Rz. 107

[Autor/Stand] In allen anderen Fällen ist anhand des objektiv verwirklichten Sachverhalts auf die Freigebigkeit des Schenkers zu schließen. Geschieht dies bei teilunentgeltlichen Geschäften aufgrund von Wertdifferenzen der im Gegenleistungsverhältnis stehenden Leistungen regelmäßig durch Anscheinsbeweis (s. Rz. 113 f.), muss der Wille zur Unentgeltlichkeit bei voll unentgeltlichen Leistungen erst recht vorliegen.[2] Haben die Beteiligten eine Gegenleistung nicht vereinbart,[3] sie ausdrücklich ausgeschlossen[4] oder wird – bei verdeckten Schenkungen –eine Gegenleistung nur "auf dem Papier" verabredet,[5] die vereinbarte Gegenleistung einvernehmlich nicht ausgeführt[6] oder das erbrachte Entgelt wieder erstattet,[7] ist, ebenso wie bei ausdrücklich oder konkludent[8] vereinbarten Schenkungen, davon auszugehen, dass der Schenker die objektive Unentgeltlichkeit seiner Leistung kannte oder sie bewusst herbeiführte. Dies gilt auch bei tatsächlichem Verzicht auf eine übliche Vergütung (s. Rz. 42 f.), entstehende Regress-[9] und/oder Herausgabeansprüche[10] sowie bei jeder Leistung, die in Kenntnis einer nicht bestehenden Leistungspflicht erbracht wird (§ 814 BGB).[11]

 

Rz. 108

[Autor/Stand] Schwierig gestaltet sich die Beurteilung von Zuwendungen, die (angeblich) zur Beilegung oder Vermeidung von Auseinandersetzungen erfolgen. Werden Schenkungen nicht bewusst in die äußere Form eines Vergleichs gekleidet[13] oder Vermögensgegenstände nicht in Erfüllung behaupteter Ausgleichsansprüche[14] oder zur Abgeltung künftiger Eventualansprüche übertragen,[15] wird man die Freigebigkeit verneinen können, wenn die Beteiligten im Wege des gegenseitigen Nachgebens durch Vergleich einen ernsthaft drohenden oder anhängigen Rechtsstreit vermieden oder abgeschlossen haben (s. allerdings Rz. 359).[16] Anders ist zu entscheiden, wenn sie den Bereich der objektiven Ungewissheit ihrer Ansprüche überschreiten oder verlassen.[17]

 

Rz. 109

[Autor/Stand] Beispiele:

  • Der Schuldner billigt eine eindeutig überhöhte Forderung.[19]
  • Ein Gläubiger verzichtet auf Ansprüche ohne Ungewissheit der Sach- und Rechtslage.[20]
  • Ein Vertragspartner begünstigt den/die anderen ohne rechtlich zwingende Gründe durch zusätzliche Leistungen.[21]
  • Gesellschafter erbringen Nachschüsse ohne ausreichende gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlage.[22]
  • Schenkungsteuerbar ist auch die freiwillige Rückgabe eines Geschenks, um der möglichen Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs zuvorzukommen.[23]
  • Besonderes Augenmerk gilt sog. postmortalen Vereinbarungen (z.B. Erbvergleiche, Auslegungsverträge) zwischen erbbeteiligten Personen, wenn und soweit sie hierbei von der Erbrechtslage abweichen.[24]
[Autor/Stand] Autor: Hartmann, Stand: 01.06.2023
[5] OLG Hamm v. 22.4.2020 – 5 Ws 59/20, Rz. 50 (Zitat) – 56, NZWiSt 2020, 482 = AO-StB 2020, 253 (Gehm). Im Urteilsfall zu § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a StGB ging das Gericht von verdeckten Grundstücksschenkungen eines Alleinaktionärs an seine AG aus (Rz. 17, 56).
[7] Beispiele: BFH v. 17.8.2005 – IX R 69/03, BFH/NV 2006, 489; BFH v. 27.10.2005 – IX R 76/03, DB 2006, 429 = EStB 2006, 94 (Siebenhüter); BFH v. 22.10.2013 – X R 14/11, BStBl. II 2014, 158 = EStB 2014, 43 (Formel); s. auch UStAE 10.3 Abs. 1 Satz 1.
[8] Maßgeblich ist die Sicht des Empfängers; so zu Werbegeschenken BGH v. 6.11.2014 – I ZR 26/13, Rz. 14, NJW 2015, 1960.
[9] Vgl. BFH v. 12.7.2000 – II R 26/98, BStBl. II 2000, 598; Hartmann, ErbStB 2008, 9 (unter IV.5. und V.1.).
[10] FG Rh.-Pf. v. 7.10.2021 – 4 K 1274/20, EFG 2022, 278 = ErbStB 2022, 102 (Hartmann).
[Autor/Stand] Autor: Hartmann, Stand: 01.06.2023

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