Rz. 352

[Autor/Stand] Die unter Geschwistern vereinbarte Abfindung für den Verzicht auf künftige Pflichtteilsrechte: Sie wird zwar als Praxis-Beispiel erwähnt.[2] Der BFH wendet jedoch § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an, ohne § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG überhaupt zu erörtern.[3] Jedenfalls bloße Erwerbschancen ohne aktuellen Vermögenswert (s. auch Rz. 345, 404) füllen daher das Tatbestandsmerkmal eines aufschiebend bedingten, betagten, befristeten Anspruchs nicht aus. Beachten Sie: Eine Konkurrenz zu § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG (s. Rz. 261 ff.) droht demnach nicht.

 

Rz. 353

[Autor/Stand] Der entgeltliche Verzicht auf Optionsrechte kann der Fiktion des § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG unterliegen. Dies erörterte der Autor einst ausführlich am Beispiel der Entschädigung für den Verzicht auf ein GmbH-Anteile betreffendes Ankaufsrecht.[5] Verallgemeinernd dürften entsprechende Rechtspositionen, deren Erwerb zwar noch keine steuerbare Bereicherung auslöst (s. Rz. 21), die aber aufgrund ihrer zivilrechtlichen Abtretbarkeit, Verpfändbarkeit und Vererblichkeit als sog. Anwartschaftsrechte qualitativ mehr als bloße Erwerbschancen sind, den tatbestandlich erwähnten Ansprüchen entsprechen.[6] Im Falle ihrer entgeltlichen Verwertung ist daher die Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG sicherlich nicht abwegig.[7]

 

Rz. 354

[Autor/Stand] Dies trifft z.B. auch für Destinatsansprüche zu, deren Erfüllung statutarisch von bestimmten Voraussetzungen abhängig ist und/oder ggf. nur im Ermessen der Stiftungsorgane liegt, für entsprechende Ansprüche von Vereinsmitgliedern und gegenüber Vermögensmassen. Gleiches gilt für sog. Zwischennutzungsrechte, die der II. BFH-Senat im Kontext des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Alt. 2 ErbStG kreierte und als "rechtlich verfestigte Titel" der dort erwähnten Zwischenberechtigten an dem Vermögen von Vermögensmassen und den hieraus erwirtschafteten Erträgnissen umschrieb.[9] § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG kann daher einschlägig sein, wenn Destinatäre aus dem Kreis der Stiftungsberechtigten gegen Abfindung ausscheiden, (lästige?) Vereinsmitglieder für den Austritt belohnt oder aber die genannten Zwischenberechtigten insb. ausländischer Vermögensmassen für den ausdrücklichen Ausschluss ihrer Zwischennutzungsrechte entschädigt werden (s. auch Rz. 334). Will man mit dem BFH die Ausschüttungen von Gesellschaften an ihre Gesellschafter schenkungsteuerlich ebenso behandeln wie Stiftungsleistungen an die Destinatäre,[10] rückt auch die Abfindung ausscheidender Gesellschafter in den Focus (s. auch Rz. 361), jedenfalls soweit damit künftige Gewinnansprüche[11] abgegolten werden. Wird der Gesellschafter einer Personengesellschaft für den mit seinem Austritt einhergehenden Verzicht auf ein durch Anwachsung bedingtes Erwerbsrecht entschädigt, das ihm kraft gesellschaftsvertraglicher Nachfolgeklausel zustand,[12] realisiert er vorzeitig die Bereicherung, die ansonsten von der Schenkungsfiktion des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG erfasst worden wäre.

 

Rz. 355

[Autor/Stand] Kennzeichnend für die in § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG beschriebenen Ansprüche ist die Ungewissheit ihrer Realisierung.[14] Hiervon betroffen sind z.B. auf Grundbesitz gerichtete Erwerbsforderungen, die erst mit dem Eigentumswechsel im Moment der bis dahin ungewissen Umschreibung im Grundbuch erfüllt werden (§ 873 Abs. 1 BGB). Tatbestandsmäßig ist folglich die Entschädigung für die Aufhebung einer Grundstücksschenkung vor Eigentumsumschreibung, zumindest dann, wenn der Bedachte bereits Inhaber eines entsprechenden Anwartschaftsrechts geworden ist.[15] Ein vergleichbarer Schwebezustand kann auch auf Vereinbarungen beruhen, z.B. wenn der Erwerb einer Gesellschaftsbeteiligung auf das Eintragsdatum im Handelsregister terminiert wird,[16] oder durch die Genehmigungsbedürftigkeit des Erwerbs bedingt sein, so z.B. bei Schenkungen an Minderjährige.[17] Einigen sich die Parteien in dieser Phase, d.h. vor – endgültiger[18] – Entstehung des Steueranspruchs, kommt § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG ins Spiel. Die Vorschrift trägt der Tatsache Rechnung, dass die Beteiligten in Ausübung ihrer Vertragsfreiheit mit der Abfindungsvereinbarung ihre schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen ändern können (§ 311 Abs. 1 BGB),[19] indem z.B. der Bedachte/Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung annimmt (§ 364 Abs. 1 BGB) oder der Schenker/Schuldner anstelle der ursprünglich geschuldeten nun eine andere Leistung schuldet (Beispiel: Novation; § 364 Abs. 2 BGB).[20]

 

Rz. 356

[Autor/Stand] Entscheidend beeinflusst der Hinzutritt weiterer Personen die maßgebliche Vertragslage (weiterführend Rz. 169 ff.). Auch bei Abfindungsleistungen Dritter kann daher der Fiktionstatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG greifen.[22] In solchen Fällen ist der Dritte als Abfindungsschuldner neben dem Bedachten gesamtschuldnerisch steuer- – und anzeigepflichtig (§§ 20 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 2 ErbStG);[23] aus seinem Vermögen stammt die als Erwerb geltende Abfindung (s. auch Rz. 349). Man denke z.B. daran, dass sich ein dem Schenker verpflichteter Leist...

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