Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

AOK Baden-Württemberg, Stuttgart, Heilbronner Straße 184, Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung zu befreien ist.

Der 1961 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Nach Ablegung der Ersten juristischen Staatsprüfung wurde er am 1. Oktober 1992 in den juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Baden-Württemberg aufgenommen, wegen der fehlenden deutschen Staatsbürgerschaft jedoch nicht zum Beamten auf Widerruf ernannt. Seitdem erhielt er als Rechtsreferendar eine Vergütung. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg entrichtete dementsprechende Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie zur Bundesanstalt für Arbeit (BA).

Am 3. Dezember 1992 beantragte der Kläger bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Heidelberg, ihn von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung zu befreien, weil er eine berufspraktische Tätigkeit i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ausübe. Die AOK lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Januar 1993 und Widerspruchsbescheid vom 15. April 1993 ab. Der Kläger sei nicht als Praktikant nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V, sondern als gegen Entgelt Beschäftigter nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 17. Dezember 1993 abgewiesen. Am 1. April 1994 ist die AOK Heidelberg mit den anderen baden-württembergischen Allgemeinen Ortskrankenkassen zur AOK Baden-Württemberg, der jetzigen Beklagten, zusammengeschlossen worden. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 20. Mai 1994 zurückgewiesen. Der Kläger sei weder nach § 6 SGB V noch nach § 7 SGB V versicherungsfrei. Er könne nicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V von der Versicherungspflicht befreit werden; denn er sei nicht als Praktikant nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V, sondern als ein zu seiner Berufsausbildung gegen Entgelt Beschäftigter nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig. Die Beschäftigung als Rechtsreferendar stelle im Gegensatz zur Praktikantentätigkeit i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V eine einheitliche berufspraktische Ausbildung dar. Der Kläger leiste den Vorbereitungsdienst gemäß § 26 Abs. 8 Satz 2 der Verordnung der Landesregierung über die Ausbildung und Prüfung der Juristen (JAPrO) vom 9. Juli 1984 (GBl für Baden-Württemberg S. 480), zuletzt i.d.F. der Bekanntmachung vom 7. Mai 1993 (GBl S. 314), in einem Dienstverhältnis, in welchem er Weisungen hinsichtlich Ort, Zeit und Art der Arbeitsausführung unterworfen, also abhängig tätig sei, und durchlaufe darin eine im wesentlichen praktische Berufsausbildung. Diese sei anderen von § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfaßten Ausbildungsgängen inhaltlich ähnlich. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 JAPrO solle der Rechtsreferendar durch den Vorbereitungsdienst mit den Aufgaben der Rechtspflege und der Verwaltung vertraut gemacht werden; nach den §§ 30 und 31 JAPrO befinde er sich zur Ausbildung ständig bei einer Stelle, an der alltägliche Berufsarbeit geleistet werde. Die gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2, § 33 JAPrO vorgesehenen Lehrveranstaltungen begleiteten und unterstützten die praktische Ausbildung, bestimmten aber weder deren Charakter noch gliederten sie sie in unterschiedliche Abschnitte. Dies unterscheide die der Ausbildung des Klägers zugrunde liegende zweistufige von der (früher teilweise praktizierten) einstufigen Juristenausbildung, so daß die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu letzterer hier nicht anwendbar sei. Durch die Verneinung eines Befreiungsanspruchs werde der Kläger auch nicht in seinen Grundrechten verletzt. Insbesondere verstoße es nicht gegen Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), daß er anders als ein Arzt im Praktikum nicht von der Versicherungspflicht befreit werden könne.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, des Art 3 Abs. 1 GG und des Art 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates (Art 23 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei - ABl L 217 vom 29. Dezember 1964) vom 19. September 1980.

Der Kläger beantragt, das Urteil des LSG vom 20. Mai 1994 und das Urteil des SG vom 17. Dezember 1993 sowie den Bescheid vom 5. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn mit Wirkung vom 1. Oktober 1992 für die Dauer seines juristischen Vorbereitungsdienstes von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Auffassung des LSG für zutreffend.

Der Senat hat zur krankenversicherungsrechtlichen Behandlung von ausländischen Absolventen des juristischen Vorbereitungsdienstes und zum Recht der Ärzte im Praktikum auf Befreiung von der Versicherungspflicht eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) eingeholt. Ferner hat er sich vom Bundesministerium der Justiz, dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie sowie von den Justiz- und Kultusministerien und Senatsverwaltungen der alten Bundesländer Auskünfte über die Anzahl der Personen übermitteln lassen, die den juristischen Vorbereitungsdienst bzw. den zum Lehramt in den Jahren 1984 bis 1994 als Beamte und derjenigen, die ihn in dieser Zeit insbesondere als ausländische Staatsangehörige außerhalb eines Beamtenverhältnisses absolviert haben.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, war der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Dem Kläger stand ein Anspruch, sich von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung befreien zu lassen, nicht zu.

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer durch die Einschreibung als Student oder die berufspraktische Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Nrn 9 oder 10 SGB V) versicherungspflichtig wird. Der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V unterliegen Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit verrichten, sowie zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte; Auszubildende des Zweiten Bildungswegs, die sich in einem förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnitts nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz befinden, sind Praktikanten gleichgestellt. Beim Kläger sind die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht erfüllt; denn er ist nicht als Praktikant nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V versicherungspflichtig geworden. Vielmehr beruhte seine Versicherungspflicht auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, unter den Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, fallen.

In seinem Urteil vom 3. Februar 1994 (SozR 3-2940 § 2 Nr. 3) hat der erkennende Senat entschieden, daß für eine tschechoslowakische Staatsangehörige, die ihren juristischen Vorbereitungsdienst in Nordrhein-Westfalen außerhalb eines Beamtenverhältnisses ohne Ernennung zur Beamtin auf Widerruf zurückgelegt hat, Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 7 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) sowie Beitragspflicht zur BA nach § 168 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) i.V.m. § 173a AFG und § 7 SGB IV bestand. Dies ist damit begründet worden, daß aufgrund der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen der im Rahmen der zweistufigen Juristenausbildung ausgeübte Vorbereitungsdienst eine Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) darstellt, nämlich die für eine bestimmte Person erstmalige Vermittlung beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen im Hinblick auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit in einem Berufsausbildungsverhältnis (§§ 1 und 2 BBiG) oder innerhalb eines anderen Vertragsverhältnisses nach § 19 BBiG. Dementsprechend ist auch der Kläger i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zu seiner Berufsausbildung beschäftigt. Denn einmal verwendet diese Vorschrift hinsichtlich des herangezogenen Personenkreises der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten im wesentlichen dieselben Begriffe wie § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG und § 168 Abs. 1 AFG und ist daher insoweit gleich auszulegen wie sie. Zum anderen spricht die inhaltliche Ausgestaltung auch des baden-württembergischen juristischen Vorbereitungsdienstes, wie das LSG sie für den Senat bindend durch Auslegung des Landesrechts (§ 26 Abs. 8 Satz 2, § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie §§ 30, 31 und 33 JAPrO) festgestellt hat (vgl. § 202 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫ i.V.m. § 562 der Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫) dafür, daß der Kläger als abhängig Beschäftigter eine Berufsausbildung durchläuft. Diese Beschäftigung wird, wie das LSG festgestellt hat, gegen Entgelt ausgeübt.

Die hieraus folgende Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V entfiel nicht aufgrund einer etwa bestehenden Versicherungsfreiheit. Insbesondere waren während der Referendarzeit des Klägers die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nicht erfüllt; denn er ist nicht Beamter geworden, und es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß er als ein den Beamten Gleichgestellter nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge hatte. Das LSG hat auch - allerdings ohne nähere Begründung - festgestellt, daß der Kläger weder nach § 6 SGB V noch nach § 7 SGB V versicherungsfrei sei. Dies ist von der Revision nicht gerügt worden. Sie hat darüber hinaus vorgetragen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Beihilfe.

Der Annahme einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V steht nicht entgegen, daß der Senat für Praxiszeiten im Rahmen der einstufigen Juristenausbildung eine Versicherungspflicht aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verneint, eine Versicherungspflicht als Praktikant nach § 165 Abs. 1 Nr. 6 RVO dagegen bejaht hat (vgl. BSG SozR 3-2940 § 2 Nr. 1). Denn die Regelungen der RVO zur Krankenversicherungspflicht der in Ausbildung Befindlichen unterschieden sich von den seit 1989 geltenden Regelungen des SGB V. Während nach damaligem Recht zum Kreis der versicherungspflichtigen Angestellten nur Lehrlinge gehörten, die sich in einer geregelten Ausbildung zu einem Angestelltenberuf befanden (§ 165b Abs. 1 und 2 RVO), und damit die Praktikanten nicht von § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO erfaßt waren (vgl. BSGE 51, 88 = SozR 2200 § 165 Nr. 53), fallen unter die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V die gegen Arbeitsentgelt zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.

Demgegenüber erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V. Diese Vorschrift entspricht hinsichtlich ihrer Regelung für Praktikanten im wesentlichen dem bis Ende 1988 geltenden § 165 Abs. 1 Nr. 6 RVO. Die darin erstmals vorgesehene Versicherungspflicht der Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit verrichten, ist zusammen mit der Versicherungspflicht der eingeschriebenen Studenten der staatlichen und der staatlich anerkannten Hochschulen (§ 165 Abs. 1 Nr. 5 RVO) durch § 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten (KVSG) vom 24. Juni 1975 (BGBl. I 1536) eingeführt worden. Durch die Neuregelung sollten Studenten und Praktikanten die gleichen Leistungen wie die übrigen Versicherten mit Ausnahme der Lohnersatzleistungen (Krankengeld und Mutterschaftsgeld) erhalten (vgl. Allgemeiner Teil der Begründung des Gesetzentwurfs eines KVSG, BT-Drucks 7/2993 S. 8). Die Beschreibung des versicherten Personenkreises folgte nach der Begründung zu § 1 Nr. 1 Buchst a des Gesetzentwurfs dem im Hochschulrecht üblichen Sprachgebrauch; dabei wurde das damals im Entwurf (BT-Drucks 7/1328) vorliegende Hochschulrahmengesetz (HRG) bereits berücksichtigt (vgl. BT-Drucks 7/2993 S. 8).

Der Kläger verrichtet keine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V. Bereits bei einer Auslegung dem Wortsinne nach wird deutlich, daß die berufspraktische Tätigkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V etwas anderes meint als den praktischen Teil der Berufsausbildung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Wäre dem nicht so, würde ein großer Teil des dann betroffenen Personenkreises ohne hinreichenden Grund von zwei Versicherungspflichttatbeständen mit jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen hinsichtlich der Leistungen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V und § 200 Abs. 1 RVO), der beitragspflichtigen Einnahmen (§§ 226 und 236 SGB V), der Beitragssätze (§§ 241 bis 243, § 245 SGB V) und des Rechts auf Befreiung (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) erfaßt. Im übrigen hätte der Gesetzgeber dann nicht die Formulierung "berufspraktische Tätigkeit", sondern stattdessen eine solche gewählt, die die zu versichernde Tätigkeit als Unterfall der Berufsausbildung beschrieben hätte. Des weiteren spricht die Zweckbestimmung der beiden Versicherungstatbestände dafür, daß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einen grundlegend anderen Personenkreis erfaßt als § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V. Während § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 7 SGB IV auf die umfassende Versicherungspflicht der gegen Arbeitsentgelt beschäftigten Arbeiter, Angestellten und in betrieblicher Berufsausbildung Stehenden abzielt, soll mit § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V ein Personenkreis krankenversichert werden, für den ohne die Vorschrift kein derartiger Schutz bestände. Dies können nur Personen sein, die eine berufspraktische Tätigkeit im Rahmen der Ausbildung an einer Hochschule i.S. des § 1 HRG verrichten. Sie üben nämlich keine betriebliche Berufsausbildung aus, unter der nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 5 BBiG die in Betrieben der Wirtschaft, in vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, insbesondere des öffentlichen Dienstes, der Angehörigen der freien Berufe und in Haushalten durchgeführte Berufsausbildung verstanden wird. Vielmehr wird ihre Ausbildung maßgeblich durch das Hochschulstudium und die hierzu erlassenen Studienordnungen (§ 11 HRG) und Prüfungsordnungen (§ 16 HRG) bestimmt. Demgemäß hat der Gesetzgeber auch nur solche Praktika der Versicherungspflicht unterworfen, die in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschrieben sind (vgl. zum Begriff des Praktikums BSG SozR 2200 § 1232 Nr. 26). Auch wird der Begriff berufspraktische Tätigkeit als ein gegebenenfalls in den Studiengang eingeordneter Ausbildungsabschnitt ausdrücklich in § 11 Abs. 1 Satz 3 HRG genannt. Daß es sich bei den Praktika i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V um solche handelt, die im Rahmen einer Hochschulausbildung vorgeschrieben sind, wird sowohl durch die zusammenhängende Einführung der Versicherungspflicht der Studenten und Praktikanten im KVSG als auch durch die genannten Materialien zu diesem Gesetz bestätigt.

Der Kläger gehört auch nicht zu den Personenkreisen, die in § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V den Praktikanten gleichgestellt sind (Auszubildende ohne Arbeitsentgelt und bestimmte Auszubildende des Zweiten Bildungswegs).

Der Kläger wird dadurch, daß er nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig geworden ist und deshalb nicht von der Versicherungspflicht befreit werden kann, nicht in seinen Grundrechten verletzt. Insbesondere verstößt es nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG, daß der Kläger im Gegensatz zu einem Arzt im Praktikum nicht von der Versicherungspflicht befreit wird.

Arzt im Praktikum ist ein angehender Arzt, der nach Ablegung seiner ärztlichen Prüfung als letzten Teil seiner Ausbildung aufgrund einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs nach § 10 Abs. 4 der Bundesärzteordnung (BÄO) eine in der Approbationsordnung für Ärzte (idF der Bekanntmachung vom 14. Juli 1987, BGBl. I 1593, geändert durch Art 1 Nr. 2b der Verordnung vom 21. Dezember 1989, BGBl. I 2529) näher geregelte achtzehnmonatige ärztliche Tätigkeit ausübt. Eine (endgültige) Approbation als Arzt darf nur erhalten, wer auch die achtzehnmonatige Tätigkeit als Arzt im Praktikum ausgeübt hat (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 BÄO). Daher muß jeder in Deutschland zu approbierende Arzt diesen Ausbildungsabschnitt durchlaufen. Die Tätigkeit als Arzt im Praktikum wird nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abgeleistet; sie stellt vielmehr grundsätzlich eine versicherungspflichtige Beschäftigung i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V dar. Ein Recht auf Befreiung von dieser Versicherungspflicht hat der Gesetzgeber nach der Stellungnahme des BMG in § 8 Abs. 1 Nr. 6 SGB V vorgesehen, weil in der Regel der betroffene Personenkreis anderweitig gegen Krankheitsrisiken abgesichert und nach der Approbation nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt wird.

Demgegenüber ist der juristische Vorbereitungsdienst nach dem hierfür maßgeblichen Recht der Länder grundsätzlich in einem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu leisten (vgl. Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, Komm, 5. Aufl 1995, § 5 RdNr 19). Als Beamte sind die Rechtsreferendare nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in der Krankenversicherung versicherungsfrei, weil sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe haben. Ausnahmsweise können solche Personen nach Landesrecht (hier: § 26 Abs. 6 bis 8 JAPrO) außerhalb des Beamtenverhältnisses den Referendardienst absolvieren, wenn sie bestimmte Voraussetzungen für die Ernennung zum Beamten (vgl. § 4 des Beamtenrechtsrahmengesetzes und § 7 des Bundesbeamtengesetzes jeweils in der seit dem 24. Dezember 1993 geltenden Fassung sowie die entsprechenden Vorschriften der Beamtengesetze der Länder) nicht erfüllen, nämlich wenn sie keine Deutschen oder Bürger der Europäischen Union sind oder wenn sie nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung i.S. des GG eintreten (vgl. Eggensperger/Hammel, Die Juristenausbildung in Baden-Württemberg, Komm 1986, § 26 JAPrO RdNrn 7 und 8). Nach den eingeholten Auskünften der obersten Justizverwaltungsbehörden der Länder lag der Anteil der Personen, die den juristischen Vorbereitungsdienst im Jahre 1994 außerhalb eines Beamtenverhältnisses ableisteten, unter 1 v.H. der Gesamtzahl der in den alten Bundesländern beschäftigten Rechtsreferendare (etwa 110 nichtverbeamtete bei insgesamt etwa 13.000 Rechtsreferendaren). Die Zahlen in den übrigen von den Auskünften erfaßten Jahren liegen ähnlich. Nach den Auskünften der obersten Kultusbehörden der Länder wird auch der Vorbereitungsdienst zum Lehramt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, im Beamtenverhältnis auf Widerruf abgeleistet. Angesichts des verhältnismäßig kleinen Personenkreises nichtverbeamteter Referendare war der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, für sie eine besondere Befreiungsregelung zu erlassen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) braucht der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht um die Gleichbehandlung aller denkbaren Fälle besorgt zu sein. Er ist vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die Typisierung setzt allerdings voraus, daß die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (BVerfGE 84, 348, 359, 360 mwN; 87, 234, 255, 256 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 3).

Nach diesen Kriterien war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, auf dem Gebiet der gesetzlichen Krankenversicherung Sondervorschriften zu erlassen, die für nicht verbeamtete Rechtsreferendare Versicherungsfreiheit oder ein Befreiungsrecht von der Pflichtversicherung vorsehen. Während von der Befreiungsvorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 6 SGB V jeder angehende Arzt nach Ableistung der ärztlichen Prüfung Gebrauch machen kann, daher die bundesgesetzlich geregelte Ausbildung eines ganzen Berufsstandes betroffen ist, sind nur wenige Personen außerhalb des für die Ausbildung der Rechtsreferendare typischen Beamtenverhältnisses auf Widerruf tätig. Für diese stellt die Versicherungspflicht keine unzumutbare Härte dar. Zwar mag es im Falle des Klägers zutreffen, daß seine Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung etwas niedriger liegen, als die für ihn zu entrichtenden Pflichtbeiträge, wobei offenbleibt, ob seine private Krankenkasse auch Leistungen übernehmen würde, die dem Krankengeld entsprechen. Der Gesetzgeber braucht die Versicherungspflicht aber nicht davon abhängig zu machen, ob die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung im Einzelfall günstiger oder ungünstiger ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 6 Nr. 6 S. 12). Sofern durch die Pflichtversicherung der nichtbeamteten Referendare im Einzelfall Härten auftreten sollten, ließen sich diese durch eine bundesgesetzliche Regelung nicht vermeiden. Denn der Status dieses Personenkreises ist nicht bundesgesetzlich geregelt, sondern wird von den Ländern bestimmt. Diese haben für diejenigen, die wegen fehlender Ernennungsvoraussetzungen nicht zu Beamten ernannt werden können, keine bundesweit übereinstimmenden, sondern zum Teil voneinander abweichende Regelungen getroffen (vgl. Wittkowski, Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Freizügigkeit und Gleichbehandlung von Angehörigen der EG-Mitgliedstaaten hinsichtlich des Besuchs von Ausbildungsstätten und deren Auswirkung für die Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main 1991, S. 132 bis 135). Auch ist nicht auszuschließen, daß ein Land die nichtverbeamteten Referendare den Beamten gleichstellt, soweit sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge oder auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben. In einem solchen Falle wäre die Schaffung eines besonderen Befreiungsrechts entbehrlich, weil der betreffende Referendar, ohne Beamter zu sein, kraft Gesetzes nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherungsfrei wäre. Ist aber der Status der nicht verbeamteten Rechtsreferendare in den Ländern unterschiedlich geregelt und sind weitere Änderungen des jeweiligen Landesrechts nicht auszuschließen, kann der Bundesgesetzgeber für diesen Personenkreis in der Krankenversicherung eine bundeseinheitliche Regelung praktisch nicht treffen.

Steht damit aber fest, daß der Gesetzgeber im Rahmen einer zulässigen Typisierung die in Baden-Württemberg ausgebildeten nichtverbeamteten Referendare unter Inkaufnahme gewisser Härten ohne ein Recht auf Befreiung in der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V belassen darf, kann dahingestellt bleiben, ob die Ungleichbehandlung dieses Personenkreises im Vergleich mit den Ärzten im Praktikum schon deshalb mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, weil die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen von solcher Art und von solchem Gewicht sind, daß sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 75, 78, 105 = SozR 2200 § 1246 Nr. 142 m.w.N.). Aus dem gleichen Grunde bedarf es auch keiner weiteren Überprüfung, ob die Ungleichbehandlung der nichtverbeamteten im Verhältnis zu den verbeamteten Rechtsreferendaren durch die zwischen beiden Gruppen bestehenden Unterschiede gerechtfertigt ist.

Dem Kläger steht auch nicht aufgrund des Art 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige (veröffentlicht in: Assoziierungsabkommen und Protokolle EWG-Türkei sowie andere Basisdokumente, Amt für Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Luxemburg 1992) ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht zu. Dieser Beschluß, der auf dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei sowie auf Art 39 des Zusatzprotokolls für die Übergangsphase der Assoziation vom 23. November 1970 (BGBl. II 1972, 387 und BGBl. II 1973, 113) beruht, gilt nach seinem Art 2 u.a. für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitglieder gelten oder galten, und die türkische Staatsangehörige sind (persönlicher Geltungsbereich), nach seinem Art 4 Abs. 1 Buchst a für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die u.a. Leistungen bei Krankheit betreffen (sachlicher Geltungsbereich). Nach Art 3 Abs. 1 des Beschlusses haben Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die dieser Beschluß gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie die Angehörigen dieses Staates, soweit dieser Beschluß nichts anderes bestimmt.

Ob es sich bei dem Beschluß Nr. 3/80 des Assoziationsrates um in Deutschland unmittelbar geltendes Recht handelt, kann offenbleiben (vgl. hierzu einerseits BSGE 60, 230 = SozR 6100 Allg Nr. 1 und andererseits EuGHE 1987, 3719; 1990, I - 3461; 1992, I - 6781). Ebensowenig braucht entschieden zu werden, ob der Kläger als Rechtsreferendar Arbeitnehmer i.S. des Beschlusses Nr. 3/80 gewesen ist (vgl. Begriffsbestimmung in Art 1 Buchst b des Beschlusses Nr. 3/80). Auch wenn diese Voraussetzungen zugunsten des Klägers als gegeben angenommen werden, ist Art 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 nicht verletzt. Denn der Kläger hat hinsichtlich der Vorschriften über die Versicherungspflicht, die Versicherungsfreiheit und die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung die gleichen Rechte wie ein deutscher Staatsbürger. Eine unterschiedliche Behandlung liegt bei ihm nur insofern vor, als er anders als ein Beamter oder ein diesem Gleichgestellter versicherungspflichtig ist. Versicherungspflichtig sind aber im deutschen öffentlichen Dienst grundsätzlich alle dort beschäftigten Arbeiter und Angestellten, soweit sie nicht geringfügig beschäftigt sind und ihr Arbeitsentgelt nicht über der Versicherungspflichtgrenze liegt. Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die auf Dienstposten eingesetzt werden, die in erster Linie für Beamte vorgesehen sind.

So ist die Besetzung von Beamtendienstposten mit Arbeitnehmern mit Ausnahmen im Polizei- und Justizbereich im gesamten öffentlichen Dienst in Deutschland zulässig und wird weitgehend praktiziert. Grund hierfür ist häufig, daß der Betreffende die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen zur Verleihung eines bestimmten Amtes nicht oder noch nicht erfüllt. Ein deutscher Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst kann sich nicht deshalb auf Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht berufen, weil er Tätigkeiten ausübt, die in der Regel von einem Beamten ausgeübt werden. Dies gilt auch im Bereich des juristischen Vorbereitungsdienstes. Hier haben die Länder zwar als Regelfall vorgesehen, daß der Referendar zum Beamten auf Widerruf ernannt wird. Wer aber - gleichviel ob er Ausländer ist oder nicht - die Voraussetzungen für eine Beamtenernennung nicht erfüllt, kann ohne Verbeamtung den Referendardienst antreten. Dementsprechend enthalten die Auskünfte der obersten Länderjustizverwaltungen zum Teil Angaben darüber, daß auch Deutsche als nichtverbeamtete Referendare beschäftigt werden. Wird der Kläger demnach aber in der Krankenversicherung wie ein nichtverbeamteter deutscher Referendar behandelt, kann darin kein Verstoß gegen die in Art 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 vorgesehene Gleichbehandlung liegen. Dies kann der Senat ohne Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) entscheiden; denn eine Pflicht zur Anrufung des EuGH für eine Vorabentscheidung gemäß Art 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft besteht nicht, wenn - wie hier - bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts keine vernünftigen und entscheidungserheblichen Zweifel bleiben (EuGHE 1982, 3415, 3428 ff; BSG SozR 3-2500 § 229 Nr. 9).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518143

Breith. 1997, 399

SozSi 1997, 197

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