Rn 7

Vor- und Nacherbe bilden zwar keine Erbengemeinschaft (s § 2100 Rn 3). Gleichwohl können sie sich über den Nachlass auseinandersetzen (BGH ZEV 01, 19, 20), insb auch Vor- und Nacherbschaft rechtsgeschäftlich aufheben (Frankf ZEV 20, 364). Der Vorerbe kann etwa auch dadurch zum Vollerben gemacht werden, dass ihm der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht überträgt (BayObLG NJW 70, 1794, 1795 [BayObLG 27.05.1970 - BReg. 2 Z 16/70]; Schlesw ZEV 10, 574; Braunschw ZEV 20, 687;Ddorf NJW-RR 22, 948; HartmannDNotZ 22, 647 und ZEV 09, 107, 108; Staud/Avenarius § 2100 Rz 85). Eine bloße Vorverlegung des Nacherbfalls durch Rechtsgeschäft ist aber nicht möglich (Staud/Avenarius § 2139 Rz 14). Das übertragene Anwartschaftsrecht geht durch Konsolidation unter (BGH ZEV 95, 453), sodass es auch nicht weiter übertragen werden kann (RG Recht 23 Nr 1248). Ausnahmsweise erlischt das Anwartschaftsrecht jedoch nicht, etwa wenn dies die Rücksichtnahme auf Rechte Dritter gebietet (BGH ZEV 95, 453), auch die Interessen der Ersatznacherben (s § 2139 Rn 9), oder wenn es nur zur Sicherung übertragen ist (BGH ZEV 95, 453).

 

Rn 8

Vor- und Nacherbe können auch einzelne Erbschaftsgegenstände, insb einen Gesellschaftsanteil oder ein Grundstück, aus dem gebundenen Nachlass in das freie Vermögen des Vorerben überführen (BGH ZEV 01, 19, 20; Hamm ZEV 16, 638 [BGH 02.06.2016 - V ZB 3/14] mit Anm Litzenburger; BayObLG NJW-RR 05, 956 [BayObLG 01.03.2005 - 2 Z BR 231/04]; krit Wegmann ZEV 22, 433 und 500). Sie scheiden damit aus dem Nachlass aus und werden von der Nacherbeneinsetzung nicht mehr erfasst (BGH aaO). Derartige Freigaben sind materiell-rechtlich formfrei (Hartmann ZEV 09, 107, 112; Damrau ZEV 21, 477, 480). Hierauf kann ein Rechtsanspruch des Vorerben aus § 2120 bestehen (Damrau aaO). Sie unterscheiden sich von den bei §§ 2113 ff geregelten Verfügungen dadurch, dass kein Surrogat in den Nachlass gelangt.

 

Rn 9

Strittig ist bei alledem, ob alle Nacherben bekannt sein müssen (Frankf ZEV 20, 364 Rz 49) und die Zustimmung von Ersatznacherben erforderlich ist. Letzteres wird bei Übertragung der Nacherben-Anwartschaft insgesamt verlangt (Schlesw ZEV 10, 1574, 576 mit zust Anm Hartmann; Hamm ZEV 16, 638; Braunschw ZEV 20, 687; Ddorf NJW-RR 22, 948; krit Osterloh-Konrad AcP 215, 149 f). Ohne Zustimmung der Ersatznacherben bleibt der Vorerbe zwar bis zum Ersatzfall über den Nachlass voll verfügungsbefugt; mit diesem erlischt jedoch die nur auflösend bedingt eingetretene Konsolidation (BayObLG NJW 70, 1794, 1795 [BayObLG 27.05.1970 - BReg. 2 Z 16/70]; Ddorf NJW-RR 22, 948; Kollmeyer ZEV 20, 690 [OLG Braunschweig 13.05.2020 - 3 W 74/20]; endgültig verdrängt wird der Ersatznacherbe nur, wenn der Nacherbe den Nacherbfall erlebt (Kollmeyer ZEV 21, 690 [OLG Köln 14.07.2021 - 2 Wx 119/21]). Für die Freigabe einzelner Nachlassgegenstände wird die Zustimmung der Ersatznacherben überwiegend nicht verlangt (Frankf ZEV 20, 364 Rz 47; Hamm ZEV 16, 638 [BGH 02.06.2016 - V ZB 3/14]; München NJW-RR 18, 71, 73 [OLG München 28.11.2017 - 34 Wx 176/17] und ZEV 19, 536 [OLG München 14.06.2019 - 34 Wx 434/18]; Ddorf NJW-RR 22, 948: auch wenn die zu übertragenden Nachlassgegenstände nahezu den gesamten Nachlasswert ausmachen; Hartmann ZEV 09, 107, 109, 113; Neukirchen RhNotZ 18, 357, 367). Die Zustimmung der Ersatznacherben fordert jedoch Ddorf ZEV 20, 550 [OLG Düsseldorf 07.04.2020 - 3 Wx 230/19] (mit abl Anm Weidlich; inzwischen rkr, vgl Große-Wilde MDR 11, 788 Fn 22 für den Fall der Freigabe eines Grundstücks, welches den einzigen Gegenstand der Nacherbenbindung bildete, nachdem die Mobilien dem Vorerben durch Vorausvermächtnis zugewendet worden waren.

 

Rn 10

Der Nacherbfall kann vorweggenommen werden, indem der Vorerbe zugunsten des Nacherben über den Nachlass verfügt (Reimann DNotZ 07, 579 [BVerfG 07.11.2006 - 1 BvL 10/02]). Die Zustimmung von Ersatznacherben ist dazu nicht erforderlich (krit Osterloh-Konrad AcP 215, 107, 149 f), wohl aber bei gestaffelter Nacherbschaft diejenige nachrangiger Nacherben (Reimann aaO). Mit einer solchen Verfügung scheidet das übertragene Vermögen aus dem Nachlass des Erblassers aus und wird zum Vermögen des Nacherben; es gehört insb zu seinem eigenen Nachlass, wenn er noch vor dem letztwillig verfügten Nacherbfall verstirbt (Reimann aaO).

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