Starkregen: Wo Immobilienwerte am meisten gefährdet sind

Wasserschäden durch Starkregen können bei der Immobilienbewertung für kräftige Abschläge sorgen. Rund eine Million Wohnimmobilien im Wert von mehr als 638 Milliarden Euro stehen in Gebieten, die davon extrem gefährdet sind, heißt es in einer neuen Studie. Das Risiko lässt sich einschätzen.

Für Immobilien gilt: "Augen auf vorm Häuserkauf". Neben Lage oder baulichen Mängeln ist auch das Thema Extremwetter nicht ohne. Hochwasser, Sturzfluten und besonders Starkregen gefährden in Deutschland 1,2 Millionen Wohnimmobilien im Wert von 638 Milliarden Euro, wie eine Markterfassung des Datenanalyseunternehmens On-Geo und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zeigt. Sie stehen in Gebieten, die bei Starkregen am stärksten gefährdet sind, so ein Ergebnis der neuen STmate Quick Facts von On-Geo.

Immobilienbewertung: Schadensrisiko durch Starkregen lässt sich identifizieren

In der Immobilienbewertung spielt das Schadensrisiko durch Elementareinflüsse eine wesentliche Rolle. Unter anderem das durch den Klimawandel zunehmende Starkregenrisiko stellt eine signifikante Gefahr für Immobilieneigentümer und -nutzer dar, erklärt DLR-Wissenschaftler Thomas Krauß. "Das ist in letzter Zeit in den Hintergrund der Wahrnehmung getreten." Insbesondere kurze, intensive Starkregengüsse können große Schäden an Wohnimmobilien verursachen.

"Durch die Digitalisierung der Bewertung und die Einbeziehung einer breiteren Datengrundlage können solche Parameter heute noch besser betrachtet werden." Matthias Knabe, Geschäftsführer der On-Geo GmbH

Das Unternehmen nutzt für seine Technologie "STmate", ein Automated Valuation Model (AVM), das Immobilienbewertungen und -analysen per Knopfdruck und auf Basis von Live-Daten liefert, auch Informationen des DLR. Zudem stellt On-Geo die Starkregengefährdungsklassen des DLR Instituts für Methodik der Fernerkundung (IMF) für eine Risikoeinschätzung bei der Immobilienbewertung und Sicherheitenüberwachung bereit. So wird es möglich, die durch Starkregen am stärksten gefährdeten Gebiete, Landkreise und kreisfreien Städte zu ermitteln, deren Wohnimmobilien-Marktwerte sich zu einem besonders großen beziehungsweise kleinen prozentualen Anteil in solchen Gebieten befinden.

Beispiel: Deutschlandweit die höchste Gefährdung bei Starkregen wird nach dieser Methode aktuell im Landkreis Mittelsachsen ermittelt. 14,4 Prozent der Wohnimmobilien-Marktwerte liegen in diesem Landkreis, betroffen sind insgesamt Werte in Höhe von 3,1 Milliarden Euro. Am geringsten ist die Gefährdungslage in den Kreisen Schwerin (1,2 Prozent; 95 Millionen Euro), Nordwestmecklenburg (1,4 Prozent; 247 Millionen Euro) und Kiel (1,5 Prozent; 489 Millionen Euro).

BBSR-Webtool beurteilt Risiken für Immobilien

Damit Immobilieneigentümer Risiken und mögliche Schäden für ihre Gebäude besser abschätzen können, hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) die geodatenbasierte BBSR-Web-Anwendung "GIS-ImmoRisk Naturgefahren" online gestellt.

Dem BBSR zufolge sind neben Eigentümern der öffentlichen Hand und der gewerblichen Immobilien- und Wohnungswirtschaft vor allem Privateigentümer bei der Entwicklung des Tools berücksichtigt worden. In Zusammenarbeit mit Partnern aus Wissenschaft und Praxis, darunter der Deutsche Wetterdienst und das Karlsruher Institut für Technologie, soll die Anwendung regelmäßig an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Anforderungen angepasst werden. 

Hintergrund für die Entwicklung des Tools ist laut BBSR die wachsende Anzahl wetterbedingter Schadensereignisse als Folge des fortschreitenden Klimawandels. Demnach führen Sturm, Hagel oder Starkniederschlag in Deutschland bereits jetzt jedes Jahr zu Sachschäden an Gebäuden in Höhe mehrerer Milliarden Euro. Vor allem in den Großstädten nehme außerdem die Belastung durch Extremhitze im Sommer zu.

Extremwetter-Strategien für resilientere Immobilien

Insgesamt haben Schäden an Immobilien durch Extremwetter in Deutschland in den vergangenen drei Jahrzehnten deutlich zugenommen. Und nicht alles ist von Versicherungen abgedeckt, indirekte Schäden – wie etwa Mietausfälle – schon gar nicht. Eine Studie der Irebs International Real Estate Business School (Universität Regensburg) im Auftrag der BF.direkt AG kommt zu dem Schluss:

"Die Immobilienwirtschaft muss zusätzlich zu den Maßnahmen zur Emissionsreduktion künftig auch stärker in die Widerstandsfähigkeit beziehungsweise Resilienz der Gebäude gegen Naturgefahren investieren." Auszug aus der Irebs-Studie

Wie sich Unwetter und Naturkatastrophen auf Immobilien auswirken, ist regional sehr unterschiedlich: Im Süden kommt es dieser Studie zufolge häufiger zu Starkregen, Hagelschlag und starken Schneefällen, Waldbrände und Wasserknappheit infolge von Trockenheit treten demnach eher in den neuen Bundesländern, in Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf und Hochwasser oder Sturmfluten richten vor allem entlang der großen Flüsse und an der Küste Schäden an.

Die Studie rät speziell institutionellen Immobilieninvestoren eine regionale Einschätzung und das aus dem Klimawandel resultierende lagespezifische Risiko für die Immobilie zu erfassen und Anlageschwerpunkte an die Gefahrenlage anzupassen. Auch bautechnisch könnten Immobilien gegen Naturgefahren geschützt werden. Hier ist laut Studie allerdings eine fundierte Kosten-Nutzen-Abwägung schwierig, da Prognosen mit Unsicherheiten behaftet sind – das wiederum bedeutet, dass sich der Nutzen teurer bautechnischer Vorkehrungen teilweise erst in ferner Zukunft zeigt.

Extremwetter im Risikomanagement: Für Investoren mehr Pflicht als Kür

Preisentwicklungen sind hinsichtlich der Risikobewertung ebenfalls nur begrenzt aussagekräftig. "Der Markt tendiert dazu, Schäden, die in kürzeren Abständen auftreten, überzubewerten", sagt Prof. Dr. Sven Bienert, Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft an der Irebs und Autor der Studie. Seltener eintretende Schadensfälle hingegen – auch wenn sie einen größeren Umfang haben – würden eher unterbewertet, vergessen oder ignoriert.

So kam es zwar vor, dass die Immobilienpreise in Hochwassergebieten nach dem Unwetter deutlich eingebrochen sind, aber dann schnell wieder das Ausgangsniveau erreichten. "Je kürzer jedoch die Abstände zwischen den Extremwetterereignissen werden – und das ist eine absehbare Entwicklung –, desto unwahrscheinlicher wird ein solcher Bounce Back", so Bienert.

Für institutionelle Immobilieninvestoren ist es der Studie zufolge mehr Pflicht als Kür, sich im Rahmen des Risikomanagements mit der Frage zu beschäftigen, welche Extremwetterereignisse für Objekte ein Risiko darstellen und wie die Resilienz – also die Widerstandsfähigkeit – der Gebäude gestärkt werden kann. Vor allem bei der Immobilienfinanzierung sei das Thema Klimawandel derzeit nicht ausreichend berücksichtigt, ergänzt Prof. Dr. Steffen Sebastian von der Irebs.

"Laut einer Sonderumfrage von Bafin und Bundesbank haben knapp zwei Drittel der befragten Institute Klimarisiken bislang nicht in die Risikobewertung integriert." Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Irebs-Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung

Eine Berücksichtigung der Klimarisiken muss nach Auffassung von Sebastian in allen Phasen des Kreditgeschäftes stattfinden – denn Werthaltigkeit und Stabilität der Sicherheit "Immobilie" spielten eine zentrale Rolle bei der Finanzierung.

Irebs-Studie "Naturgefahren und Immobilienwerte in Deutschland"


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Schlagworte zum Thema:  Immobilien, Versicherung, Klimawandel