Untergliederung der Vorräte

Im Interesse der formellen Ordnungsmäßigkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses müssen große und mittelgroße Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften ihre Vorräte in verschiedene Kategorien untergliedern. Die Abgrenzung zwischen einzelnen Kategorien ist fließend.

Große und mittelgroße Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften (§ 264a HGB) müssen nach § 266 Abs. 1, Abs. 2 B. I. HGB die folgende Untergliederung von Vorräten vornehmen 

  • Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe,
  • unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen
  • fertige Erzeugnisse und Waren,
  • geleistete Anzahlungen.

Praxis-Hinweis: Von kleinen Gesellschaften wird keine Untergliederung verlangt. Darüber hinaus steht allen Bilanzierenden die Möglichkeit zu, erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen offen von den Vorräten abzusetzen (§ 268 Abs. 5 Satz 2 HGB).

Untergliederung auch für die Bewertung wichtig
Die Zuordnung von Vermögensgegenständen zu Unterkategorien der Vorräte wirkt sich auch auf die Bewertung aus. Das gilt etwa für die Fragen, ob

  • als Zugangswerte Anschaffungskosten (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Waren) oder Herstellungskosten anzusetzen sind,
  • ein Festwertansatz zulässig ist und
  • der beizulegende Wert als Korrekturgröße zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten absatz- oder beschaffungsorientiert zu ermitteln ist.

Sonderfälle: Erzeugnisse nur einer Fertigungsstufe
Die Abgrenzung zwischen den ersten drei Kategorien des Vorratsvermögens ist insbesondere bei Unternehmen mit einer mehrstufigen Fertigung fließend. So können Erzeugnisse einer Fertigungsstufe je nach Verwendung sowohl als unfertige Erzeugnisse (im Fall einer Weiterverarbeitung) als auch als fertige Erzeugnisse (bei geplanter Veräußerung) ausgewiesen werden.

In gleicher Weise können erworbene Vorratsgüter sowohl unter die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen fallen als auch als Waren ausgewiesen werden. Eine allgemein gültige Zuordnungsregel gibt es nicht. Entscheidend sind vielmehr die beim jeweiligen Unternehmen am Abschlussstichtag vorliegenden Verhältnisse.

Abgrenzung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
Auszuweisen sind hier Verbrauchsgüter,

  • die im wirtschaftlichen Eigentum des Bilanzierenden stehen,
  • im Gegensatz zu den unfertigen/fertigen Erzeugnissen noch nicht be- oder verarbeitet wurden und
  • deren Be- oder Verarbeitung beabsichtigt ist.

Rohstoffe gehen bei Produktionsunternehmen als Hauptbestandteil unmittelbar in die Erzeugnisse ein. Sie umfassen:

  • Grundstoffe, wie z. B. Bleche, Stoffe, Glas
  • Einbauteile, wie z. B. Reifen, Elektromotoren, Pumpen

Hilfsstoffe, wie z. B. Schrauben, Nägel, Lacke oder Konservierungsstoffe, gehen auch in die Produkte ein, allerdings nur als untergeordnete Bestandteile von geringem Wert.

Betriebsstoffe sind Güter, die in der Fertigung oder in anderen betrieblichen Bereichen verbraucht werden, ohne Bestandteil der Produkte zu werden (z. B. Energie, Reinigungs- und Schmiermittel, Büromaterial). Auch Bestände an Werbematerial (z. B. Kataloge, Prospekte) sind hier auszuweisen.

Praxis-Tipp: Der Unterscheidung dieser Verbrauchsgüter kommt in der Berichtspraxis eher eine untergeordnete Bedeutung zu. Gegen die Verwendung einer allgemeineren Postenbezeichnung (z. B. „Rohmaterialien“) bestehen daher keine Bedenken.

Unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen

Unfertige Erzeugnisse stellen für den Absatz bestimmte Güter dar, die

  • vom Unternehmen bereits bearbeitet wurden, und
  • noch keine Absatzreife erlangt haben.

Praxis-Hinweis: Unerheblich ist, ob bis zur Fertigstellung weitere Arbeiten am Produkt verrichtet werden oder ob der verkaufsfähige Zustand allein durch die Lagerung (z. B. bei Wein, Käse, Holz) erreicht wird.

Unter diese Position fallen neben den materiellen Gütern auch:

  • Immaterielle Güter (z. B. zur unmittelbaren Vermarktung bestimmte Software), die sich am Abschlussstichtag im wirtschaftlichen Eigentum des Herstellers befinden
  • Leistungen, die in Ausführung von Aufträgen erbracht und noch nicht abgerechnet worden sind
  • Abfallstoffe, die der Produktion wieder zugeführt werden

Praxis-Tipp: Ein gesonderter Ausweis der Erzeugnisse und Leistungen ist gesetzlich nicht gefordert, wird aber empfohlen.

Fertige Erzeugnisse und Waren

Zu den fertigen Erzeugnissen zählen alle vom Unternehmen selbst erstellten und verkaufsreifen Vermögensgegenstände. Dazu gehören auch

  • zur Veräußerung vorgesehene Abfallstoffe
  • Ersatzteile für absatzbestimmte Produkte
  • als unverkäuflich gekennzeichnete Ärztemuster und
  • fertige Leistungen, die noch einem Abnahmerisiko unterliegen (in diesem Fall muss die Postenbezeichnung angepasst oder ein klarstellender Vermerk im Anhang angebracht werden).

Waren stellen von Dritten beschaffte Vorratsgüter dar, die ohne oder nur nach geringfügiger Bearbeitung veräußert werden sollen. Für einen Ausweis unter den Vorräten muss ein Bezug zum normalen Absatzprogramm des Unternehmens bestehen. Fehlt dieser (z. B. bei erworbenem Sicherungsgut), handelt es sich um sonstige Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens.

Praxis-Hinweis: Ein Ausweis von Leihemballagen (Kisten, Säcke, Flaschen, Fässer usw.) kommt im Umlaufvermögen nur in Betracht, wenn die Kunden die Wahl zwischen Erwerb und Rückgabe haben. Andernfalls sind sie als Anlagegüter zu behandeln.

Geleistete Anzahlungen

Der Posten enthält vorgeleistete Beträge für den Erwerb von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen oder Waren. Dazu rechnen auch Ausgaben für Dienstleistungen, die in der Folge als Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Vorräte zu aktivieren sind.

Wichtig: Mit dem Übergang der Gefahr an den beschafften Gütern, spätestens mit ihrem physischen Zugang, müssen die Anzahlungen in die entsprechende Vorratsposition umgebucht werden.

Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen

Zahlungen, die ein Unternehmen für noch nicht erbrachte Lieferungen oder Leistungen erhält, müssen als Verbindlichkeit passiviert werden. Alternativ besteht die Möglichkeit einer offenen Absetzung von den Vorräten (§ 268 Abs. 5 Satz 2 HGB).

Wichtig: Die Gesamtposition der Vorräte darf durch die offene Saldierung nicht negativ werden.

Praxis-Hinweis: Wird die Lieferung oder Leistung erbracht, tritt Gewinnrealisation ein und die Anzahlung muss mit der einzubuchenden Forderung verrechnet werden. Ist z. B. aufgrund von Leistungsstörungen mit einer Rückforderung zu rechnen, müssen die erhaltenen Anzahlungen in die sonstigen Verbindlichkeiten umgegliedert werden.

Dr. Harald Kessler, CVA und Dipl.-Kfm. Benjamin Paulus, CVA