Bafin friert neue Regeln für ESG-Fonds ein
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat die Richtlinie, mit der Investmentfonds, dazu gehören auch regulierte Immobilien-Publikumsfonds, als nachhaltig eingestuft werden sollen, für unbestimmte Zeit verschoben. "Für eine dauerhafte Regulierung ist das derzeitige Umfeld nicht ausreichend stabil", sagte Bafin-Präsident Mark Branson auf der Jahrespressekonferenz in Frankfurt am Main.
Die direkten Auswirkungen des Ukraine-Krieges dürften nach Einschätzung der Behörde zwar verkraftbar sein, dennoch sieht die Aufsicht die aktuelle Lage mit Sorge. "Problematisch könnten die schwer einschätzbaren Zweit- und Drittrundeneffekte werden", so Branson.
Der Krieg bremse das weltweite Wirtschaftswachstum, heize die Preise von Gas, Öl und anderen Rohstoffen und damit die Inflation an und verschärfe Lieferengpässe, unter denen die deutsche Wirtschaft bereits seit Beginn der Pandemie leidet. Ein wirtschaftlicher Abschwung und eine steigende Arbeitslosigkeit könnten die Folgen sein. "Das Risiko für Kreditausfälle stiege - und damit gegebenenfalls der Abschreibungsbedarf", erläuterte der Bafin-Chef.
Chaos um Bafin-Richtlinie: Kein Beschluss, aber anwendbar
Die Nachhaltigkeitsrichtlinie wird also vorerst nicht formal beschlossen. Branson betonte jedoch, dass die Bafin an der Konsultationsfassung vom 2.8.2021 festhalten werde. Die komme bei der Zulassung nachhaltiger Fonds weiterhin zur Anwendung. Zum Beispiel sollen nachhaltige Fonds mindestens 75 Prozent in nachhaltige Anlagen investieren, eine nachhaltige Anlagestrategie verfolgen (mit mindestens 75 Prozent des Anlagevermögens) oder einen nachhaltigen Index abbilden. So will die Bafin Fondsanleger vor Greenwashing schützen.
Die Branche hält es unter den genannten Umständen für folgerichtig, dass die Bafin-Richtlinie vorerst eingefroren wird, äußerte jedoch Kritik daran, dass die Aufsicht an der Entwurfsfassung festhält. "Die Anwendung nicht finaler und damit unverbindlicher Verwaltungsregeln beeinträchtigt die dringend benötigte Rechtssicherheit in der Genehmigungspraxis", sagte der Vize-Präsident des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft ZIA, Jochen Schenk: "Davon losgelöst ist die Nachhaltigkeitsrichtlinie weiterhin kritisch zu sehen."
Die Bafin-Regeln für ESG-Fonds seien zu wenig auf die europäischen Maßnahmen einer Taxonomie und einer Offenlegungs-Verordnung abgestimmt und führe zu nationalem "Gold-Plating", so Schenk weiter. Der nationale Alleingang beflügle Abwanderungstendenzen und konterkariere das Ziel der Bundesregierung, Deutschland als führenden Sustainable-Finance-Standort zu etablieren.
Branson kritisierte bei dem Treffen in Frankfurt indirekt auch die Europäische Kommission, die auf Druck einzelner Mitgliedstaaten in ihren Kriterien für nachhaltige Finanzanlagen (EU-Taxonomie) Atomkraft als nachhaltig eingestuft hatte. Es sei für die Aufsicht unmöglich, derzeit politische Fragen wie diese zu beantworten.
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