Gesetzestext

 

Ist ein Zwischenstreit zur Entscheidung reif, so kann die Entscheidung durch Zwischenurteil ergehen.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Zwischenurteile haben den Zweck, den Prozess zu fördern, die Verhandlung frühzeitig von einzelnen verfahrensrechtlichen Streitpunkten zu entschlacken und die nachfolgende Prozessführung damit auf den eigentlichen Streitgegenstand zu lenken. Mit dem Zwischenurteil trifft das Gericht vorweg nach Maßgabe des § 318 bindende Feststellungen zu einzelnen Elementen eines späteren Endurteils, ohne aber – wie Teil- und Vorbehaltsurteile – über den Streitgegenstand oder einen Teil davon abschließend zu entscheiden. Bei den von § 303 erfassten Zwischenurteilen handelt es sich um unselbstständige Urteile, die nur durch die Anfechtung eines späteren Endurteils zur Nachprüfung gestellt werden können (Rn 8). Davon abzugrenzen sind selbstständige Zwischenurteile über das Vorliegen einer Prozessvoraussetzung (§ 280 II) oder über den Betrag einer Forderung (§ 304 II), die jeweils eigenständig wie ein Endurteil anfechtbar sind. Nicht zu § 303 gehören ›unechte‹ Zwischenurteile zwischen einer Partei und einem Dritten (§§ 71 I, II, 135 II, III, 142 II, 144 II, 372a, 387, 402). Eines unechten Zwischenurteils bedarf es auch, wenn wegen Parteiidentität eine nur vermeintlich eigenständige Prozesspartei (Scheinpartei) aus dem Rechtsstreit ›entlassen‹ wird (BGH NJW-RR 95, 764; vgl auch BGH NJW 11, 778 [BGH 29.09.2010 - XII ZR 41/09]; näher § 50 Rn 6 f); zum gewillkürten Parteiwechsel näher § 50 Rn 5 ff.

B. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen.

I. Zwischenstreit.

 

Rn 2

Ein Zwischenstreit iSd § 303 hat eine zum Verfahren gehörende Vorfrage zum Gegenstand, die weder den Streitgegenstand selbst (dann ggf Teil-, End- oder Grundurteil) noch das Vorliegen einer Sachurteilsvoraussetzung (dann § 280 II) betrifft. Die Abgrenzung ist schwierig und wird in der Rspr nicht konsistent durchgehalten. Es ergeben sich folgende Grundsätze:

1. Sachurteilsvoraussetzungen.

 

Rn 3

Kein Zwischenstreit iSd § 303 ist ein Streit über das Vorliegen einer Sachurteilsvoraussetzung. Stattdessen ist die Klage durch Endurteil abzuweisen oder ein selbstständig anfechtbares Zwischenurteil gem § 280 II zu erlassen. Daher findet § 303 keine Anwendung beim Streit über die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (Hambg WM 92, 1941, 1942 [OLG Hamburg 09.10.1992 - 11 U 109/92], das aber § 303 mitzitiert; aA für die örtliche Zuständigkeit wohl LG Mainz NJW-RR 00, 588 [LG Mainz 12.03.1999 - 7 O 200/98]); verneint das Gericht die Zuständigkeit, muss es verweisen (§ 281) oder die Klage abweisen. Auch kein Fall des § 303 ist die Prüfung der Prozessfähigkeit (BGH MDR 11, 314 [BGH 19.01.2011 - XII ZB 326/10]). Stellt das Gericht die Nichtbeendigung des Rechtstreits durch einen unwirksamen Vergleich fest, gilt nicht § 303, sondern richtigerweise § 280 II (in diese Richtung BGH NJW 96, 3345, 3346 [BGH 18.09.1996 - VIII ZB 28/96] mwN), da ein Vergleich das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage in Frage stellt. Ist der Vergleich dagegen wirksam, ist über den Antrag auf Verfahrensfortsetzung durch Endurteil zu entscheiden. Ebenso wenig gilt § 303 für die Bejahung der Zulässigkeit einer Wiederaufnahme und das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes gem §§ 589 ff (so BGH NJW 05, 222, 223 [BGH 21.10.2004 - IX ZR 59/04], zw). Über die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit nach den §§ 18–20 GVG ist im Wege eines Zwischenurteils gem. § 280 zu entscheiden, nicht nach § 303 (BGH NJW 09, 3164, 3165 [BGH 09.07.2009 - III ZR 46/08] Rz 18). Für Entscheidungen über die Verfahrensunterbrechung und Prozessfortsetzung unter § 240 InsO und § 17 AnfG hat der BGH zuletzt aber die Anwendbarkeit von § 303 bejaht (BGH NZI 12, 967 [BGH 31.10.2012 - III ZR 204/12]; NZI 15, 127) (zur tw gegenläufigen Tendenz näher Rn 8). Diese Rspr verwischt die Grenzen zwischen dem Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage und den von § 303 erfassten Konstellationen und ist offenbar dem Bemühen geschuldet, über § 280 II eine Rechtsschutzmöglichkeit zu schaffen. Ein Zwischenurteil, das den vom Kl beantragten Parteiwechsel auf der Beklagtenseite in der Berufungsinstanz mit der Wirkung für zulässig erklärt, dass der bisherige Beklagte (gegen seinen Willen) aus dem Rechtsstreit ausscheidet und der neue Beklagte in das Verfahren einbezogen wird, soll ein Zwischenurteil iSd § 280 II sein (BGH NJW 81, 989); tatsächlich handelt es sich hinsichtlich der ausscheidenden Partei um ein Endurteil iSd § 300, da es die Rechtshängigkeit in diesem Prozessrechtsverhältnis beendet.

Ebenso wenig fällt die Verwerfung einer Einrede der fehlenden (Ausländer-)Prozesskostensicherheit unter § 303 (wohl auch BGH NJW 88, 1733f [BGH 25.11.1987 - IVa ZR 135/86]). Dagegen soll die Bejahung der Einrede der fehlenden Ausländersicherheit (§ 110) dem § 303 zuzuschlagen sein (Zö/Feskorn Rz 6 mit Hinweis auf BGHZ 102, 232). Bei einem Urt, das die Leistung der Sicherheit anordnet, handelt es sich jedoch um eine Anordnung iSd §§ 112, 113 S 1, und nicht um ein Zwischenurteil iSd § 303. Die Ablehnung einer Wiedereinsetzung nach § 238 bedingt idR ein Endurteil...

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