Gesetzestext

 

(1) Ist der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil zu erlassen.

(2) Das Gleiche gilt, wenn von mehreren zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung und Entscheidung verbundenen Prozessen nur der eine zur Endentscheidung reif ist.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift trifft zwei wesentliche Aussagen: (1) Das Gericht hat eine Pflicht zu entscheiden, sobald der Rechtsstreit oder einer von mehreren verbundenen Prozessen (Abs 2) zur Endentscheidung reif ist. § 300 ist damit eine Regelung über den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt, die das Verfahren beschleunigen, dessen Prozesswirtschaftlichkeit fördern und den Justizgewährungsanspruch der Parteien bedienen soll. Zugleich soll gewährleistet werden, dass ein Urt erst bei tatsächlicher Entscheidungsreife und damit auf gesicherter Grundlage ergeht. (2) Bei Endentscheidungsreife muss die Beendigung des Rechtsstreits gerade durch das (Voll-)Urt, das sog Endurteil, erzielt werden. Das Urt ist das Ziel des Prozesses. § 300 meint nur das Endurteil im Fall der Entscheidungsreife des gesamten Rechtsstreits bzw eines von mehreren verbundenen Prozessen. Bei teilweiser Entscheidungsreife im Hinblick auf den Streitgegenstand kommen Endurteile in Gestalt von Teil- oder Vorbehaltsurteilen in Betracht.

B. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen.

I. Endentscheidungsreife.

 

Rn 2

Der Rechtsstreit ist zur Endentscheidung reif, wenn das Gericht der Klage auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung stattgeben oder sie abweisen kann. Dazu muss der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt, eine etwa erforderliche Beweisaufnahme durchgeführt und das Angebot an (weiteren) Beweisen erschöpft sein. Das Gericht ist verpflichtet, Endentscheidungsreife herzustellen (BVerwG NJW 89, 118, 119). Auf eine weitere Klärung des Sachverhalts kann verzichtet werden, wenn das Vorbringen der Parteien nach §§ 282, 296, 530, 531 nicht beachtet werden muss und das Gericht gleichwohl in der Lage ist, den Rechtsstreit einer abschließenden Entscheidung zuzuführen. Ist der Rechtsstreit insgesamt noch nicht zur Endentscheidung reif, weil unabhängig vom verspäteten Vorbringen noch Sachverhaltsaufklärung erfolgen muss, so begründet die Zulassung des Vorbringens keine Verzögerung des Rechtsstreits (BGHZ 77, 306, 308). Eine Entscheidung unter Vorbehalt darf nur in den Fällen der §§ 302, 599 ergehen (auflösend bedingtes Endurteil). Ein Feststellungsurteil unter dem Vorbehalt eines später zu bestimmenden Mitverschuldens ist unzulässig (BGH NJW 10, 3299, 3300 [BGH 04.08.2010 - VII ZR 207/08] Rz 11). Der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung hindert die unbedingte Verurteilung nicht, sondern ist nur für die Vollstreckung bedeutsam (§ 780). Zur seerechtlich beschränkten Haftung s die Erläuterungen zu § 305a. Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Urteils vor §§ 300 ff Rn 12.

 

Rn 3

Die Endentscheidungsreife beurteilt sich immer nach dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Das ist idR der Schluss der mündlichen Verhandlung. Ausnahmen: Ein Anerkenntnisurteil kann im Falle des § 307 II schon vor der mündlichen Verhandlung ergehen; ebenso das VU nach Maßgabe des § 331 III. Zum Kleinverfahren nach § 495a s Rn 12. Ist die Klage zur Zeit der mündlichen Verhandlung unzulässig oder das Klagevorbringen unschlüssig, ist idR Endentscheidungsreife gegeben (näher Rn 2). Das Gericht darf keine weitere Beweisaufnahme durchführen, um seine Entscheidung auf tatsächliche Umstände stützen und schwierigen Rechtsfragen ausweichen zu können (BGHZ 101, 253, 261). Das ist nicht notwendigerweise immer die prozesswirtschaftlichste Lösung (krit deshalb Grunsky VerfahrensR § 40 II 2). In den Fällen, in denen eine Klage mangels Fälligkeit des eingeklagten Anspruchs lediglich ›derzeit unbegründet‹ ist, besteht Endentscheidungsreife ohne Rücksicht auf die Fälligkeit. War der Klageantrag ohnehin auf künftige Leistung gerichtet, ist das selbstverständlich (vgl BVerwG NJW 89, 118, 119).

II. Endurteil.

 

Rn 4

Das Endurteil iSd § 300 entscheidet als Vollurteil den gesamten Rechtsstreit für die Instanz endgültig. Ein weiteres Urt desselben Spruchkörpers in demselben, anhängigen Rechtsstreit ist über den Streitgegenstand weder möglich oder gestattet; es sei denn, die Rechtsmittelinstanz verweist zurück. Auf die Möglichkeit erneuter Klage und damit auf den Eintritt der Rechtskraft kommt es für die Qualität als Endurteil nicht an. Das VU ist ebenfalls ein Endurteil idS: nach Einspruch wird der Rechtsstreit in die Lage vor dem Urt zurückversetzt (§ 342). Nach Rückversetzung in die Lage vor dem VU ist nur das nachfolgende streitige Urteil das maßgebliche Endurteil (vgl KG 7.8.15 – 8 U 244/14, juris). Ein Prozessurteil ist Endurteil, wenn es die Klage mangels Zulässigkeit abweist. Ein Endurteil erübrigt sich bei Wegfall der Rechtshängigkeit (Klagerücknahme, Prozessvergleich und übereinstimmende Erledigungserklärung); dann ist ggf nur noch ein Kostenbeschluss erforderlich. Bei einseitiger Erledigungserklärung ergeht ein Endurteil über den Feststellungsantrag. Beim Prätendentenstreit (§ 75) wird der Beklagte durch Endurteil ›aus dem...

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