Stellplatzpflicht: Kostentreiber ohne Mehrwert?

Eine Stellplatzpflicht beim Bau neuer Wohnungen geht mit hohen Kosten einher – wer eine Tiefgarage schaffen muss, zahlt allein zehn Prozent mehr. Wo Käufer oder Mieter dafür mehr zahlen und wann nicht, beleuchtet ein IW-Gutachten.

Wer Häuser und Wohnungen baut, muss in vielen Regionen in Deutschland per Verordnung auch für Stellplätze sorgen. Zwar sind Käufer und Mieter oft bereit, viel Geld für einen solchen Parkplatz auszugeben, wie ein Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der BPD Immobilienentwicklung GmbH zeigt – häufig entpuppt sich der gesetzliche Zwang allerdings als unnötiger Kostentreiber.

In einem Experiment mit 1.600 Teilnehmern hat das IW herausgefunden, wie hoch die Zahlungsbereitschaft für einen Stellplatz ist. Außerdem untersuchten die Wissenschaftler, wie sich die Zahlungsbereitschaft potenzieller Immobilienkäufer oder Mieter ändert, wenn genügend Parkplätze vorhanden sind oder es einen gut angebundenen öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) gibt.

Wohnungssuche: Wo der Stellplatz Geld wert ist

Nicht ewig lange einen Parkplatz suchen zu müssen, ist Käufern und Mietern zum Teil viel Geld wert. Wer eine Wohnung sucht, ist laut IW-Studie je nach Parksituation bereit, zwischen 13 und 48 Prozent des Kauf- oder Mietpreises für einen Stellplatz zu zahlen. In der Regel geht ein Stellplatz im Neubau mit einem Preisaufschlag von rund zehn Prozent einher. Besonders in städtischen Regionen, wo freie Parkplätze heiß begehrt sind, wird ein Stellplatz im direkten Wohnumfeld als Mehrwert empfunden.

Auch ein guter ÖPNV ist den Wohnungssuchenden viel wert – im Experiment war den Teilnehmern eine sehr gute Bus- und Bahnanbindung sogar wichtiger als ein eigener Parkplatz. In ländlichen Regionen, wo die Parkplatzsuche selten ein Problem ist, werden Parkmöglichkeiten meist als selbstverständlich angesehen und Wohnangebote ohne solche Möglichkeiten bei der Vorauswahl erst gar nicht berücksichtigt.

Parkplatz: Konzept muss bedarfsgerecht sein

Die Untersuchung des IW Köln zeigt auch, dass es Mietern und Käufern auf Wohnungssuche eher egal ist, ob sie einen eigenen Stellplatz oder eine entspannte Parksituation im Wohnumfeld haben – Hauptsache das Auto steht in der Nähe.

"Unser Experiment macht deutlich, dass Parkplatzkonzepte bedarfsgerecht sein müssen", sagt Studienautor und IW-Immobilienökonom Christian Oberst. Die gesetzliche Stellplatzpflicht sei das Gegenteil: Häufig müssten Stellplätze gebaut werden, die niemand braucht. Das treibe die Kosten beim Wohnungsbau und den Flächenverbrauch unnötig in die Höhe.

Oberst schlägt vor, dass die Kommunen den knappen öffentlichen Parkraum angemessen bepreisen und flexible Parkkonzepte entwickeln. "So hätten auch Wohnungsbauunternehmen die Chance, Stellplätze nur nach Bedarf zu bauen." Bisher haben mit Berlin, Hamburg und Niedersachsen nur drei Bundesländer die Stellplatzpflicht abgeschafft.

Studienergebnisse im Überblick:

  • Es lassen sich zwei zentrale Nachfragegruppen identifizieren: eine qualitätsorientierte und eine preissensible Gruppe. Die qualitätsorientierte Gruppe weist eine deutlich höhere Zahlungsbereitschaft für einen Pkw-Stellplatz als auch die ÖPNV-Anbindung auf als die preissensible Gruppe.
  • Die zusätzliche Zahlungsbereitschaft für einen zweiten Stellplatz ist in beiden Gruppen gering. Ebenso spielt die Art der Stellplätze keine wesentliche Rolle. Empfehlung: Bei einem typischen Neubauprojekt jeder Wohneinheit maximal einen Stellplatz zuzuordnen und weitere Stellplätze flexibel zu vermarkten, mitunter auch in entfernten Bereichen (Quartiersgarage).
  • Eine sehr gute ÖPNV-Anbindung wird von den Studienteilnehmern im Durchschnitt als wichtiger eingestuft als der private Pkw-Stellplatz. Da neue Eigenheimprojekte in Ballungsräumen meist in Stadtrandlagen oder im Umland realisiert werden, ist es laut IW entscheidend, dass diese gut an den ÖPNV angebunden werden. Das erhöhe die Attraktivität der Wohngebiete und reduziere den Stellplatzbedarf.
  • Die Zahlungsbereitschaft für einen Pkw-Stellplatz ist etwa doppelt so hoch wie für einen Keller oder Dachboden.
  • Für die qualitätsorientierte Nachfragegruppe zeigt sich, dass ein zusätzliches Zimmer nur halb so nützlich eingeschätzt wird wie ein Pkw-Stellplatz. Im Gegensatz dazu ist der Wegfall eines Zimmers mit einer mehr als doppelt so starken Ablehnung verbunden, als der Nutzen eines Stellplatzes dies ausgleichen könnte.
  • Aus der Zahlungsbereitschaft für eine entspannte Parksituation im Wohnumfeld lässt sich eine Bereitschaft für bezahltes Anwohnerparken ableiten, zumindest beim Wohnungskauf oder bei Neuanmietung.
  • Die geringe Korrelation der Nachfragegruppen mit den Haushaltseigenschaften sowie das doppelte Spannungsfeld bei Pkw-Stellplätzen im Wohnungsneubau (Konflikt bezahlbarer Neubau und umfassender Stellplatzbereitstellung sowie Wechselwirkung mit öffentlichem Parkraumbedarf) sprechen den Wissenschaftlern zufolge dafür, Anbieter die Entwicklung differenzierter Angebote zu ermöglichen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden.

Methodik

In der Studie werden die Präferenzen potenzieller Käufer und Mieter bei der Wohnungswahl zu Pkw-Stellplätzen mittels Auswahlexperiment untersucht. Im Fokus stehen Abwägungen zwischen der Anzahl an Stellplätzen und einer Vergrößerung oder Verringerung der Wohnfläche. Auch die Auslastung öffentlicher Parkmöglichkeiten und die ÖPNV-Anbindung werden berücksichtigt. Als monetäre Merkmale werden der absolute Kauf- oder Mietpreis und der Preis pro Quadratmeter angezeigt. Der absolute Preis ergibt sich aus der Multiplikation des regionalen Referenzpreises pro Quadratmeter mit der Wohnfläche. Die Preisvariationen werden mit Merkmalsausprägungen von minus 20 bis plus 20 Prozent im Vergleich zum Referenzpreis modelliert.

IW-Gutachten "Entscheidungsfaktor private PKW-Stellplätze bei der Wohnungswahl" (PDF)


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