Keine Entschädigung bei rechtsmissbräuchlicher Bewerbung

Ein Rechtsanwalt hatte sich bei einem kirchlichen Träger auf eine Stellenanzeige beworben und in seinem Bewerbungsschreiben angegeben, er gehöre aus finanziellen Gründen keiner Kirche an. Damit hatte er aus Sicht des BAG eine Absage provoziert: Ein Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung stand ihm aufgrund seines unredlichen Verhaltens daher nicht zu.

Im Juli 2011 schrieb der Beklagte, die Diakonie Mitteldeutschland, eine Stelle als „Referentin/Referenten Arbeitsrecht“ aus. Laut Stellenbeschreibung sollte der Bewerber unter anderem vertiefte Kenntnisse im Arbeitsrecht und Steuerrecht vorweisen können.

Zugehörigkeit zu Christlicher Kirche war in der Stellenausschreibung aufgeführt 

Laut gewünschtem Stellenprofil sollte der neue juristische Mitarbeiter der evangelischen Kirche oder einer anderen Kirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) zugehörig sein. Erste Berufserfahrungen (3 Jahre) wurden als  wünschenswert bezeichnet.

  • Der Kläger, ein selbständiger Rechtsanwalt, bewarb sich auf die auch bei der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Stellenanzeige.
  • In seiner Bewerbung gab er an, dass er bereits als Rechtsanwalt neun Jahre tätig sei und sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert habe.
  • Darüber hinaus teilte er in seinem Anschreiben mit, dass er derzeit aus finanziellen Gründen nicht der evangelischen Kirche angehöre, er sich jedoch mit den Glaubensgrundsätzen der evangelischen Kirche identifizieren könne, da er lange Mitglied der evangelischen Kirche war.

Rechtsanwalt sah in der Absage eine Diskriminierung

Nachdem der Kläger eine schriftliche Absage auf seine Bewerbung erhalten hatte, schrieb der Beklagte die Stelle u.a. auf ihrer Homepage erneut aus. Der Anwalt forderte daraufhin den kirchlichen Arbeitgeber auf, ihm die Qualifikationen und das Bewerberprofil des letztlich eingestellten Bewerbers zu überlassen und

  • wies darauf hin, dass bei der ablehnenden Entscheidung sein Alter sowie die fehlende Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche eine Rolle gespielt hätten.
  • Aufgrund dessen liege seiner Ansicht nach ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor,
  • weshalb er eine Diskriminierungsentschädigung verlange.

Als er diese nicht erhielt, erhob er Klage vor dem Arbeitsgericht er sein Begehren auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung und forderte hierfür eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von mindestens 3705 EUR.

Keine Anwendung des § 9 Abs. 1 AGG aufgrund EU-Recht

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt lehnten einen Entschädigungsanspruch ab. Das LAG Sachsen-Anhalt hatte die Klage unter anderem abgewiesen, da nach deren Auffassung eine Ungleichbehandlung des Klägers wegen der Religion nach § 9 Abs.1 AGG gerechtfertigt sei.

Nach dem Urteil des BAG sei diese Begründung zwar rechtsfehlerhaft, im Ergebnis sei die Abweisung der Klage jedoch richtig. Zwar dürften kirchliche Arbeitgeber die Stellenbesetzung von der Kirchenzugehörigkeit abhängig machen. Die vom LAG Sachsen-Anhalt angewandte Vorschrift des § 9 Abs. 1 AGG verstoße jedoch gegen Unionsrecht.

EuGH erlaubt erlaubt Abstellen auf die Konfession mit Rechtssache "Egenberger“ nur noch eingeschränkt 

Das BAG verwies  auf die „Egenberger“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (Urteil v. 17.04.2018, C-414/16), wonach

„die von der betreffenden Kirche oder Organisation aufgestellten beruflichen Anforderung  im Hinblick auf deren Ethos aufgrund der Art der fraglichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ sein müsse.

  • Das AGG hingegen gehe davon aus, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ohne jeglichen Bezug zur auszuübenden Tätigkeit eine konfessionelle Anforderung grundsätzlich rechtfertige.
  • Die Vorschrift könne auch nicht unionsrechtkonform ausgelegt werden und müsse daher unangewendet beiben, so die Erfurter Richter.

BAG: Rechtsanwalt hat Absage provoziert – kein Entschädigungsanspruch

Nach Ansicht des BAG stehe aber dem Kläger ein Entschädigungsanspruch nicht zu, da sein Verlangen rechtsmissbräuchlich war.

  • Eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle, sondern nur die formale Position eines Bewerbers will,
  • mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung oder einen Schadenersatz nach § 15 Abs.1 und Abs. 2 AGG geltend zu machen,
  • handle auch nach Unionsrecht rechtsmissbräuchlich.

Mit seinem Bewerbungsschreiben habe der Kläger geradezu eine Absage provoziert: Anstatt die Frage zur Kirchenzugehörigkeit unbeantwortet zu lassen, habe er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nach langjähriger Mitgliedschaft aus finanziellen Gründen aus der evangelischen Kirche ausgetreten war.

Ihm hätte bewusst sein müssen, dass die Beklagte seinen Austritt als Akt der bewussten Abkehr von der evangelischen Kirche betrachtet werden müsste und der aus Sicht des Beklagten in ganz besonderer Weise gegen seine Einstellung sprach. Zudem habe er in seinem Schreiben im Hinblick auf die gewünschte „erste Berufserfahrung (3 Jahre)“ betont, dass er aufgrund seiner 9-jährigen Berufserfahrung als Rechtsanwalt diese Voraussetzungen gerade nicht erfüllt bzw. deutlich übersteigt.

(BAG, Urteil v. 25.10.2018, 8 AZR 562/16).

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Hintergrund:

In der arbeitsgerichtlichen Praxis hat sich gezeigt, dass § 22 AGG bereits bei Beginn des Bewerbungsverfahrens im Blick gehalten werden sollte. Wenn im Streitfall der Bewerber Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

  • So stellt die Anforderung "sehr gutes Deutsch" in einer Stellenanzeige für "Spezialist Software (w/m)" ein Indiz für die mittelbare Benachteiligung eines nicht zum Vorstellungsgespräch geladenen Bewerbers mit "Migrationshintergrund" wegen dessen ethnischer Herkunft dar (LAG Nürnberg, Urteil v. 5.10.2011, 2 Sa 171/11).
  • Entsprechendes gilt für die Nichtbeantwortung einer Stellenbewerbung in Verbindung mit anderen Indizien (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 13.11.2012, 2 Sa 217/12).
  • Ferner ist die Benachteiligung wegen des Alters indiziert, wenn ein öffentlicher Arbeitgeber die Stellenanzeige für ein Traineeprogramm "Hochschulabsolventen/Young Professionals" an "Berufsanfänger" richtet und einen 36-jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtschutzversicherung sowie als Rechtsanwalt ablehnt (BAG, Urteil v. 24.1.2013, 8 AZR 429/11).
  • Andererseits stellt die Ablehnung der Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen ohne Angabe von Gründen zumindest dann keine Indiztatsache für eine Diskriminierung dar, wenn die Arbeitgeberin ihrer Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen nachgekommen ist (BAG, Urteil v. 21.2.2013, Az. 8 AZR 180/12).

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