Größenklassen für Kapitelgesellschaften

Die Schwellenwerte für die Einstufung der Unternehmensgrößenklassen wurden angehoben. Diese gelten rückwirkend ab dem Geschäftsjahr 2023. Dies hat auch Auswirkungen für viele Unternehmen hinsichtlich der anstehenden Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Eine Erhöhung der monetären Schwellenwerte in den §§ 267, 267a und 293 HGB war seit einiger Zeit überfällig - die Schwellenwerte wurden zuletzt im Jahr 2013 angepasst und die Europäische Kommission ist gem. Artikel 3 Abs. 13 der Bilanzrichtlinie 2013/34/EU dazu verpflichtet, die Schwellenwerte mindestens alle fünf Jahre zu überprüfen und ggf. im Wege von delegierten Rechtsakten zu ändern, wobei die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Inflationsdaten zu berücksichtigen sind. Angesichts der hohen Inflationsraten war die Anpassung somit auch dringend nötig, um nicht durch den Inflationseffekt immer mehr Unternehmen in höhere Größenklassen mit deutlich erweiterten Rechnungslegungspflichten rutschen zu lassen.

Umsetzung in deutsches Recht: Zweites Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften

Nachdem die EU-Kommission am 21.12.2023 im EU-Amtsblatt (Reihe L) die Delegierte Richtlinie (EU) 2023/2775 mit einer Anhebung der Schwellenwerte für die monetären Größenmerkmale Bilanzsumme und Nettoumsatzerlöse um grundsätzlich 25 % bekannt gemacht hat, konnte der deutsche Gesetzgeber dies nun in das HGB integrieren. Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften, welches erst am 16.4.2024 im Bundesgesetzblatt als Nr. 120 veröffentlicht wurde, wurden die von der EU erlaubten Erhöhungen der monetären Schwellenwerte in den §§ 267, 267a und 293 HGB in vollem Umfang vorgenommen und auch das Wahlrecht zur zeitlichen Anwendung wurde voll genutzt.  

Möglichkeit der rückwirkenden Anwendung ab Geschäftsjahr 2023

Damit ist nun eine Erhöhung in Kraft getreten nicht nur planmäßig für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2024 beginnen, sondern auch die Möglichkeit einer rückwirkenden Anwendung für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2022 begonnen haben. Nach Art. 93 Abs. 2 EGHGB sind § 267 Abs. 1 und 2, § 267a Abs. 1 und § 293 Abs. 1 Satz 1 HGB in der Neufassung dürfen bereits auf Jahres- und Konzernabschlüsse, Lageberichte sowie Konzernlageberichte für das nach dem 31.12.2022 beginnende Geschäftsjahr angewendet werden, jedoch nur insgesamt.

Der Gesetzgeber hat somit die monetären Schwellenwerte in den §§ 267 und 267a HGB um mind. 25% auf die folgende Werte angehoben:

Kleinst-unternehmen

Kleine Unternehmen

Mittelgroße Unternehmen

Große Unternehmen

Bilanzsumme

≤ 450.000 EUR (statt
≤ 350.000 EUR)

≤ 7,5 Mio. EUR (statt
≤ 6 Mio. EUR)

≤ 25 Mio. EUR (statt
≤ 20 Mio. EUR)

> 25 Mio. EUR (statt
> 20 Mio. EUR)

Umsatzerlöse

≤ 900.000 EUR (statt
≤ 700.000 EUR)

≤ 15 Mio. EUR (statt
≤ 12 Mio. EUR)

≤ 50 Mio. EUR (statt
≤ 40 Mio. EUR)

> 50 Mio. EUR (statt
> 40 Mio. EUR)

Mitarbeiter

≤ 10 (unverändert)

≤ 50 (unverändert)

≤ 250 (unverändert)

> 250 (unverändert)

Für die Konzernberichterstattung sind als Schwellenwerte in § 293 HGB nun die Folgenden relevant:

Bruttomethode

Nettomethode

Bilanzsumme

≤ 30.000.000 €

(statt
≤ 24.000.000 €)
> 25.000.000 € (statt
> 20.000.000 €)

Umsatzerlöse

≤ 60.000.000 € (statt
≤ 48.000.000 €)
> 50.000.000 € (statt
> 40.000.000 €)

Mitarbeiter

> 250

> 250

Rückwirkende Erhöhung: Prüfungspflicht entfällt möglicherweise

Die rückwirkende Erhöhung führt zu der Herausforderung, dass viele Unternehmen, die bislang noch als mittelgroß eingestuft waren, nun aus der Prüfungspflicht fallen. Daher ist zu prüfen, ob noch von der Prüfung des Abschlusses für das Geschäftsjahr 2023 zurückgetreten werden kann oder ob die Prüfung ggf. freiwillig dennoch (weiter) durchgeführt werden soll.

Auswirkung auf Nachhaltigkeitsberichterstattung

Zudem dürften viele Unternehmen, die bislang als „große Kapitalgesellschaften“ sich für die Ergänzung des Lageberichts um einen Nachhaltigkeitsbericht ab dem Geschäftsjahr 2025 vorbereitet haben, auch davon befreit sehen als nunmehr mittelgroße Kapitalgesellschaften.

Mit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) in das HGB (bislang liegt ein RefE vor) soll nur § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB-E bezüglich der kapitalmarktorientierten Unternehmen im Sinne des § 264d geändert werden, die künftig nur dann als große Kapitalgesellschaften gelten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Damit bekommen kapitalmarktorientierte KMU grundsätzlich (es gibt noch weitere Erleichterungsmöglichkeiten) bis zum Geschäftsjahr 2026 Zeit, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Ansonsten bleibt es bei den gesetzlichen Regelungen, dass an zwei aufeinanderfolgenden Stichtagen jeweils mind. zwei der drei Schwellenwerte überschritten sein müssen, um in der jeweiligen Klasse zu sein. Dabei sind die angehobenen monetären Schwellenwerte bereits zurückbezogen anzuwenden, d.h. die für den Stichtag der Prüfung geltenden Werte können auch für die Ermittlung der Vorjahreswerte verwendet werden.

Beispiel: Einstufung auf Basis der neuen Schwellenwerte

Eine Kapitalgesellschaft mit kalenderjahrgleichem Geschäftsjahr, die das Wahlrecht zur Anwendung der erhöhten Schwellenwerte schon für das Geschäftsjahr 2023 in Anspruch nimmt, wäre zum 31.12.2023 retrospektiv auf Basis der neuen Schwellenwerte des § 267 HGB als klein einzustufen, wenn sie entweder zum 31.12.2023 und 31.12.2022 oder zum 31.12.2022 und 31.12.2021 mindestens zwei der drei angehobenen Schwellenwerte für mittelgroße Kapitalgesellschaften nicht überschritten hatte. Die Größenklasse im Vorjahr nach den alten Werten ist somit nicht relevant.

Besonderheit für Genossenschaften

Eine Besonderheit ergibt sich für Genossenschaften. Nach dem Vorbild der Übergangsvorschrift zur Einführung der vereinfachten Prüfung (§ 171 GenG) sollen die geänderten Größenmerkmale erstmals auf die vereinfachte Prüfung von Kleinstgenossenschaften für ein frühestens am 31.12.2024 endendes Geschäftsjahr anzuwenden sein. Hintergrund ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 20/10428, S. 13), dass die Erhöhung der Größenmerkmale in § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB automatisch zu einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der vereinfachten Prüfung nach § 53a GenG führt, so dass als Folgeänderung eine Übergangsregelung im GenG sowie eine entsprechende Anpassung der Inhaltsübersicht erforderlich ist.