0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG) v. 14.10.2020 (BGBl. I S. 2115) mit Wirkung zum 20.10.2020 in das SGB V eingefügt. Das PDSG hat mit den neuen Kapiteln 11 und 12 die bisherigen Regelungen zur Telematikinfrastruktur übernommen und umfassend neu strukturiert. Ferner werden sie weiterentwickelt und im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben differenziert ausgestaltet. Im neuen Sechsten Abschnitt werden die Regelungen aus dem bislang geltenden § 291g übernommen und in eine neue Systematik überführt. Dabei werden einzelne Vorschriften zu den Vereinbarungen über technische Verfahren zur konsiliarischen Befundbeurteilung (§ 364), über technische Verfahren zur Videosprechstunde in der vertragsärztlichen (§ 365) und der vertragszahnärztlichen (§ 366) Versorgung sowie über technische Verfahren zu telemedizinischen Konsilien (§ 367) und zum Authentifizierungsverfahren im Rahmen der Videosprechstunde (§ 368) sowie zur Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG; § 369) und die Aufgaben der Schlichtungsstelle (§ 370 neu) gestaltet. Inhaltliche Änderungen ergeben sich aus der neuen Systematik nicht.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Bei der gematik ist eine Schlichtungsstelle eingerichtet (Behörde im funktionellen Sinn; § 319), die von den Vertragsparteien nach §§ 364 bis 368 angerufen werden kann. Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle kann durch einen Antrag eingeleitet werden, wenn eine Vereinbarung nicht fristgerecht abgeschlossen wird. Die Schlichtungsstelle kann angerufen werden, wenn eine neue Vereinbarung nach einer Kündigung nicht geschlossen wird oder ergänzende Regelungen in eine bestehende Vereinbarung nicht aufgenommen werden. Sanktionen bei Fristversäumnissen sind nicht vorgesehen. Die Vorschrift sorgt dafür, dass in den Fällen der §§ 364 bis 368 die dort jeweils vorgesehene Vereinbarung auch dann zügig zustande kommt, wenn sich die Vereinbarungspartner nicht einigen können. Sie sichert damit die Funktionsfähigkeit der telemedizinischen Verfahren (Kania, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 370 Rz. 6).

2 Rechtspraxis

2.1 Entscheidungsvorschlag (Abs. 1)

 

Rz. 3

Das Schlichtungsverfahren ist bei der Schlichtungsstelle der Gesellschaft für Telematik (gematik; § 319) zu beantragen. Damit wird das förmliche Schlichtungsverfahren eingeleitet. Antragsberechtigt sind die in §§ 364 bis 368 genannten Vertragspartner. Der Antrag ist zulässig, wenn eine Vereinbarung (z. B. nach einer Kündigung einer der bestehenden Vereinbarungen) oder eine erforderliche Anpassung oder Ergänzung nicht zustande kommt. Die Schlichtungsstelle entscheidet innerhalb von 4 Wochen, nachdem das Verfahren eingeleitet wurde, und legt einen Entscheidungsvorschlag vor. Das Schlichtungsverfahren ist damit abgeschlossen. Die Frist wird durch den wirksam zugegangenen Antrag ausgelöst (Ereignistag).

2.2 Stellungnahme (Abs. 2)

 

Rz. 4

Die Schlichtungsstelle führt ein förmliches Verwaltungsverfahren nach dem SGB X durch. Innerhalb des Verfahrens haben die Vereinbarungspartner nach den §§ 364 bis 368 und die gematik Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Gelegenheit ist aktiv durch die Schlichtungsstelle einzuräumen. Eine Anhörung (§ 24 SGB X) ist nicht erforderlich. Die Gelegenheit zur Stellungnahme ist einzuräumen, bevor der Entscheidungsvorschlag vorgelegt wird. Eine Fristsetzung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben aber empfehlenswert, damit die Schlichtungsstelle die Vierwochenfrist für den Entscheidungsvorschlag einhalten kann.

2.3 Entscheidung (Abs. 3)

 

Rz. 5

Nachdem der Entscheidungsvorschlag vorliegt, haben die Vertragspartner eine Frist von 2 Wochen, innerhalb der sie die Vereinbarung oder ihre Änderung oder Ergänzung beschließen können. Die Frist beginnt an dem Tag, an dem der Entscheidungsvorschlag den Vertragspartnern zugeht. Ggf. ist der Tag maßgebend, an dem der Entscheidungsvorschlag dem zeitlich letzten Vertragspartner zugeht. Wird die Frist von 2 Wochen versäumt, ohne dass die Vertragspartner eine einvernehmliche Entscheidung treffen, wird eine weitere 2-Wochen-Frist in Gang gesetzt. Innerhalb dieser Frist entscheidet die Schlichtungsstelle anstelle der Vertragspartner. Die Entscheidung der Schlichtungsstelle ist ein Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), gegen den die Adressaten (Vertragspartner) Rechtsschutz in Anspruch nehmen können.

 

Rz. 5a

Die Entscheidung der Schlichtungsstelle ist dem BMG zur Prüfung vorzulegen, das sie in Ausübung der Rechtsaufsicht innerhalb eines Monats beanstanden kann, soweit sie gegen Gesetz oder sonstiges Recht verstößt (§ 322 Abs. 1 und 3). Werden die Beanstandungen nicht innerhalb einer vom BMG gesetzten Frist behoben, kann das BMG anstelle der Schlichtungsstelle entscheiden. Die Entscheidung des BMG ist für die Leistungserbringer sowie die Krankenkassen und ihre Verbände verbindlich (§ 322 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5).

2.4 Verbindlichkeit (Abs. 4)

 

Rz. 6

Die Entscheidung der Schlichtungsstelle ist für die potenziellen Vertragspartner, Leistungserbringer, Krankenkassen und ihre Verbände verbindlich (Satz 1). Die Verbindlichke...

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