Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Bußgeldvorschrift des § 378 AO verlangt das Vorliegen eines erhöhten Grades von Fahrlässigkeit. Die Verfolgung leichterer Grade fahrlässiger Verhaltensweisen wäre rechtspolitisch nicht wünschenswert und auch nicht praktikabel.

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Fahrlässig verhält sich, wer schuldhaft nicht erkennt, dass sein Tun oder Lassen ursächlich für den Eintritt eines Taterfolges ist, sei es, dass ihm diese Möglichkeit nicht zum Bewusstsein gekommen ist (unbewusste Fahrlässigkeit), sei es, dass er an diese Möglichkeit zwar gedacht, jedoch im Vertrauen darauf gehandelt hat, sie werde nicht Wirklichkeit werden (bewusste Fahrlässigkeit). Ist der Täter seiner inneren Einstellung nach bereit, den Erfolg, wenn er eintreten sollte, billigend in Kauf zu nehmen, wird regelmäßig schon die Schwelle des bedingten Vorsatzes überschritten sein (s. § 370 AO Rz. 52). Häufig besteht die Fahrlässigkeit in einem Irrtum über das Vorhandensein von Merkmalen des gesetzlichen Steuer- oder Straf- bzw. Bußgeldtatbestandes (Tatbestandsirrtum, s. § 11 Abs. 1 OWiG; s. § 377 AO Rz. 12; s. § 370 AO Rz. 57 ff.). Ein solcher Irrtum schließt den Vorsatz aus, lässt aber die fahrlässige Begehung unberührt. Irrte der Täter hingegen – bei Kenntnis der von ihm verwirklichten Tatbestandsmerkmale – über die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens (Verbotsirrtum), so steht dies der vorsätzlichen Begehung nicht entgegen, es sei denn, dass der Irrtum dem Täter nicht "vorzuwerfen" war (unverschuldeter Verbotsirrtum). Beim unverschuldeten Verbotsirrtum kommt eine Ahndung nicht in Betracht (s. § 11 Abs. 2 OWiG; s. § 377 AO Rz. 13).

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Fahrlässigkeit setzt voraus, dass der Täter den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen nach, gemessen am Grad seiner Urteilskraft und seiner Einsichtsfähigkeit, diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, deren er fähig war und bei deren Beachtung der Erfolg nicht eingetreten wäre (BFH v. 25.06.1997, VIII B 35/96, BFH/NV 1998, 8). Dabei sind gegenüber einem Kaufmann bei Obliegenheiten die zu seiner kaufmännischen Tätigkeit gehören, höhere Anforderungen zu stellen als bei anderen Steuerpflichtigen (BFH v. 19.02.2009, II R 49/07, BStBl II 2009, 932). Leichtfertig handelt wer solche Umstände nicht berücksichtigt, die sich ihm aufdrängen mussten (BGH v. 16.12.2009, 1 StR 491/09, BFH/NV 2010, 1071; BFH v. 24.07.2014, V R 44/13, BStBl II 2014, 955: Verstoß gegen beleg- und buchmäßige Nachweispflichten bei § 6a UStG).

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Angesichts der Kompliziertheit der Steuergesetze dürfen die Anforderungen, die an dieSorgfaltspflicht in steuerlichen Angelegenheiten zu stellen sind, weder zu weit noch zu eng gezogen werden. Der Steuerpflichtige muss sich über seine steuerlichen Verpflichtungen unterrichten, die ihn im Rahmen seines Lebenskreises treffen (Erkundigungspflicht: BFH v. 24.04.1996, II R 73/93, BFH/NV 1996, 731; BGH v. 17.12.2014, 1 StR 324/14, wistra 2015, 191: Kaufmann). Überlässt er die Erledigung seiner steuerlichen Obliegenheiten einem Angestellten (z. B. Buchhalter), so muss er sich durch gelegentliche Kontrollen davon überzeugen, ob dieser die einschlägigen Bestimmungen kennt und seine Arbeit gewissenhaft verrichtet (BGH v. 03.06.1954, 3 StR 302/53, BStBl I 1955, 359, 364). In Zweifelsfällen ist Rat von qualifizierter sachkundiger Seite einzuholen (OLG Celle v. 01.10.1997, 22 Ss 198/97, wistra 1998, 196; BFH v. 19.02.2009, II R 49/07, BStBl II 2009, 932; BFH v. 21.04.2016, II B 4/16, BStBl II 2016, 576: auch bezüglich Verfahrenspflichten). Die Zuziehung eines Steuerberaters wird jedenfalls dann genügen, wenn gegen dessen Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen. Der BGH (BGH v. 20.12.1954, 3 StR 833/53, BStBl I 1955, 365) fordert, dass auch Steuerberater im Rahmen des Möglichen zu beaufsichtigen sind, insbes. dahin, dass die dem Auftraggeber zur Unterschrift vorgelegten Steuererklärungen keine Fehler und Irrtümer enthalten. Das geht insofern zu weit, als der Steuerpflichtige den Berater gerade wegen seiner Sachkunde beauftragt hat und ihm nicht zuzumuten ist, ohne besonderen Anlass diesen fachkundigen Rat in Zweifel zu ziehen. Richtig ist allerdings, dass der Steuerpflichtige selbst eher als der Berater in der Lage ist, festzustellen, ob alle relevanten Lebenssachverhalte vollständig und richtig erfasst sind. Bei der Aushändigung von Unterlagen, beispielsweise zur Fertigung des Bücherabschlusses, muss der Berater auf mögliche Zweifel oder Fehlerquellen hingewiesen werden. In die Bilanz oder Steuererklärung eingesetzte Schätzungsbeträge müssen als solche gekennzeichnet werden. Eine unterschriftsreif vorgelegte Erklärung darf nicht blindlings unterzeichnet werden (FG BW v. 22.01.1988, IX K 237/84, EFG 1988, 546). Ein Stpfl. ist aber nicht verpflichtet, die von einem Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen. Er darf vielmehr im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steu...

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