Abgrenzung der Vorräte von den Forderungen

Um Vorräte richtig bilanzieren und bewerten zu können, bedarf es einer Unterscheidung zwischen den innerhalb des Umlaufvermögens getrennt auszuweisenden Forderungen und den sonstigen Vermögensgegenständen. Dabei nimmt der Realisationszeitpunkt eine besondere Rolle ein.

Die Frage der Abgrenzung von Vorräten und Forderungen stellt sich in unterschiedlichen Phasen des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses, nämlich im Fall

  • der Leistung von Anzahlungen oder Vorauszahlungen auf bestellte Vorräte,
  • der Erbringung unfertiger Leistungen unter Einsatz von Vorräten und
  • bei (abgeschlossenen) Umsatzgeschäften über Vorratsgüter.

Die im Rahmen eines schwebenden Beschaffungsgeschäfts geleistete Anzahlungen werden unbeschadet ihres Forderungscharakters nach § 266 Abs. 2 HGB eindeutig als Teil der Vorräte ausgewiesen. Das gilt auch für in der Entstehung begriffene Forderungen aus unfertigen Leistungen.

Beispiele: Unter unfertige Leistungen fallen sowohl nicht abgewickelte Bauaufträge auf fremdem Grund und Boden als auch noch nicht vollständig erbrachte Dienstleistungen (z. B. Forschungs- oder Reparaturleistungen), soweit ein Vergütungsanspruch für die angefallenen Aufwendungen besteht und noch keine Gewinnrealisation eingetreten ist.

Wichtig: Hat der Bilanzierende seine vertragliche Leistungspflicht erfüllt, gilt der Erfolg aus diesem Geschäft nach dem Realisationsprinzip als verwirklicht. Die zur Erbringung der Leistung eingesetzten Vorratsgüter dürfen in diesem Fall nicht mehr in der Bilanz erscheinen. An ihre Stelle tritt der Anspruch auf die Gegenleistung.

Realisationszeitpunkt entscheidend
Der Übergang von der Vorrats- zur Forderungsbilanzierung bestimmt sich nicht nach dem Zeitpunkt der zivilrechtlichen Vertragserfüllung. Entscheidend ist der Übergang der Preisgefahr und des wirtschaftlichen Eigentums an den Vorräten auf den Vertragspartner.

Praxis-Hinweis: Der in der Praxis wichtigste Fall besteht in der Lieferung von Gütern. Dort bestimmt – vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen – die Übergabe der Kaufsache den Realisationszeitpunkt. Bei Leistungen kommt es auf die Abnahme durch den Besteller oder auf die Fertigstellung der Leistung an.

Dr. Harald Kessler, CVA und Dipl.-Kfm. Benjamin Paulus, CVA