Kolumne: Candidate Experience Management

Wie viel "Candidate Experience Management" betreiben Sie schon in Ihrem Unternehmen? Für manch einen Personaler ist dieser Hype-Begriff noch neu. Kolumnist Martin Claßen erklärt darum, was es genau damit auf sich hat und welche Vorteile dies für das Talent Management mit sich bringt.

Längst ist dieser hippe Begriff in meiner Kolumne überfällig: Candidate Experience Management. So kann er künftig geschickt in trendige HR-Diskussionen eingeflochten werden. Wie vieles im Personalmarketing stammt die Idee aus dem Kundenmarketing. Ursprünglich ging es um Customer Relationship Management (CRM), also um die Gestaltung der Kundenbeziehung. Doch Beziehung klingt inzwischen ziemlich mau. Experience im Sinne von Erlebnis funzt deutlich besser. Nun noch die Idee auf Bewerber umgemünzt, die bei veränderten Kräften im Arbeitsmarkt längst keine unterwürfigen Bittsteller sondern ebenfalls erfolgskritische Kunden sind, und fertig ist das CEM – Candidate Experience Management.

Positive Erlebnisse im Bewerbungsprozess

Was es damit auf sich hat? Die Begegnung zwischen Kandidat und Arbeitgeber soll vom Talent als positiver, motivierender, stimulierender Event empfunden werden. Damit der „High Potential“ – egal an welcher Stelle im Bewerbungsprozess und über welchen Interaktionskanal – vom Unternehmen voll und ganz eingenommen ist. Finales Ziel ist es, die Vorfreude auf den Arbeitsvertrag und die Unterschrift zu steigern. Im Grunde ähnelt CEM dem „Schanghaien“ wie früher bei den Seeleuten in China: Im Hafenviertel wurden die Matrosen betrunken gemacht. In diesem besäuselten Zustand wurden sie für ein Schiff angeheuert und noch in benebelter Verfassung widerstandslos an Bord gebracht.

Gutes Candidate Experience Management sorgt für gutes Image

Selbstverständlich gibt es heute feinere Methoden: Ganz gut erklärt sich CEM anhand der Internetseiten eines Dienstleisters. Dort wird ein Entwicklungsingenieur aus dem Bereich optische Biomesstechnik zitiert: „Zwei Tage nach der Bewerbung habe ich eine Einladung zum Interview erhalten und zehn Tage später schon den Arbeitsvertrag. Das hat mir gezeigt, dass mein neuer Arbeitgeber mich wirklich schätzt.“ Bei diesen Kandidaten gelang CEM also durch Eile statt Weile und damit über eine für beide Parteien erfreulich kurze „time to hire“.

Im angloamerikanischen Raum gibt es längst einen CEM-Award. Die Preisträger setzen besonders auf einen transparenten Rekrutierungsprozess sowie diverse Feedbackinstrumente für die Kandidaten. Zudem hat CEM einen höchst erfreulichen Multiplikatoreffekt. Laut diesjähriger Befragung von Talent Board erzählen vier von fünf Bewerbern ihre positive CEM-Erfahrung im privaten Umfeld weiter und jeder zweite schreibt sie in soziale Medien – wenn CEM nicht als Schanghaien empfunden wird.

Inhalt muss vor Verpackung gehen

Im Kundenmarketing hat CRM längst seinen früheren Glanz verloren. Nachdem sich einige Jahre die Unternehmen mit wenig unterscheidbaren Produkten, wie etwa Telefontarife und Tankstellen, über das Kundenerlebnis von ihren Wettbewerbern abheben wollten, merken sie nun, dass letztlich primär der Preis zählt. Kaum ein Kunde zahlt mehr, um das blaue Logo zu tanken oder mit dem roten Label zu talken.

Das ist im Personalmarketing völlig anders. Denn das Produkt dort – die Stelle – wird entscheidend von Aufgabe, Bezahlung, Vorgesetzten und manch weiterem geprägt. Darüber können sich Unternehmen mit ihrem Personalmarketing differenzieren – zumindest wenn beim späteren Konsum der CEM-Schein auch dem Sein entspricht. Wenn!

Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.