
Bei der Berechnung der Grundsteuer werden sich in Hessen künftig neben der Häuser- und Grundstücksgröße auch die Lage und Nutzung der Immobilien auf die Steuerhöhe auswirken. Ein entsprechendes Gesetz hat der Landtag im Zuge der Reform beschlossen.
Hessens Landtag hat am 14.12.2021 mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU und Grünen eine Reform der Grundsteuer beschlossen. Bei dem "Flächen-Faktor-Verfahren" werden sich künftig neben der Größe von Grundstücken und Häuser und der Nutzung der Immobilien auch die Lage auf die Neuberechnung der Steuerhöhe auswirken. Das Gesetz soll noch 2021 in Kraft treten.
Kritik an dem Entwurf von Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) kam aus den Reihen der Opposition. Die SPD-Abgeordnete Esther Kalveram etwa befürchtet, dass für eine Immobilie im innenstadtnahen sozialen Brennpunkt dieselbe Steuerlast anfallen könnte wie für eine flächengleiche Villa in bester Stadtlage.
Die Bundesregierung hatte den Ländern im Zuge der Grundsteuerreform das Recht eingeräumt, eigene Regelungen zu verabschieden, die vom Grundsteuer-Modell von Ex-Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) abweichen. Bayern hatte die sogenannte Öffnungsklausel überhaupt erst durchgeboxt.
Fläche, Fläche, Fläche: Grundsteuerreform in Bayern
Am 23.11.2021 verabschiedete der Landtag in Bayern mit der Mehrheit der Stimmen der Regierungsfraktionen aus CSU und Freien Wählern ein eigenes Grundsteuergesetz. Das gilt ab 2025.
Neu ist, dass die Grundsteuer künftig nur noch anhand der Fläche des Grundstücks und der Gebäude sowie der Nutzung berechnet wird. Der Wert des Grundstücks und der Immobilien darauf spielen keine Rolle. Im Detail heißt das: Vier Cent pro Quadratmeter Grundstücksfläche sowie 50 Cent pro Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche. Dieser Messbetrag wird dann mit dem Hebesatz, den jede Gemeinde individuell bestimmt, multipliziert. Bayern hatte von Anfang an angekündigt, ein "reines" Flächenmodell umsetzen zu wollen. Der Gesetzentwurf für die neue Grundsteuer war vom Kabinett am 6.12.2020 beschlossen worden.
Laut einem Rechtsgutachten des Potsdamer Juraprofessors Thorsten Ingo Schmidt im Auftrag der Grünen-Fraktion verstößt die Novelle gegen die Verfassung. Er sieht den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nicht ausreichend berücksichtigt. Andere Juristen äußerten bei einer Anhörung im Landtag keine Bedenken.
Baden-Württemberg: Vorreiter mit eigenem Grundsteuergesetz
Baden-Württemberg hatte als erstes der 16 Bundesländer am 4.11.2020 ein eigenes Gesetz verabschiedet. Grundlage für die Neuberechnung nach dem "modifizierten Bodenwertmodell" sind Grundstücksfläche und Bodenrichtwert. Zur Mobilisierung von Bauland kommt die "Grundsteuer C" zum Einsatz.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelungen wurden schnell wieder aus der Welt geschafft. Eine Musterklage, die am 25.3.2021 beim baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof eingereicht worden war, wurde am 3.5.2021 als unzulässig zurückgewiesen. Geklagt hatte die Eigentümerin eines Einfamilienhauses, die das Modell als ungerecht empfand.
Rheinland-Pfalz feilt weiter an der eigenen Grundsteuer
In Rheinland-Pfalz gibt es noch keine Einigung, aber der Landtag hat am 10. November bei seiner Plenarsitzung einen Gesetzentwurf der oppositionellen CDU zur Neuregelung der Grundsteuer beraten, der gar nicht nach dem Geschmack der Regierung ist. Die Union will weg vom Bundesmodell, wie es die Regierung aus SPD, Grünen und FDP bislang anstrebt, hin zu einem eigenen Gesetz. Vorgeschlagen wird das "modifizierte Bodenwertmodell", wie es in Baden-Württemberg bereits beschlossen ist. Die Grünen-Fraktion lehnt den CDU-Vorstoß als "ungerecht" ab.
Der Gesetzentwurf wurde zur weiteren Beratung und zur Erarbeitung einer Beschlussempfehlung an den federführenden Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Rechtsausschuss überwiesen. Danach folgt die zweite Beratung im Plenum. Ein zeitlicher Fahrplan existiert nach Auskunft eines Sprechers noch nicht.
Hamburg setzt auf Wohnlage und "Grundsteuer C"
Die Hamburgische Bürgerschaft hat am 18.8.2021 ein eigenes Gesetz verabschiedet. Das vom Senat am 16.3.2021 beschlossene "Wohnlagenmodell" berücksichtigt neben der Fläche des Grundstücks und der genutzten Fläche der Gebäude auch die Wohnlage der Immobilie. Zur Berechnung der Lage will sich der Senat am Mietspiegel orientieren, der die Grundstücke in "normale" und "gute" Wohnlagen einteilt.
Ab 2022 sollen Grundstückseigentümer eine neue Feststellungserklärung abgeben, in der neben Name und Steuer-ID nur die sogenannte Belegenheit, also die Nutzung, die Grundfläche sowie die Wohn- und Nutzfläche der Gebäude anzugeben sind. Anhand der Daten wird dann der Hebesatz ermittelt und die Höhe der Grundsteuer bestimmt. Auch Hamburg will Bodenspekulationen mit der "Grundsteuer C" verhindern: Für brachliegende Grundstücke, für die eine Baugenehmigung vorliegt, kann ein höherer Hebesatz berechnet werden.
Niedersachsen: Flächenmodell mit Lage-Komponente
Auch Niedersachsen hat sich für eine eigene Regelung entschieden. Dem Gesetzentwurf von Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) stimmte der Landtag am 7.7.2021 abschließend zu.
Die niedersächsische Grundsteuer soll anhand der Fläche ergänzt um die Lage – "durchschnittlich", "besser" oder "schlechter" – innerhalb der Kommunen bemessen werden. Rund 3,6 Millionen Grundstücke und Gebäude in Niedersachsen müssen neu bewertet werden. Eine Steuererklärung soll aber nur einmal abgegeben werden müssen. Erst bei "gravierenden Änderungen" der Lageverhältnisse, die automatisiert von der Verwaltung überprüft werden, kommt es zu neuen Steuerbescheiden in den betroffenen Gebieten.
Als Indikator für die Lage sollen die flächendeckend für Bauflächen vorhandenen Bodenrichtwerte für das jeweilige Grundstück genutzt werden. Der Bodenrichtwert des Grundstücks wird mit dem Gemeindedurchschnitt verglichen.
Sachsen: Grundsteuer-Modell nach Nutzungsart
In Sachsen hat das Grundsteuerreformgesetz den Landtag am 3.2.2021 passiert. Hier soll künftig zwischen den Nutzungsarten "Wohnen", "Gewerbe" und "unbebaut" unterschieden werden: Für unbebaute Grundstücke und Wohngrundstücke wird die Steuermesszahl bei 0,36 Promille liegen, für Geschäftsgrundstücke bei 0,72 Promille. So soll die Mehrbelastung des Wohnens verhindert werden.
Das Saarland will weitgehend das Bundesmodell übernehmen, aber trotzdem "irgendwie" von der Öffnungsklausel Gebrauch machen: So soll bei der Besteuerung des Grundvermögens im Bereich der Steuermesszahlen eine Differenzierung nach Grundstücksarten vorgenommen werden. "Mit landesspezifischen Messzahlen können wir auf die Gegebenheiten vor Ort reagieren", erklärte Finanzminister Peter Strobel (CDU).
Grundsteuerreform: Länder mit Bundesmodell
Am 7.5.2021 gab Lutz Lienenkämper (CDU), Finanzminister von Nordrhein-Westfalen (NRW), die Entscheidung der Landesregierung bekannt, das Bundesmodell übernehmen zu wollen. Die FDP-Fraktion sympathisierte mit dem bayerischen Flächenmodell, konnte sich aber nicht gegen den Regierungspartner CDU durchsetzen.
In Schleswig-Holstein setzten sich nach langem Streit in der Jamaika-Koalition die Grünen gegen CDU und FDP durch, die für das Hamburger Modell geworben hatten. "Nur die großen Länder mit viel Personal- und Finanzkapazität gehen eigene Wege", rechtfertigte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) am 26.5.2021 die Entscheidung.
Berlin, Thüringen, Bremen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg setzten von Anfang an auf das Bundesgesetz zur Grundsteuerreform.
Bundesmodell oder Sonderweg: Welche Methode ist die bessere?
Die Grundsteuer-Novelle – die Ende 2019 im Bund verabschiedet worden ist – soll am 1.1.2025 in Kraft treten. Länder, die das Scholz-Modell wählen, müssen weiter nichts tun – beim Sonderweg muss ein eigenes Gesetz her.
Beim Bundesmodell ist Grundlage das Ertragswertverfahren: In die Berechnung fließen Bodenrichtwert, Fläche der Immobilie, Nettokaltmiete und Alter des Hauses ein. Daraus wird von den Finanzämtern der Steuermessbetrag ermittelt, der mit dem individuell festgelegten Hebesatz der Gemeinden multipliziert wird.
Die erste Hauptfeststellung soll am 1.1.2022 erfolgen – das heißt, das Finanzamt legt dann den Wert des Grundbesitzes fest, den er Ende 2021 hat. Für die Umsetzung der Neubewertung durch alle Bundesländer gilt eine Frist bis Ende 2024.
Welche Berechnungsmethode die beste ist, ist umstritten. Der Augsburger Steuerrechtler Gregor Kirchhof etwa hält das Bundesgesetz für verfassungswidrig, wie er in einem Gutachten für den Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) schreibt.
Wie teuer wird die neue Grundsteuer für Eigentümer und Mieter?
Gezahlt wird die Grundsteuer von den Eigentümern, die sie (noch) auf die Mieter umlegen dürfen. Profiteure sind die Kommunen: Die kassierten zuletzt insgesamt zirka 14 Milliarden Euro pro Jahr. Wäre die Reform vom Bund nicht bis Ende 2019 beschlossen worden, wie im April 2018 vom Bundesverfassungsgericht gefordert, hätten die Kommunen seit Anfang 2020 keine Grundsteuer mehr erheben dürfen.
Bis zum 31.12.2024 gelten weiterhin die alten Grundstückswerte von 1935 (Ostdeutschland) und 1964 (Westdeutschland): Erst wird der Wert eines Gebäudes oder Grundstücks ermittelt, dann der Grundsteuerwert mit der Steuermesszahl und mit dem Hebesatz der Kommunen multipliziert.
Die Kommunen werden mit ihren Hebesätzen die Höhe der Abgabe auch nach dem Stichtag 1.1.2025 bestimmen – unabhängig vom gewählten Modell. Dadurch kann sich die Grundsteuer für die gleiche Immobilie je nach Wohnort zum Teil um Hunderte Euro unterscheiden. Eigentümer von Mietshäusern müssen oft vierstellige Beträge berappen. Die Hebesätze können außerdem jederzeit geändert werden. Den Kommunen hat Scholz mit der Wiedereinführung der Grundsteuer C zudem ein "Druckmittel" für den Wohnungsneubau an die Hand gegeben.
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Wohnnebenkosten: Wo es richtig teuer wird
Zunächst einmal ist das Finanzamt für die Ermittlung der Grundsteuerwerte zuständig. Außerdem wird nicht die tatsächlich gezahlte Miete herangezogen, sondern eine fiktive Miete.
Das das Bundesmodell trotzdem sehr komplex ist und die Neubewertung eine Menge Zeit in Anspruch nehmen wird, bleibt außer Frage.
Wie kann man sich nur so eine Bewertungsmethode ausdenken?
Das ist am Ende doch nur ein Beschäftigungsprogramm für Steuerberater, Rechtsanwälte und Gerichte. Den tatsächlichen Wert eines Hauses gibt es so wenig wie für ein Gemälde!
Soll jede Mieterhöhung, die in der Regel bei einem Wohnungswechsel erfolgt dem Steueramt der Gemeinde gemeldet werden? Dann haben wir in einer Wohnanlage bei gleichen Wohneinheiten unterschiedliche Grundsteuersätze. Wer versucht seine Wohnung stets auf dem neuesten Stand zu halten, zahlt dafür höhere Grundsteuer. Ich müsste meinem Mieter sagen, ich kann das Bad erneuern, sie müssen dann aber mit einer höheren Grundsteuer rechnen. Ist das ein Beitrag zum Erhalt von Wohnraum?
Jede Kommune entscheidet letztendlich selbst über seine Grundsteuer und Gewerbesteuer. Dieser Wettbewerb unter den Kommunen muss auch weiterhin bestehen. Glaubt eine Kommune eine Reihe vergleichbarer Häuser in einer Straße zu haben, dann kann das an Ort und Stelle von der Kommune beschlossen werden.
Aber ein Beschäftigungsprogramm für kommunale Mitarbeiter sollten sich die Politideologen in Berlin nicht ausdenken dürfen.
Möglicherweise führt das sogar zur Angabe falscher Mieten, damit einerseits bei der Steuer für Vermietung und Verpachtung und andererseits bei der Grundsteuer gespart werden kann.