Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 169 Abs. 2 AO bestimmt vier verschiedene Festsetzungsfristen.

I. Regelmäßige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 AO)

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für Verbrauchsteuern (s. § 3 AO Rz. 36, 42) und Verbrauchsteuervergütungen beträgt die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ein Jahr (vgl. z. B. BFH v. 26.09.2017, VII R 26/16, BFH/NV 2018, 151; BFH v. 21.04.2016, II B 4/16, BStBl II 2016, 576). Die USt gilt i. S. der AO nicht als Verbrauchsteuer (BFH, v. 14.07.2015, XI B 41/15, BFH/NV 2015, 1445; s. § 3 AO Rz. 35), sodass auch die kurze Festsetzungsverjährung nicht anwendbar ist; etwas anderes gilt für die EUSt, da hierfür die Vorschriften des UZK gelten (§ 21 Abs. 1 UStG). Hinsichtlich der Zölle wird die Vorschrift durch Art. 103 Abs. 1 UZK verdrängt (s. § 1 AO Rz. 11 ff.). Entsteht die Zollschuld jedoch aufgrund einer nach dem nationalen Steuerrecht strafbaren Handlung, wird die Festsetzungsfrist des UZK für die Nacherhebung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 103 Abs. 2 UZK i. V. m. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre verlängert (Bartone in Krenzler/Herrmann/Niestedt, Art. 103 UZK Rz. 1; Cöster in Koenig, § 169 AO Rz. 11). Für alle anderen Ansprüche beträgt die regelmäßige Festsetzungsfrist vier Jahre. Zur Anwendung der Festsetzungsfristen auf steuerliche Nebenleistungen, s. § 169 AO Rz. 5.

II. Verlängerung der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO)

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die regelmäßige Festsetzungsfrist verlängert sich im Falle einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) auf zehn Jahre und im Falle einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) auf fünf Jahre. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO verweist ausschließlich auf die Tatbestände der §§ 370, 378 AO (BFH v. 02.04.2014, VIII R 38/13, BStBl. II 2014, 698). Das strafbare Erschleichen einer Subvention (z. B. EigZul) wird aber nicht von diesen Normen erfasst, sondern von § 264 StGB, sodass § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht im Falle des Subventionsbetrugs eingreift (BFH v. 12.01.2016, IX R 20/15, BStBl II 2017, 21). Auch andere Straftatbestände oder Ordnungswidrigkeiten führen folglich nicht zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, auch nicht die Steuerhehlerei nach § 374 AO. Die Festsetzungsfrist verlängert sich daher nur, soweit die Steuer gem. § 370 AO hinterzogen oder gem. § 378 AO leichtfertig verkürzt worden ist, im Übrigen bleibt es bei der regulären Festsetzungsfrist, sodass einzelne Teilbeträge desselben Steueranspruchs unterschiedlich verjähren können (Teilverjährung; BFH v. 20.11.2012, IX R 30/12, BStBl II 2013, 995 m. w. N.). Die Festsetzung der Steuern nach Ablauf der regelmäßigen Festsetzungsfrist muss der Stpfl. in Kauf nehmen, weil er die nicht rechtzeitige Festsetzung der Steuern verschuldet und folglich insoweit keinen Anspruch auf Rechtssicherheit hat (Drüen in Tipke/Kruse, § 169 AO Rz. 13). Für die Verlängerung der Festsetzungsfrist ist unerheblich, ob die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung durch den Steuerschuldner selbst oder einen Dritten begangen worden ist, § 169 Abs. 2 Satz 3 AO (BFH v. 19.12.2002, IV R 37/01, BStBl II 2003, 385; BFH v. 19.12.2002, IV R 37/01, BStBl II 2003, 385). Es kommt allein darauf an, dass der jeweilige objektive und subjektive Tatbestand des § 370 AO erfüllt ist (BFH v. 02.04.2014, VIII R 38/13, BStBl II 2014, 698; BFH v. 15.11.2017, I B 27/17, BFH/NV 2018, 542). Die Steuerhinterziehung muss vollendet sein. Der bloße Versuch (§§ 22, 23 StGB, § 370 Abs. 2 AO) genügt nicht. Darüber hinaus muss der Täter rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Daher schließen Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungs- bzw. Entschuldigungsgründe die Steuerhinterziehung (und die leichtfertige Steuerverkürzung) aus (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 169 AO Rz. 15). Eine Steuer ist i. S. des § 378 AO leichtfertig verkürzt, wenn der objektive und der subjektive Tatbestand erfüllt sind; leichtfertig bedeutet dabei einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit (s. § 378 AO Rz. 8 ff.). Die Vorschrift setzt dagegen nicht voraus, dass der Steuerschuldner selbst oder die Person, derer er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, die Steuerhinterziehung begangen hat (BFH v. 28.10.2004, VII B 298/03, BFH/NV 2005, 1021; BFH v. 30.03.2005, VII S 13/05, BFH/NV 2005, 1349). § 169 Abs. 2 Satz 2 AO gilt nicht, wenn der Steuerberater bei der Erstellung der ESt-Erklärung den Gewinn leichtfertig fehlerhaft ermittelt, da der Steuerberater mangels eigener Angaben gegenüber dem FA nicht Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO i. V. m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist (BFH v. 29.10.2013, VIII R 27/10, BStBl II 2014, 295). Dem Stpfl. kann das leichtfertige Handeln des Steuerberaters weder nach straf- oder bußgeldrechtlichen noch nach steuerrechtlichen Grundsätzen zugerechnet werden (BFH v. 29.10.2013, VIII R 27/10, BStBl II 2014, 295).

 

Tz. 9a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ob eine Steuerhinterziehung i. S. des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO vorliegt, wird nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften der AO und nicht nach strafprozessualen Grundsätzen entschieden (BFH v...

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