Gesetzestext

 

(1) Besorgt der Erbe vor der Ausschlagung erbschaftliche Geschäfte, so ist er demjenigen gegenüber, welcher Erbe wird, wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag berechtigt und verpflichtet.

(2) Verfügt der Erbe vor der Ausschlagung über einen Nachlassgegenstand, so wird die Wirksamkeit der Verfügung durch die Ausschlagung nicht berührt, wenn die Verfügung nicht ohne Nachteil für den Nachlass verschoben werden konnte.

(3) Ein Rechtsgeschäft, das gegenüber dem Erben als solchem vorgenommen werden muss, bleibt, wenn es vor der Ausschlagung dem Ausschlagenden gegenüber vorgenommen wird, auch nach der Ausschlagung wirksam.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Vor Annahme der Erbschaft trifft den Ausschlagenden keine Fürsorgepflicht im Hinblick auf den Nachlass. Sofern durch die Ausschlagung ein Sicherungsbedürfnis entsteht, hat das Nachlassgericht vAw nach § 1960 tätig zu werden. Wird der vorläufige Erbe ohne damit zugleich die Annahme zu erklären, tätig und schlägt er später wirksam aus oder ficht er die Annahme an, haftet er dem endgültigen Erben ggü nach den Grundsätzen der GoA (§§ 1959, 677 ff). Gemeint sind nur Geschäfte vor Ausschlagung, nicht aber solche vor der Annahme/Anfechtung der Ausschlagung. Besonderheiten gelten in letzterem Fall auch für den wirklichen Erben im Nachlassinsolvenzverfahren oder bei der Nachlassverwaltung, § 1978 I 2; III.

 

Rn 2

War der Ausschlagende nicht zum Erben berufen, sind die §§ 2018 ff anwendbar (Staud/Mesina § 1959 Rz 2).

B. Geschäftsführung ohne Auftrag.

 

Rn 3

Der vorläufige Erbe hat die Interessen des endgültigen Erben, des Testamentsvollstreckers oder des Nachlasspflegers zu wahren und dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen zu berücksichtigen. Bei schuldhafter Pflichtverletzung haftet der vorläufige dem endgültigen Erben, wobei dieser Anspruch zum Nachlass gehört (Celle MDR 70, 1012 [OLG Celle 09.06.1970 - 10 U 196/69]). IÜ haftet der Ausschlagende dem Erben allein nach §§ 681 2, 667 auf Herausgabe des Erlangten.

 

Rn 4

Geschäfte des Ausschlagenden, wie die Bestattung, und die ihm daraus erwachsenen Erstattungsansprüche sind, ebenso wie Aufwendungsersatzansprüche (zu den Kosten vgl § 1968 Rn 6), Nachlassverbindlichkeiten (Erman/Schmidt § 1959 Rz 3); sie bleiben wirksam; für sie hat der endgültige Erbe einzustehen; im Nachlassinsolvenzverfahren sind sie Masseschulden nach § 324 I Nr 6 InsO.

C. Unaufschiebbare Verfügungen.

 

Rn 5

Nach II bleiben unaufschiebbare Verfügungen trotz späterer Ausschlagung wirksam. Inwieweit eine Verfügung ohne Nachteil für den Nachlass aufgeschoben werden kann, bestimmt sich nach objektiven und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (MüKo/Leipold § 1959 Rz 6). Die Vorschrift erfasst nur Verfügungen, nicht auch schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte (hM, so Erman/Schmidt § 1959 Rz 5; aA Bertzel AcP 158, 107). Verfügung ist jedes Rechtsgeschäft, durch das unmittelbar auf ein zum Nachlass gehörendes Recht eingewirkt wird, wie zB Annahme von Zahlungen zwecks Erfüllung einer Nachlassforderung, Begleichung der Beerdigungskosten aus Nachlassmitteln, Verkauf verderblicher Waren ua, aber auch die Ausübung eines Gestaltungsrechts wie Kündigung oder Anfechtung sowie die Erfüllung einer fälligen Nachlassverbindlichkeit durch den vorläufigen Erben (Erman/Schmidt § 1959 Rz 6). Die erforderliche Dringlichkeit ist insb dann zu bejahen, wenn andernfalls Annahmeverzug eintreten würde oder die Vermögensverhältnisse des Schuldners einen späteren Ausfall des endgültigen Erben befürchten lassen (NK-BGB/Ivo § 1959 Rz 9).

 

Rn 6

Nicht erfasst werden die Verfügungen über fremde, nicht zum Nachlass gehörende Gegenstände (Erman/Schmidt § 1959 Rz 4) und die Prozessführung, da sie eine Verwaltungshandlung ist. Danach begründet die aktive Prozessführung des vorläufigen Erben keine Rechtskraft ggü dem endgültigen Erben (BGH NJW 1989, 2885 [BGH 08.02.1989 - IVa ZR 98/87]; BFH v 21.72016 – X R 36/08). Der Kläger kann in der Klage die Leistung an sich verlangen, worin die schlüssige Annahme der Erbschaft liegt, oder an den endgültigen Erben oder auf Hinterlegung zu seinen Gunsten (str; BRHP/Seidl § 1959 Rz 16; aA MüKo/Leipold § 1959 Rz 11).

 

Rn 7

Aufschiebbare Verfügungen sind grds unwirksam, können aber vom endgültigen Erben nach § 185 II genehmigt (Staud/Mesinae § 1959 Rz 13 ff) oder durch gutgläubigen Erwerb nach §§ 932 ff wirksam werden (Lüke JuS 78, 254).

D. Einseitige Rechtsgeschäfte.

 

Rn 8

Einseitige, empfangsbedürftige Rechtsgeschäfte iSd III, die ggü dem vorläufigen Erben vorzunehmen sind, bleiben auch ggü dem endgültigen Erben wirksam. Auf deren Dringlichkeit kommt es nicht an. Zu nennen sind insb Kündigungs-, Anfechtungs- und Rücktrittserklärungen sowie Genehmigungen und die Annahme von Vertragsangeboten des Erblassers (Staud/Mesinae § 1959 Rz 20). Sie sind auch dann ggü dem vorläufigen Erben vorzunehmen, wenn das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet ist, da der Nachlass erst nach der Erbschaftsannahme zur Insolvenzmasse gehört (Celle OLGE 30, 207).

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