Gesetzestext

 

Mit dem Eintritt des Falles der Nacherbfolge hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein, und fällt die Erbschaft dem Nacherben an.

A. Grundregel.

 

Rn 1

Der Nacherbe wird damit Erbe des Erblassers im Sinne einer Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922). Der Erwerb wird aber nicht auf den Tod des Erblassers zurück bezogen. Der Nacherbe wird auch nicht Erbe des Vorerben. Rechtsnachfolger des Vorerben sind dessen eigene Erben. Die Erbschaft fällt dem Nacherben kraft Gesetzes und ohne irgendwelche Übertragungsakte an.

B. Einzelheiten.

 

Rn 2

Der Nacherbe kann noch nach der allg Regel des § 1942 ausschlagen, falls er die Erbschaft noch nicht angenommen hat (etwa durch Veräußerung oder Verpfändung seines Anwartschaftsrechts). Die Ausschlagungsfrist beginnt mit seiner Kenntnis vom Anfall der Nacherbschaft und vom Grund seiner Berufung zum Nacherben (§ 1944 II 1). Sie beginnt also niemals vor dem Nacherbfall. Dieses allgemeine Ausschlagungsrecht besteht neben dem besonderen aus § 2142.

 

Rn 3

Den Zeitpunkt des Nacherbfalls bestimmt ausschließlich der Erblasser (s § 2100 Rn 33 und 42). Häufig ist es der Tod des Vorerben. Hat der Erblasser keine Bestimmung getroffen, so gilt § 2106.

 

Rn 4

Persönliche Rechtsbeziehungen des Vorerben verbleiben bei diesem. Löst sein Tod den Nacherbfall aus, so gehen sie auf seine eigenen Erben über.

 

Rn 5

(nicht besetzt)

 

Rn 6

Die Rechtsstellung des Vorerben als Vorerben wirkt weiter gem § 2140 (Fortbestand der Verfügungsbefugnis bis zur Kenntnis vom Nacherbfall), § 2142 II (Verbleib der Erbschaft beim Vorerben, wenn der Nacherbe ausschlägt) und § 2145 (Haftung für Nachlassverbindlichkeiten). Denkbar sind auch Verfügungen eines vom Vorerben transmortal Bevollmächtigten (Lotte DNotZ 22, 663, 671 ff).

 

Rn 6a

Der Nacherbfall nötigt zur Berichtigung des Grundbuchs. IdR geschieht sie auf Betreiben des Nacherben. Der dem Vorerben erteilte Erbschein ist unrichtig geworden und einzuziehen (§ 2361). Der Nacherbe kann vom Vorerben verlangen, dass er ihn dem Nachlassgericht herausgibt.

C. Beendigung der Vor- und Nacherbschaft durch Rechtsgeschäft.

 

Rn 7

Vor- und Nacherbe bilden zwar keine Erbengemeinschaft (s § 2100 Rn 3). Gleichwohl können sie sich über den Nachlass auseinandersetzen (BGH ZEV 01, 19, 20), insb auch Vor- und Nacherbschaft rechtsgeschäftlich aufheben (Frankf ZEV 20, 364). Der Vorerbe kann etwa auch dadurch zum Vollerben gemacht werden, dass ihm der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht überträgt (BayObLG NJW 70, 1794, 1795 [BayObLG 27.05.1970 - BReg. 2 Z 16/70]; Schlesw ZEV 10, 574; Braunschw ZEV 20, 687;Ddorf NJW-RR 22, 948; HartmannDNotZ 22, 647 und ZEV 09, 107, 108; Staud/Avenarius § 2100 Rz 85). Eine bloße Vorverlegung des Nacherbfalls durch Rechtsgeschäft ist aber nicht möglich (Staud/Avenarius § 2139 Rz 14). Das übertragene Anwartschaftsrecht geht durch Konsolidation unter (BGH ZEV 95, 453), sodass es auch nicht weiter übertragen werden kann (RG Recht 23 Nr 1248). Ausnahmsweise erlischt das Anwartschaftsrecht jedoch nicht, etwa wenn dies die Rücksichtnahme auf Rechte Dritter gebietet (BGH ZEV 95, 453), auch die Interessen der Ersatznacherben (s § 2139 Rn 9), oder wenn es nur zur Sicherung übertragen ist (BGH ZEV 95, 453).

 

Rn 8

Vor- und Nacherbe können auch einzelne Erbschaftsgegenstände, insb einen Gesellschaftsanteil oder ein Grundstück, aus dem gebundenen Nachlass in das freie Vermögen des Vorerben überführen (BGH ZEV 01, 19, 20; Hamm ZEV 16, 638 [BGH 02.06.2016 - V ZB 3/14] mit Anm Litzenburger; BayObLG NJW-RR 05, 956 [BayObLG 01.03.2005 - 2 Z BR 231/04]; krit Wegmann ZEV 22, 433 und 500). Sie scheiden damit aus dem Nachlass aus und werden von der Nacherbeneinsetzung nicht mehr erfasst (BGH aaO). Derartige Freigaben sind materiell-rechtlich formfrei (Hartmann ZEV 09, 107, 112; Damrau ZEV 21, 477, 480). Hierauf kann ein Rechtsanspruch des Vorerben aus § 2120 bestehen (Damrau aaO). Sie unterscheiden sich von den bei §§ 2113 ff geregelten Verfügungen dadurch, dass kein Surrogat in den Nachlass gelangt.

 

Rn 9

Strittig ist bei alledem, ob alle Nacherben bekannt sein müssen (Frankf ZEV 20, 364 Rz 49) und die Zustimmung von Ersatznacherben erforderlich ist. Letzteres wird bei Übertragung der Nacherben-Anwartschaft insgesamt verlangt (Schlesw ZEV 10, 1574, 576 mit zust Anm Hartmann; Hamm ZEV 16, 638; Braunschw ZEV 20, 687; Ddorf NJW-RR 22, 948; krit Osterloh-Konrad AcP 215, 149 f). Ohne Zustimmung der Ersatznacherben bleibt der Vorerbe zwar bis zum Ersatzfall über den Nachlass voll verfügungsbefugt; mit diesem erlischt jedoch die nur auflösend bedingt eingetretene Konsolidation (BayObLG NJW 70, 1794, 1795 [BayObLG 27.05.1970 - BReg. 2 Z 16/70]; Ddorf NJW-RR 22, 948; Kollmeyer ZEV 20, 690 [OLG Braunschweig 13.05.2020 - 3 W 74/20]; endgültig verdrängt wird der Ersatznacherbe nur, wenn der Nacherbe den Nacherbfall erlebt (Kollmeyer ZEV 21, 690 [OLG Köln 14.07.2021 - 2 Wx 119/21]). Für die Freigabe einzelner Nachlassgegenstände wird die Zustimmung der Ersatznacherben überwiegend nicht verlangt (Frankf ZEV 20, 364 Rz 47; Hamm ZEV 16, 638 [BGH 02.06.2016 - V ZB 3/14]; München NJW-RR 18, 71, 73 [OLG München 28.11.2017 - 34 ...

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