaft bestehenden Schwebezustandes und der Ausschlagungsmöglichkeit ist der Erbschaftserwerb zunächst nur ein vorläufiger. Nach Ablauf der Ausschlagungsfrist oder durch die ausdrückliche oder stillschweigende Annahmeerklärung wird der Erwerb vollendet. Während der sechswöchigen Überlegungszeit ist der Erbe durch §§ 207, 1958, 1995 II; §§ 239 V, 778 ZPO geschützt.

 

Rn 7

Der endgültige Erbe muss sich im Insolvenzverfahren die ggf anfechtbaren Rechtshandlungen des vorläufigen Erben anrechnen lassen (BGH NJW 69, 1349 [BGH 16.05.1969 - V ZR 86/68]).

D. Keine Ausschlagung durch den Staat (Abs 2).

 

Rn 8

Der Staat hat als letzter gesetzlicher Zwangserbe kein Ausschlagungsrecht, da verhindert werden soll, dass ein herrenloser Nachlass entsteht. Im Gegenzug wird er durch die §§ 1966, 2011 und § 780 II ZPO bevorzugt. Dagegen kann er als gewillkürter Erbe die Erbschaft ausschlagen (MüKo/Leipold § 1942 Rz 12).

E. Ausschlagungsrecht.

 

Rn 9

Erhält der Erbe öffentliche Leistungen, wie zB Sozialhilfe nach SGB XII, wird das Ausschlagungsrecht nicht auf den Sozialhilfeträger übergeleitet (hM; BGH FamRZ 05, 448; BGH ZEV 11, 258 mit Anm Zimmer; aA etwa LSG München ZEV 16, 43). Auch ist die Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft durch den sozialhilfebedürftigen Erben nicht sittenwidrig iSd § 138 I (hM Ivo FamRZ 03, 6 ff; aA Hamm FamRZ 09, 2036, sofern die Ausschlagung nicht durch ein überwiegendes Interesse des Erben motiviert ist; Stuttg ZEV 02, 367).

 

Rn 10

Bezieht der Erbe ›ALG II‹, handelt es sich um eine Leistung, die von der Bedürftigkeit abhängt. Ungeachtet dessen ist auch in diesem Fall die Ausschlagung einer (werthaltigen) Erbschaft nicht sittenwidrig (NK-BGB/Ivo § 1942 Rz 21). Nach Ansicht des BSG besteht die Bedürftigkeit aber nicht bei grob fahrlässiger oder gar vorsätzlicher Aufgabe eines Vermögenswertes bzw Einkommensquelle (BSG SozR 4100 § 138 Nr 22; Zimmer NotBZ 11, 126).

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