Was im öffentlichen Diskurs als recht gradlinige Lösung erscheint – Holz als nachwachsender Kohlenstoffbinder gleich nachhaltig – ist bei genauerem Hinsehen nicht einfach gleichzusetzen. Der Holzbau kann keine pauschale Antwort auf die Klimakrise sein. Die Verfügbarkeit von Holz ist begrenzt, und die Bauweise konkurriert mit anderen ökologischen und wirtschaftlichen Zielen.
Verschärft wird die Debatte durch die verschiedenen Bewertungsansätze in der Ökobilanzierung. Was gilt als klimaneutral? Welche Rolle spielt die Herkunft des Holzes – regional oder importiert? Wie verändert sich die Bilanz, wenn Holz nicht wiederverwendet wird oder Gebäude nur kurz stehen? Welche langfristigen Einflüsse hat eine verstärkte Nachfrage nach Bauholz auf Landnutzung, Waldgesundheit und Artenvielfalt? Nachhaltiger Holzbau ist kein Automatismus, sondern stark kontextabhängig.
Holz als nachhaltiger Baustoff
Holz speichert Kohlenstoff und könnte klimaschädliche Baustoffe wie Stahl oder Beton ersetzen. Der Baustoff scheint damit eine ideale Wahl – zumal der Holzabbau bei sachgemäßer Waldwirtschaft erneuerbar ist. Doch so linear ist die Realität nicht.
Im Jahr 2023 wies die Umweltorganisation World Wildlife Fund (WWF) auf die begrenzte Verfügbarkeit der Ressource Holz hin. Die Organisation warnte davor, dass die Entnahme aus europäischen Wäldern reduziert werden müsse, um die Biodiversität zu sichern und Wälder als CO2-Senken nicht zu gefährden. Entscheidend sei, wofür Holz verwendet wird: Es sollte möglichst in langlebige Produkte, wie eben den Gebäudesektor fließen – also in Bauholz statt in Verpackung oder Energie. Der WWF empfiehlt ausdrücklich, die knapper werdende Ressource prioritär für Bauzwecke einzusetzen.
Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) aus demselben Jahr erweitert diesen Blick. Das Forschungsteam simulierte Szenarien einer globalen Holzbauwende. Das Ergebnis: Theoretisch gäbe es genug Anbaufläche, um weltweit ganze Städte aus Holz zu bauen – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die Baubranche müsste Rückbauholz, Plantagenholz aus schnellwachsenden Arten und hocheffiziente Bauweisen in großem Maßstab nutzen.
Die notwendige Ausweitung an Plantagen könnte aber bedeuten, dass die Forstwirtschaft artenreiche Mischwälder durch Monokulturen ersetzt. Das würde langfristig die Biodiversität gefährden, Ökosysteme anfälliger machen für Klimaveränderungen, Schädlinge oder Stürme. Und noch etwas stellt das PIK klar: Ein globaler Holzbau kann nur klimaneutral gelingen, wenn gleichzeitig landwirtschaftliche Flächen effizienter genutzt würden. Die Studien machen deutlich: Holzbau ist nicht per se nachhaltig – sondern nur, wenn Politik und Gesellschaft die Bauwende in eine tiefgreifende Transformation von Landnutzung, Ernährungssystem und Baukultur einbetten.
Ökologischer Holzbau
Was genau den Unterschied zwischen konventionellem und ökologisch verantwortlichem Holzbau ausmacht, ist Gegenstand intensiver Debatten – sowohl in der Forschung als auch in der Baupraxis. Kriterien wie Rückbaufähigkeit, Materialwahl, Bauweise und Biodiversität werden dabei differenziert bewertet. Anbauweise und Nutzung entscheiden über den tatsächlichen ökologischen Fußabdruck.
Alexander Rudolphi, Professor und Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), weist darauf hin, dass viele derzeitige Holzbauweisen nicht die ökologische Wirkung erzielen, die ihnen zugeschrieben wird. Besonders kritisch sieht Rudolphi den Trend zu immer größeren Massivholzkonstruktionen: Diese seien zwar technisch möglich, aber oft materialintensiv, schlecht rückbaubar und nur begrenzt kreislauffähig. "Das ist nicht per se falsch, aber wir müssen vom Massivholzbau als anzustrebende Standardlösung wegkommen", so Rudolphi.
Stattdessen plädiert er für Materialvielfalt und Kreislaufwirtschaft, etwa durch Verzicht auf schwer trennbare Verbindungen oder Leime und gesundheitlich bedenkliche Zusatzstoffe. Nur so sind Konstruktionen rückbaufähig, ein entscheidendes Kriterium auch für den ökologischen Holzbau. Rudolphi weist darauf hin, dass andere Baustoffe – etwa Stroh, Hanf, Lehm oder Schilf – im Diskurs oft übersehen werden. "Der Holzbau dominiert derzeit die Nachhaltigkeitsdebatte im Bausektor, aber wir brauchen dringend ein breiteres Verständnis für regenerative Baustoffsysteme. Nur dann gelingt eine echte Bauwende."
Schon im klassischen Holzbau gibt es große Unterschiede. So spielt die Wahl der Baumarten eine entscheidende Rolle: Fichte und Kiefer wachsen vergleichsweise schnell und können nach 80 bis 140 Jahren geerntet werden. Buchen und Eichen benötigen zwischen 120 und 180, teils sogar bis zu 300 Jahre bis zur Hiebsreife. Schnellwachsende Baumarten wie Pappel oder Robinie erreichen diese hingegen schon nach 15 bis 25 Jahren, sind aber teilweise weniger belastbar.
Klimabilanz im Holzbau
Grundsätzlich bietet Holz im Vergleich zu Beton oder Stahl erhebliche klimatische Vorteile: Während letztere in der Herstellung extrem energieintensiv sind und viel CO2 produzieren, bindet ein Baum während seines Wachstums Kohlenstoff aus der Luft. Doch dieser Vorteil besteht nur langfristig, wenn das Holz dauerhaft im Nutzungskreislauf bleibt.
Wird ein Holzgebäude frühzeitig abgerissen oder das verbaute Holz nach Nutzungsende verbrannt, wird das gespeicherte CO2 wieder freigesetzt. Ein Teil des Klimavorteils schmilzt dahin. Entscheidend ist also die Lebensdauer der Gebäude. Je länger ein Bauwerk genutzt oder Materialien wiederverwendet werden, desto positiver die CO2-Bilanz.
In diesem Zusammenhang spielt der Wirkungsgrad eine zentrale Rolle: Laut Rudolphi werden derzeit nur etwa 30 Prozent des Holzes eines gefällten Baums tatsächlich in langlebige Bauprodukte überführt. Der Rest wird energetisch verwertet oder zersetzt sich – mit entsprechendem CO2-Ausstoß. Auch der Transport beeinflusst die Klimabilanz: Wird etwa Holz aus Sibirien oder aus Übersee importiert, entstehen zusätzlich erhebliche Emissionen. Regionale Holzverwendung hingegen stärkt nicht nur die lokale Wertschöpfung, sondern reduziert auch den CO2-Fußabdruck erheblich.