Kolumne Talent Management: Knigge-Regeln

Wenn es um Manieren, Benehmen und karriereförderliches Verhalten geht, wird wohl kaum jemand mehr zitiert als Freiherr Knigge. Was davon tatsächlich auch für ein modernes Talent Management noch wichtig ist, zeigt Kolumnist und Talent-Management-Experte Martin Claßen auf.

Beim Wort Knigge zuckt jeder zusammen, besonders Talente. Wissen sie doch, wie schnell mit falschem Betragen selbst vielversprechende Karrieren abrupt ein Ende finden können. "Über den Umgang mit Menschen" heißt das Werk des verarmten Freiherrn aus dem 18. Jahrhundert. Es ist weniger ein Ratgeber für Benimm und Etikette, wie oft angenommen wird, sondern ein Buch über gute Umgangsformen im zwischenmenschlichen Bereich.

Einige Knigge-Tipps sind heute nicht mehr nötig

Wenn ein Talent wissen möchte, wie es beim Abendessen mit dem Chef und dessen Gemahlin die Austern öffnet, erkundigt es sich besser in einem der unzähligen Knigge-Seminare. Allerdings finden solche Karrierechecks im heimischen Speisezimmer des Vorgesetzten immer seltener statt. Da auch der sich um seine Geschicklichkeit im Angesicht von Austern sorgt, Angst vor einer Lebensmittelvergiftung bekommt oder eine Eiweißunverträglichkeit besitzt. Dieses klassische Format eines Assessment Centers mit Benimmregeln von anno Tobak ist ein Auslaufmodell. Zumal man sich heute als Kandidat zur Vermeidung von Peinlichkeiten als Veganer outen könnte.

Drei wichtige Knigge-Regeln für das Talent Management

Nun aber zum wahren Knigge und seinem Umgang mit Menschen. Das Büchlein richtet sich laut Einleitung an solche Talente, "die wahrlich allen guten Willen und treue Rechtschaffenheit haben" sowie das "Bestreben, in der Welt fortzukommen, eignes Glück zu bauen". Also ein Ratgeber für anständige Karrieristen. Wer will dies nicht sein? Es sind der Tipps zu viele, als dass sie hier allesamt im Knigge-Raffer vorgestellt werden könnten. Das ganze Werk kann im Internet Seite für Seite durchforstet werden. Daraus möchte ich drei für das Talent Management besonders bedeutsame Regeln im zwischenmenschlichen Beisammensein herausgreifen.

Erste Knigge-Regel: "Selten nehmen ältere Leute so billige Rücksicht, dass sie sich in Gedanken an die Stelle jüngerer Personen setzen, die Freuden derselben nicht störten. Sie denken sich nicht in ihre eignen Jugendjahre zurück; Greise verlangen von Jünglingen dieselbe ruhige, nüchterne, kaltblütige Überlegung, Abwägung des Nützlichen und Nötigen gegen das Entbehrliche, dieselbe Gesetztheit, die ihnen Jahre, Erfahrung und physische Herabspannung gegeben haben."

Zweite Knigge-Regel: "Der Umgang mit Großen muss aber sehr verschieden sein, je nachdem man ihrer bedarf oder nicht, von ihnen abhängig oder frei ist. Im erstern Falle darf man wohl nicht immer so gänzlich seinem Herzen folgen, muss zu manchem schweigen, sich manches gefallen lassen, darf nicht so kühn die Wahrheit sagen, obgleich ein fester, redlicher Mann diese Geschmeidigkeit dennoch nie bis zu niedriger Schmeichelei treiben wird."

Dritte Knigge-Regel: "Nichts ist so geschickt, die letzte Hand an die Bildung des Jünglings zu legen, als der Umgang mit tugendhaften und gesitteten Weibern. Da werden die sanftern Tinten in den Charakter eingetragen; da wird durch mildere und feinere Züge manche rauhe Härte gemäßigt – kurz, wer nie mit Weibern beßrer Art umgegangen ist, der entbehrt nicht nur sehr viel reinen Genuß, sondern er wird auch im geselligen Leben nicht weit kommen, und den Mann, der verächtlich vom ganzen weiblichen Geschlechte denkt und redet, mag ich nicht zum Freunde haben."

Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.