Flutkatastrophe: Wohnungswirtschaft bietet schnelle Hilfe an

Durch die Flutkatastrophe wird das Thema Klimawandel noch mehr Gewicht bekommen. Es stellt sich die Frage: Was ist vorhersehbar, was "Jahrhundertereignis"? Den von den Überschwemmungen betroffenen Menschen helfen nur schnelle Maßnahmen – öffentlich oder privat. Die Wohnungswirtschaft packt mit an.

Das Ausmaß der Katastrophe durch Überschwemmungen nach Gewittern und Dauerregen in einigen Teilen Deutschlands mit zahlreichen Toten ist heute noch nicht absehbar. In den kommenden Wochen, Monaten und Jahren wird sich die Politik damit auseinandersetzen müssen, wie sie die Folgen der Unwetter in den Griff bekommen und in Zukunft womöglich verhindern kann. Die Themen Klimawandel und Klimaanpassung dürften weiter in den Fokus der Regierungen von Bund und Ländern rücken. Die betroffenen Menschen, deren Häuser beschädigt oder zerstört worden sind, brauchen schnelle Hilfe.

Wohnungswirtschaft: Schnelle Hilfe für die Flutopfer

Der Wohnungskonzern Vonovia will die Aufräum- und Sicherungsarbeiten in den betroffenen Gemeinden vor allem in Nordrhein-Westfalen unterstützen. Wer seine Wohnung verloren hat, soll außerdem kurzfristig Hilfe bekommen. Vonovia bietet auch über die Sozialen Medien mehrere Wohnungen im Raum Eschweiler, Köln, Leverkusen und Bonn an, die sofort verfügbar wären. Die Wohnungen sind einen Monat lang kostenfrei, eine Kaution fällt nicht an. Ist die eigene Wohnung auf längere Zeit unbewohnbar, käme eine kurzfristige Übernahme eines neuen Mietvertrags in Frage.

Vor allem in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Rheinland-Pfalz haben die Unwetter nicht nur viele menschliche Tragödien, sondern auch große materielle und existentielle Schäden verursacht. Häuser stürzten ein, tausende Wohnungen wurden verwüstet. Die Landesverbände der Wohnungswirtschaft mobilisieren finanzielle und personelle Unterstützung vor Ort, und ihre Mitgliedsunternehmen stellen Unterkünfte zur Verfügung. Der VdW Verband der (Wohnungs- und Immobilienwirtschaft) Rheinland Westfalen und der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW haben außerdem eine Spendenaktion auf der Plattform betterplace.org eingerichtet.

LEG-Stiftungen legen Sonderfonds auf

Das börsennotierte Wohnungsunternehmen LEG Immobilien mit rund 145.000 Mietwohnungen in Deutschland und sieben Standorten in Nordrhein-Westfalen hat einen Krisenstab eingerichtet und bietet unbürokratische Hilfe bei vorübergehender Unbewohnbarkeit an.

"Das verheerende Hochwasser in NRW und Rheinland-Pfalz, darunter auch an einigen Standorten mit LEG-Wohnungen, macht uns tief betroffen", sagte Vorstandschef Lars von Lackum. Neben Sofortmaßnahmen, wie etwa der kurzfristigen Unterbringung von LEG-Mietern, deren Wohnungen vorübergehend nicht genutzt werden können, wurde die Unterbringung im Hotel oder eine passende Ersatzwohnung angeboten. Kommt ein neuer Mietvertrag mit einem anderen Vermieter zustande, wird der Altvertrag bei der LEG ohne Kündigungsfrist beendet.

Für die dringendsten Anschaffungen gibt es 500 Euro Soforthilfe, um geschädigte Keller und Wohnungen zu entrümpeln, hat die LEG ein Sonderbudget von einer Million Euro für Mieter ohne Versicherungsschutz bereitgestellt. Die LEG-"Stiftung - Dein Zuhause hilft" und die LEG NRW Mieter-Stiftung haben außerdem einen 250.000-Euro-Nothilfefonds aufgelegt.

Der Eigentümerverband Haus & Grund forderte einen staatlichen Hilfsfonds. "Viele Menschen haben ihr Zuhause verloren. Ganze Familien stehen vor dem Nichts", erklärte Haus-&-Grund-Präsident Kai Warnecke. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Betroffenen des Hochwassers bereits Hilfen zugesagt. Rheinland-Pfalz hat als kurzfristige Unterstützung schon 50 Millionen Euro bereitgestellt.

Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat am 20. Juli Soforthilfen bis zu 3.500 Euro pro Haushalt beschlossen. Das Geld soll ohne Bedürftigkeitsprüfung schnellstmöglich über die Kreisverwaltungen ausgezahlt werden, teilte die Staatskanzlei mit. Auch die vom Hochwasser besonders betroffenen Bewohner von acht bayerischen Landkreisen erhalten bis zu 50 Millionen Euro Soforthilfen vom Land.

Die lästige Frage nach dem Versicherungsschutz

Doch auch Eigentümer und Mieter, die versichert sind, haben nicht unbedingt den Versicherschutz, den sie brauchen. Es stellt sich die lästige Frage: Welche Versicherung bezahlt welchen Schaden? Nur Hauseigentümer mit einer Elementarschadenversicherung sind zum Beispiel gegen Schäden durch Starkregen und Überschwemmungen finanziell einigermaßen abgesichert. Hausbesitzer mit einer einfachen Wohngebäudeversicherung haben schlechte Karten.

Die Hausratversicherung zahlt etwa nicht, wenn Wasser in den Keller läuft. Sie zahlt auch nicht für Schäden, die Regenwasser, Flüsse, oder Bäche, die über die Ufer treten, anrichten. Und sie zahlt nicht, wenn Schmutzwasser aus der Kanalisation ins Haus drückt. Für solche Fälle gibt es zusätzlich zur Wohngebäude- oder Hausratversicherung die sogenannte Elementarschadenversicherung.

Elementarschäden sind etwa Schäden durch Erdrutsche, Lawinen oder Erdbeben. Versicherer dürfen aber ablehnen, wenn das Risiko zu hoch erscheint – etwa wenn ein Haus an einem Fluss steht, der regelmäßig über die Ufer tritt. Dann könnte gegebenfalls eine "erweiterte Naturgefahrenversicherung" vor den finanziellen Folgen von Naturereignissen schützen. Doch auch hier vereinbaren die Versicherer mest eine Selbstbeteiligung. Eine Übersicht hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) veröffentlicht.

Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) forderte die Wiedereinführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung für alle Immobilieneigentümer. In seinem Land liege die Versicherungsquote bei 90 Prozent, in anderen Bundesländern aber nur bei 30 Prozent. Er kündigte an, sich in der Ministerpräsidentenkonferenz im Herbst dafür einsetzen zu wollen.

NRW-Katastrophenerlass: steuerliche Unterstützung

Die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen (NRW) hat als Reaktion auf die wirtschaftlichen Folgen für die Bürger den Katastrophenerlass in Kraft gesetzt. Sie sollen unter erleichterten Voraussetzungen, ohne bürokratische Hürden, steuerliche Hilfsmaßnahmen in Anspruch nehmen können, wie Lutz Lienenkämper (DCU), Minister der Finanzen, mitteilte.

Dazu gehören unter anderem auch Sonderabschreibungsmöglichkeiten für den Wiederaufbau von Gebäuden und für die Beseitigung von Schäden an eigengenutztem Wohneigentum – die können als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Darüber hinaus gibt es "großzügige Möglichkeiten für die Abzugsfähigkeit von Spenden", heißt es aus dem Finanzministerium. Die einzelnen steuerlichen Entlastungsmaßnahmen sind hier abrufbar (pdf).

Die Finanzämter wurden zudem angehalten, den Bürgern in NRW durch die Stundung von Steuern und die Herabsetzung von Vorauszahlungen entgegenzukommen.

Baugewerbe: Wiederaufbau nach Hochwasser wird Jahre dauern

In NRW und Rheinland-Pfalz wird der Wiederaufbau nach den Hochwasserschäden der deutschen Bauwirtschaft zufolge mehrere Jahre dauern. "Nach der Elbflut 2002 hat es etwa drei Jahre gedauert, bis die größten Schäden behoben waren, und fünf Jahre, bis die betroffenen Gebiete wieder ordentlich aussahen", sagte Reinhardt Quast, Präsident des Zentralverbands des Deutsches Baugewerbes (ZDB) in Berlin. Das Ausmaß der Schäden sei immens und noch nicht zu beziffern.

Ein Problem: Die Bauunternehmen sind sowieso schon ausgelastet, dazu kommen Materialengpässe. Aufträge müssen laut Quast umgeschichtet und die Prioritäten auf die Krisenregionen gelenkt werden. Das Baugewerbe selbst unternehme alles, um betroffenen Betrieben in den Krisenregionen zu helfen und Kapazitäten umzuschichten. Eine Firma im Hunsrück etwa sei in Mitleidenschaft gezogen worden, aber die Beschäftigten stünden bereit, berichtete Quast. "In solchen Fällen müssen Leihgeräte her, Bagger, Radlader und Lkw." Behörden könnten unbürokratisch helfen, indem sie etwa Duplikate von weggeschwemmten Bauunterlagen aushändigten, so der Verbandschef.

In der Debatte um mögliche Versäumnisse beim Katastrophenschutz mahnten mehrere Politiker und Verbände davor, zu früh mit der Aufarbeitung zu beginnen oder Schuldzuweisungen vorzunehmen. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung, forderte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe "nach der akuten Nothilfe eine glasklare Analyse" dessen, was für die Zukunft aus der Unwetterkatastrophe zu lernen sei.

Bayern startet Modellprojekt "klimarobuste" Wohnungen

Zerstörte Häuser und überschwemmte Straßen nach Unwettern und Dauerregen gab es in den vergangenen Tagen auch in verschiedenen Regionen Bayerns. Der "Experimentelle Wohnungsbau" im Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr untersucht derzeit den Umgang mit den klimatischen Veränderungen und erprobt in zehn Modellvorhaben, wie Wohngebäude und -quartiere im Zuge des Klimawandels gestaltet sein müssten. In Ingolstadt wurde der Planungswettbewerb für das erste dieser Projekte gerade entschieden.

"Um auch in Zukunft eine hohe Lebensqualität in unseren Wohnquartieren sicherzustellen, sollen mit den Modellprojekten praktische Lösungen für Wohnungen mit hoher Aufenthaltsqualität, für vielfältig und klimarobust gestaltete Freiflächen, für strukturreiche Lebensräume und für wassersensible Gestaltung entwickelt werden", erklärte die zuständige Ministerin Kerstin Schreyer (CSU).

Umweltminister Thorsten Glauber ergänzte: "Wir müssen den Schutz der Kommunen vor Hochwasser und Sturzflut verstärken". Das Umweltministerium hat ein wissenschaftliches Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, das die Konzepte begleitet. Realisiert werden die (bezahlbaren) Wohnungen mit Partnern aus der Wohnungswirtschaft.


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dpa