Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 169 AO regelt die Festsetzungsverjährung für Steueransprüche einschließlich der Steuererstattungen und der Steuervergütungen im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AO; s. § 1 AO Rz. 4 ff.). Die Vorschrift gilt unmittelbar für Steuerbescheide. Spezielle Regelungen enthalten §§ 174 Abs. 4 Satz 4, 175 Abs. 1 Satz 2 AO. Darüber hinaus erstreckt sich der Anwendungsbereich auch auf solche Steuerverwaltungsakte, für welche die Vorschriften über die Steuerfestsetzung – dies schließt die §§ 169ff. AO ein – ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärt werden (sog. gleichgestellte Steuerverwaltungsakte bzw. gleichgestellte Bescheide). Danach gelten die §§ 169ff. AO für folgende Bescheide: Freistellungsbescheide (§ 155 Abs. 1 Satz 3 AO), Vergütungsbescheide (§ 155 Abs. 4 AO), Feststellungsbescheide (§ 181 Abs. 1 AO; BFH v. 12.12.2013, IV R 33/10, BFH/NV 2014, 665), Steuermessbescheide (§ 184 Abs. 1 Satz 3 AO), Zerlegungsbescheide (§ 185 AO), Zuteilungsbescheide (§ 190 AO) sowie Bescheide über Investitionszulage (§ 14 InZulG) und Altersvorsorgezulage (§ 83 EStG i. V. m. § 96 EStG), vgl. hierzu auch AEAO Vor §§ 169 bis 171, Nr. 5.

 

Tz. 3a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für sonstige Steuerverwaltungsakte gelten die §§ 169ff. AO nicht, es sei denn, es wird ausdrücklich auf diese Vorschriften verwiesen. Dies gilt insbes. für Haftungsbescheide (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO). Für sie sind die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung gem. § 191 Abs. 3 Satz 1 AO entsprechend anwendbar, allerdings mit den Modifikationen des § 191 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 und Abs. 4 AO. Dies gilt nach § 191 Abs. 3 Satz 1 AO nur für den Erlass, nicht jedoch für dessen Aufhebung oder Änderung (BFH v. 12.08.1997, VII R 107/96 BStBl II 1998, 131; s. § 191 AO Rz. 16).

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bei den Steuererstattungsansprüchen ist zu beachten, dass diese bereits dann entstanden sind, wenn der Tatbestand des § 37 Abs. 2 AO verwirklicht ist (s. § 37 AO Rz. 9). § 169 AO ist für diese Fälle insoweit von Bedeutung, als eine Zahlung auf einem Bescheid beruht. Denn nach § 218 Abs. 1 AO sind die entsprechenden Bescheide Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus Steuerschuldverhältnissen, sodass eine Zahlung grds. so lange nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt ist, als die entsprechenden Bescheide Bestand haben ("formelle Bescheidlage", s. § 37 AO Rz. 9 f.). Ob ein solcher Bescheid aufgehoben oder geändert werden darf, richtet sich nach §§ 129, 172 ff. AO. Eine Aufhebung oder Änderung ist dann unzulässig, wenn die Festsetzungsfrist gem. § 169 AO abgelaufen ist (beachte in diesem Zusammenhang § 171 Abs. 14 AO). Dagegen unterliegt der Erstattungsanspruch selbst nur der Zahlungsverjährung gem. §§ 228ff. AO. Handelt es sich um einen in den Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsanspruch (§ 37 Abs. 1 AO letzter Satzteil, s. § 37 AO Rz. 6 ff.), so bildet die Grundlage für die Verwirklichung dieses Anspruchs nicht ein gesonderter Erstattungsbescheid, sondern ein entsprechender Freistellungsbescheid gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO.

 

Tz. 5

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Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AO gelten die Vorschriften der §§ 169ff. AO für steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) nur, soweit dies besonders bestimmt wird (s. § 1 AO Rz. 21). Dies ist der Fall für Zinsen (§ 239 AO) und Kosten für die besondere Inanspruchnahme von Zollbehörden (§ 178 Abs. 4 Satz 1 AO). Hinsichtlich der Vollstreckungskosten enthält § 346 Abs. 2 AO eine eigenständige Regelung einer Festsetzungsfrist. Keine Anwendung findet § 169 AO auf Säumniszuschläge, weil diese kraft Gesetzes entstehen und keiner Festsetzung bedürfen. Sie unterliegen der Zahlungsverjährung gem. §§ 228ff. AO. Das Gesetz enthält für Verspätungszuschläge (§ 152 AO) und die Festsetzung des Zwangsgeldes (§ 329 AO) keine ausdrückliche Regelung. Der Verspätungszuschlag ist ein Druckmittel eigener Art mit dem Ziel, die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung durchzusetzen. Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen wäre indes ermessensfehlerhaft, wenn die Steuer wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr festgesetzt werden kann. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes ist unzulässig, wenn die Finanzbehörde die zu erzwingende Handlung, Duldung oder Unterlassung nicht mehr fordern kann. Hierzu auch AEAO zu § 169, Nr. 5 und Vor §§ 169 bis 171, Nr. 7.

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Anwendbarkeit der §§ 169ff. AO auf die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern und KiSt richtet sich nach dem Landesrecht. Für einen Katalog der landesrechtlichen Normen, die die AO für anwendbar erklären, s. § 1 AO Rz. 31 f. Zum Teil wird die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über das Straf- und Bußgeldverfahren jedoch ausdrücklich ausgeschlossen, sodass auch die verlängerte Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO (s. Rz. 9) nicht in Betracht kommt.

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