Krankschreibung per Telefon und digitale Atteste

Online-Atteste und die Krankschreibung per Telefon können Ansteckungen vermindern und Bürokratie vermeiden. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat angesichts der weiterhin hohen Corona-Infektionszahlen die Möglichkeit, sich auch telefonisch krankschreiben zu lassen, bis zum 31. März 2023 verlängert. Gesundheitsexperte Volker Nürnberg fasst zusammen, welche Wege zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Arbeitgeber derzeit akzeptieren müssen.

Der Produktionsausfall durch krankgeschriebene Beschäftigte kostet die deutschen Unternehmen jährlich rund 150 Milliarden Euro (Bruttowertschöpfungsausfälle), so die Schätzung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) für 2019. Die tatsächliche Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage differiert von Jahr zu Jahr zum Teil, auffällig ist allerdings eine deutliche Korrelation mit der Konjunktur.

In Krisen wie der Coronapandemie reduzieren sich die Fehltage der Beschäftigten häufig. Erklärungen können teilweise in einer neu entdeckten Solidarität mit dem kriselnden Unternehmen, in der Angst vor Arbeitsplatzverlust oder auch in der Tatsache liegen, dass viele Beschäftigte bei bestimmten Krankheitsanzeichen zwar nicht zur Arbeit gehen würden, in Homeoffice aber durchaus tätig sind.

Die Krankschreibung als Kostenfaktor

Arbeitgeber haben nach dem Gesetz das Recht, vom erkrankten Arbeitnehmenden bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zu verlangen (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz). Ab wann die krankheitsbedingten Fehlzeiten durch ein Attest belegt werden müssen, regeln die Unternehmen in Deutschland dennoch unterschiedlich. In vielen Unternehmen ist es üblich, dass erst ab dem dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein Attest vorgelegt werden muss. Andere Betriebe verlangen eine ärztliche Krankschreibung tatsächlich bereits ab dem ersten Fehltag oder sehen hier unterschiedliche Fristen für Produktions- und Verwaltungsmitarbeitende vor.

Im Ausland ist man zum Teil deutlich großzügiger beim Verlangen eines Attests: In Schweden kann man in der Regel eine Woche ohne ärztliche Krankschreibung fehlen, andere Länder haben gar die Regelung, die Unternehmen mit circa 200 Euro an den Kosten der Krankschreibung zu beteiligen, sollte man auf den gelben Schein bestehen. So ist die deutsche Regelung einer der Gründe dafür, dass wir in Deutschland mit circa 15 bis 20 Arztbesuchern pro Einwohner das weltweite Ranking anführen.

Digitale oder telefonische Krankschreibung: neue Verfahren im Überblick

Doch hat die deutsche Bürokratie sich in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren positiv bewegt: Inzwischen wurde die Krankschreibung teildigitalisiert. Ärzte können den Krankenschein digital an die Krankenkasse der Patienten übermitteln. Dies ist wichtig für die Lohnfortzahlung, da es in der Vergangenheit immer wieder Probleme gab, wenn Versicherte ihre Krankschreibung nicht an die Krankenkasse geschickt haben. Beschäftigte bekommen immer noch zwei Exemplare der Krankschreibung ausgehändigt, eines für sie selbst, eines zur Abgabe an den Arbeitgeber.

Die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch eine digitale Schnittstelle zwischen Krankenkassen und Arbeitgeber erfolgt per 1. Januar 2023. (Lesen Sie dazu: Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist ab 2023 Pflicht). Das kann große Vorteile bringen. So wird aktuell schon an Konzepten gearbeitet, mit denen die Krankschreibung direkt in das Zeiterfassungssystem der Firma eingespielt werden kann. Das kann die Firma zum einen für die Personalplanung nutzen, zum anderen spart sie sich die Zeit und Arbeit der AU-Erfassung und verhindert den damit einhergehenden Zeitverzug.

Für die Mitarbeitenden enthält eine digitale Übermittlung der Krankschreibung den weiteren Vorteil, dass der ausstellende Facharzt anonymisiert wird. Der aktuelle Zustand, dass die Firma sehen kann, dass eine Mitarbeiterin im gebärfähigen Alter vom Gynäkologen oder andere Mitarbeitende vom Psychiater krankgeschrieben wurden, dürfte datenschutzrechtlich kaum mehr gedeckt sein.

Krankschreibung per Telefon

Seit August 2022 konnten Patientinnen und Patienten, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden (Diagnose J06 - akute Infektionen der oberen Atemwege) wegen des Verdachts auf Covid telefonisch bis zu sieben Kalendertage krankgeschrieben werden. Diese Möglichkeit war zunächst befristet, nun hat der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sie erneut verlängert: Bis zum 31. März 2023 können Arbeitnehmende bei einer akuten Infektion der oberen Atemwege ihre Diagnose und die Krankschreibung vom Arzt über einen Telefonanruf erhalten, ohne sich direkt in der Praxis vorstsellen zu müssen. Dasselbe gilt für eine Verlängerung der Krankschreibung um sieben Tage. Damit soll das Risiko weiterer Ansteckungen durch den Kontakt hochansteckender Personen in der Arztpraxis mit anderen Arztbesuchern und dem Praxispersonal vermieden werden. (Lesen Sie dazu auch: G-BA verlängert erneut Ausnahmeregelung zur telefonischen Krankschreibung).

Inzwischen werden auch Stimmen laut, diese Art der Krankschreibung für bestimmte Diagnosen und Krankheitsdauern, beispielsweise für Kurzerkrankungen, unabhängig von der Pandemie beizubehalten. Die Befürworter versprechen sich hiervon insbesondere eine Entlastung der Arztpraxen und eine Reduktion der generellen Infektionsgefahr von Dritten. Als Gegenargument wird in dieser Diskussion häufig angeführt, dass diese neuen Formen der Krankschreibung aufgrund der hohen Anonymisierung eine sehr niedrigschwellige Möglichkeit bieten, Symptome vorzutäuschen und so ungerechtfertigt der Arbeit fernzubleiben.

Telemedizin: Krankschreibung per Videosprechstunde

Auch hinsichtlich einer Videosprechstunde hat der G-BA grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, Versicherte telemedizinisch krank zu schreiben. Möglich sind hier zunächst nur Erstkrankschreibungen. In der virtuellen Praxis persönlich bekannte Versicherte können sich danach bis zu sieben Kalendertage krankschreiben lassen, dem attestierenden Arzt unbekannte Versicherte bis zu drei Kalendertage. Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass es sich um eine Diagnose handelt, die für die Telemedizin geeignet ist, konkret dürfen also beispielsweise keine körperlichen Untersuchungen notwendig sein. Übliche Diagnosen sind Erkältungen, Magen-Darm-Probleme, aber auch Depressionen.

Diese Variante der Krankschreibung scheint sehr zuverlässig und enthält so viel Potenzial sowohl für Unternehmen als auch für Arbeitnehmende. Da der BGH die Möglichkeiten der Werbung für Telemedizin sehr eng gefasst hat, ist die Nutzung allerdings aktuell noch verschwindend gering, sodass die telemedizinische Krankschreibung in der Praxis kaum von Bedeutung ist.

Krankschreibung per Online-Fragebogen: Zweifel an der Zulässigkeit

Seit wenigen Jahren kursiert im Internet die meist nur begrenzt legale und mit großer Vorsicht zu genießende Möglichkeit für Beschäftigte, sich per Online-Fragebogen krankschreiben zu lassen. Dabei müssen Mitarbeitende zunächst in finanzielle Vorleistung gehen - knapp zehn Euro kostet diese nicht von den Krankenkassen übernommene Dienstleistung verschiedener Anbieter. In der Regel werden nur Kurzzeit-Arbeitsunfähigkeiten von höchstens drei Tagen Dauer bescheinigt. Typische Diagnosen sind Magen-Darm-Erkrankungen, Migräne, Rücken-/Regelschmerzen und Erkältungen.

Dieser kurze Weg zur Krankschreibung - für viele Personalabteilungen eine Horrorvorstellung – ist auch für die Beschäftigten mit Kosten und Risiken verbunden. So hat das Arbeitsgericht Berlin im Sommer 2021 entschieden, dass eine Online-Krankschreibung ohne persönlichen oder telefonischen Arztkontakt die Voraussetzungen für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erfüllt. Der Arbeitnehmer hatte damit den Anspruch auf Entgeltfortzahlung verloren.

Krankschreibung: Hausarzt bleibt der bevorzugte Weg

Zusammenfassend kann man feststellen, dass durch die Digitalisierung und die Pandemie neue Wege der Krankschreibung aufgekommen sind. Jedoch ist die Krankschreibung durch den Hausarzt in den allermeisten Fällen immer noch der bevorzugte Weg. Der Ärztemangel im ländlichen Raum sowie die fortschreitende digitale Affinität der Bürger wird in naher Zukunft jedoch sicher dazu führen, dass die telemedizinische Variante deutlich zunehmen wird. 


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