Gesetzestext

 

(1) Die Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück oder über ein zur Erbschaft gehörendes eingetragenes Schiff oder Schiffsbauwerk ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde.

(2) 1Das Gleiche gilt von der Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die unentgeltlich oder zum Zwecke der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens erfolgt. 2Ausgenommen sind Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird.

(3) Die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.

A. Grundsatz.

 

Rn 1

Der Vorerbe darf nicht über ein Grundstück oder ein Recht an einem Grundstück verfügen (I), ebenso wenig über irgendeinen Nachlassgegenstand unentgeltlich (II). Dies gilt auch, wenn das Verfügungsobjekt als Surrogat gem § 2111 in den Nachlass gelangt ist.

 

Rn 2

Eine ausdehnende Auslegung auf andere Fälle kommt nicht in Betracht, mag die Verfügung auch gravierende wirtschaftliche Konsequenzen für den Nacherben haben. Eigenmächtige Verfügungen des Vorerben, die auch von § 2130 nicht gedeckt sind, geben dem Nacherben die Rechte aus §§ 2127–2129. Zur Freigabe von Erbschaftsgegenständen aus dem Nachlass s § 2139 Rn 8.

 

Rn 3

Die beiden ersten Absätze enthalten zwei selbstständig nebeneinander stehende Ausnahmen vom Grundsatz des § 2112. Der Erblasser kann den Vorerben vom ersten, nicht vom zweiten Verbot befreien (§ 2136), somit auch nicht vom Verbot unentgeltlicher Verfügungen über Grundstücke und Rechte an Grundstücken (RGZ 133, 263, 267).

B. Rechtswirkungen.

 

Rn 4

Die Unwirksamkeit der Verfügungen tritt erst mit dem Nacherbfall ein und wirkt nicht zurück (Staud/Avenarius § 2113 Rz 23 mwN). Sie wirkt indessen absolut, so dass sich jeder auf sie berufen kann (BGHZ 52, 269, 270). Zu den Einzelheiten s § 2112 Rn 2 bis 4.

C. Grundstücke und Rechte an Grundstücken.

I. Definition.

 

Rn 5

Als Grundstücke gelten auch grundstücksgleiche Rechte (Erbbaurecht). Als Rechte an Grundstücken kommen Nießbrauch und beschränkte persönliche Dienstbarkeit, da unvererblich, hier nicht in Betracht.

 

Rn 6

§ 2113 I betrifft hingegen nicht Verfügungen über Grundstücke und Rechte an Grundstücken, die zunächst zum Vermögen einer Gesamthand gehören, von welcher wiederum nur ein Anteil in die Vorerbschaft fällt (BGH NJW 58, 708; 76, 893 [BGH 10.03.1976 - V ZB 7/72]; 78, 698; ZEV 07, 323 [BGH 15.03.2007 - V ZB 145/06]), ebenso wenig über Anteile an einer Gesamthand, zu der ein Grundstück gehört (MüKo/Lieder § 2113 Rz 10). Das aus einem Grundstück bestehende Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der neben anderen Gesellschaftern nicht befreite Vorerben beteiligt sind, kann auch gegen den Willen der Nacherben auseinandergesetzt werden (Hambg NJW-RR 94, 1231 [OLG Hamburg 06.01.1994 - 2 W 19/93]). Die Nacherben sind jedoch insoweit nicht schutzlos. Bei nicht befreiter Vorerbschaft kann sich der Vorerbe durch die Veräußerung, wenn sie keiner ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses entspricht, nach §§ 2130, 2131 schadensersatzpflichtig machen; bei befreiter Vorerbschaft können Ansprüche aus § 2138 II bestehen (Johannsen in Anm zu BGH LM Nr 1 zu § 2138 = NJW 58, 708 [BGH 26.02.1958 - IV ZR 245/57]).

II. Verfügung.

 

Rn 7

Zum Begriff der Verfügung s zunächst § 2112 Rn 1. Keine Verfügung liegt in der Eigentumsübertragung durch Teilungsversteigerung (BayObLGZ 65, 212, 216). Für die Kündigung und Einziehung von Hypotheken und Grundschulden gilt § 2114. Vermietung und Verpachtung (§ 2135) sind keine Verfügungen. Eine Verfügung liegt dagegen in der Bestellung einer Baulast (VG Schleswig DNotZ 86, 95 [VG Schleswig 15.11.1984 - 2 A 7/84]) und in der Revalutierung einer Grundschuld auf einem Nachlassgrundstück (MüKo/Lieder § 2113 Rz 13). Sie liegt ferner in der Löschungsbewilligung für beschränkte dingliche Rechte, die zum Nachlass gehören, doch wird der Nacherbe nicht benachteiligt, wenn das zu löschende Recht letztrangig eingetragen ist (Hamm ZEV 12, 671; Soergel/Harder/Wegmann § 2113 Rz 13); umstr ist, ob eine Ausnahme auch dann gilt, wenn bereits der Erblasser eine Löschungsvormerkung bewilligt hat (Soergel/Harder/Wegmann § 2113 Rz 14). Nicht als Verfügung anzusehen ist ein – auch langfristiger – Leihvertrag; er führt weder zu einer Verminderung des Nachlasses noch zu einer Bindung des Nacherben aus § 2135 (BGH ZEV 16, 267 = NJW 16, 2652 [BGH 27.01.2016 - XII ZR 33/15]; krit. dazu u.a. Küpper ZEV 17, 61).

III. Unwirksamkeit.

 

Rn 8

Die Verfügung ist nur insoweit unwirksam, als sie das Nacherbenrecht vereiteln oder beeinträchtigen kann. Dies ist unter rein rechtlichen, nicht unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (Staud/Avenarius § 2113 Rz 22 und 51). Unwirksam sind deshalb auch ein – selbst vorteilhafter – Grundstückstausch und die Bewilligung einer Vormerkung; will der Nacherbe von einer vorteilhaften Verfügung profitieren, so kann er sie genehmigen.

 

Rn 9

Veräußerungen und Belastungen von Nac...

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