Vaterschaftsurlaub: Gesetzesvorhaben Familienstartzeit vertagt

Die zweiwöchige bezahlte Freistellung für Partner nach der Geburt eines Kindes steht im Koalitionsvertrag, das Gesetzesvorhaben einer "Familienstartzeit" lässt aber auf sich warten. Jetzt hat der Softwarekonzern SAP vorgegriffen und eine sechswöchige Partnerzeit für Mitarbeitende angekündigt. Wie ist der Stand der Dinge?

Beim Softwarekonzern SAP sollen Partner oder Partnerinnen nach der Geburt ihres Kindes ab dem kommenden Jahr die Möglichkeit zu einer sechswöchigen bezahlten Freistellung bekommen. Damit will das Unternehmen laut Cawa Younosi, Personalchef von SAP in Deutschland, zeigen, dass Familienvereinbarkeit und Karriere keine Widersprüche sind. Er rechnet mit 700 bis 800 Vätern pro Jahr, wenn mehr als 90 Prozent der berechtigten Mitarbeitenden das Angebot annehmen. Dabei sollen jährlich Kosten in Höhe von mehreren Millionen Euro anfallen.

Sonderurlaub nach Geburt eines Kindes nur wenig verbreitet

SAP greift damit einer ursprünglich für 2024 von Bundesfamilienministern Lisa Paus (Grüne) angekündigten zweiwöchigen gesetzlichen Auszeit vor, die Partner nach der Geburt eines Kindes erhalten sollen. Bislang muss das zweite Elternteil in der herausfordernden Zeit nach der Geburt eines Kindes Elternzeit oder Urlaub nehmen. Nur wenige Unternehmen gewähren ein oder zwei Tage Sonderurlaub, wie eine Unternehmensbefragung des Allensbach-Institutes im Auftrag des Familienministeriums zeigt. Die meisten befragten Unternehmen hoben in ihren Antworten bestehende Angebote hervor und betonten, sich an neue Gesetze halten zu wollen. So weit wie SAP wollte aber keines der angefragten Unternehmen gehen.

Bezahlter Vaterschaftsurlaub lässt auf sich warten

Aktuell steht der vergütete Freistellungsanspruch für Väter oder gleichgestellte Elternteile nur im Koalitionsvertrag. Eine Umsetzung des zunächst als "Vaterschaftsurlaub" oder "Väterzeit" bezeichneten Gesetzesvorhabens ist in Deutschland bisher nicht erfolgt. Familienministerin Lisa Paus hatte die Umsetzung einer bezahlten zweiwöchigen Freistellung für das zweite Elternteil nach der Geburt für 2024 in Aussicht gestellt.

Der Anspruch auf die sogenannte "Familienstartzeit" werde voraussichtlich ins Mutterschutzgesetz aufgenommen und solle dem Partner oder der Partnerin Zeit geben, sich um die Kindsmutter zu kümmern und sie bei der Regeneration zu unterstützen. Noch werde der Gesetzentwurf innerhalb der Regierung beraten, sagte sie kürzlich, wobei sie sich nicht zu einem Zeitpunkt der Umsetzung äußern wollte.

Der Hintergrund: Deutschland muss EU-Recht umsetzen

Deutschland ist bereits in Verzug mit der Umsetzung einer zweiwöchigen bezahlten Freistellung nach der Geburt. Die im Juni 2019 in Kraft getretene "EU-Richtline zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige" legt europaweit verbindliche arbeitsrechtliche Standards fest, die bis zum 2. August 2022 in nationales Recht umgesetzt werden mussten. Da diese Frist längst abgelaufen ist, hat die Europäische Union (EU) ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

EU-Richtlinie sieht Vaterschaftsurlaub vor

In der Richtlinie ist unter anderem die Einführung einer zweiwöchigen bezahlten Freistellung nach der Geburt eines Kindes vorgesehen. Diese soll Vätern oder dem gleichgestellten zweiten Elternteil zustehen. Der Anspruch auf bezahlte Vaterschaftszeit nach der Geburt soll nicht an eine vorherige Beschäftigungs- oder Betriebszugehörigkeitsdauer geknüpft sein. Er soll unabhängig vom im nationalen Recht definierten Ehe- oder Familienstand des Arbeitnehmenden gewährt werden. 

In Deutschland müssen Eltern dafür bislang Elternzeit oder Urlaub nehmen. In manchen Unternehmen gibt es einen Tag Sonderurlaub für die Geburt und die Elternzeit, sonst aber keine weitere Freistellung.

Gesetz zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie

In Deutschland gibt es bereits umfassende Erleichterungen für Familien mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen. Hierzu gehören die Regelungen zu Elternzeit, Elterngeld, Pflegezeit und Familienpflegezeit.

Zur weiteren Umsetzung der "EU-Richtline zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige" hat der Bundestag Ende 2022 das Gesetz zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie beschlossen. Es ändert und ergänzt die bestehenden Gesetze und setzt einige weitere Erfordernisse der EU-Richtlinie um, nimmt aber den Anspruch auf Vaterschaftsurlaub aus. Sachverständige kritisierten auch deswegen das neue Gesetz als "nicht weitgehend genug".


Das könnte Sie auch interessieren: 

Väterfreundlichkeit noch ausbaufähig

Familienfreundliche Maßnahmen in Unternehmen

Was Arbeitgeber beim Antrag auf Elternzeit beachten müssen

dpa
Schlagworte zum Thema:  Gesetz, EU-Richtlinie, Work Life Balance, Elternzeit