Rz. 61

Die Regelung des § 40 Abs. 2 FGO setzt voraus, dass der Kläger geltend macht (Rz. 93ff.), in seinen Rechten verletzt zu sein (Rz. 69ff.). In Ausgestaltung der Grundentscheidung des Art. 19 Abs. 4 GG steht der Rechtsweg zu den FG nur demjenigen offen, der durch die öffentliche Gewalt (in Gestalt der Finanzbehörden) in seinen Rechten verletzt wird. In diesem System des individuellen Rechtsschutzes erfordert die sog. Klagebefugnis i. S. des § 40 Abs. 2 FGO daher für den Zugang zu den FG die subjektive Betroffenheit des Klägers in seinen rechtlich geschützten Interessen.[1] Daher beschränkt sich das Erfordernis der Klagebefugnis auch nicht nur auf die Anrufung der FG für Klageverfahren, sondern muss auch in den Antragsverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in Gestalt der einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO und der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO[2] sowie in der Rechtsmittelinstanz vorliegen.[3]

 

Rz. 62

Das Erfordernis einer besonderen Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO schließt daher zunächst einmal die sog. Insichprozesse der Verwaltung selbst – mit Ausnahme des Sonderfalls des § 40 Abs. 3 FGO (Rz. 109) – aus. Hintergrund ist, dass bei einem Streit zwischen zwei Behörden eines Rechtsträgers der übergeordnete Rechtsträger entscheiden kann und eine Inanspruchnahme nicht erforderlich ist.[4] Daher führt die außergerichtliche Möglichkeit der Streitentscheidung durch Beschluss der Landesregierung oder Weisung des Ministerpräsidenten zur Unzulässigkeit der Klage eines Bundeslandes gegen sein FA.[5] Soweit Art. 19 Abs. 4 GG auf den Schutz von Individualrechten im Außenrechtsverhältnis gegenüber hoheitlichem Handeln gerichtet ist, kann sich der Staat grundsätzlich nicht selbst in seinen subjektiven Rechten verletzen.[6] Sofern der Rechtsträger bzw. die Behörde allerdings selbst von einem Steuerverwaltungsakt als Steuerschuldner betroffen ist und der insoweit betroffene Fiskus den Finanzrechtsweg betritt, handelt es sich nicht um einen unzulässigen Insichprozess.[7]

 

Rz. 63

Darüber hinaus ist auch die Möglichkeit einer sog. Popularklage ausgeschlossen.[8] Es reicht daher nicht aus, wenn jemand sich als von einer hoheitlichen Maßnahme Nichtbetroffener gegen eben diese Maßnahme gerichtlich zur Wehr setzen möchte. Daher ist sowohl eine Popularklage zur Wahrung der Rechte Dritter ausgeschlossen[9], als auch die Klage von Personen, die zwar ein Interesse an den durch den Verwaltungsakt geregelten Beziehungen haben, selbst durch den angefochtenen Verwaltungsakt jedoch nicht in einer Weise betroffen sind, die sich als eine Verletzung eigener Rechte darstellen könnte.[10] Die FG werden daher nicht zur Kontrollinstitution für die Einhaltung der objektiven Steuerrechtsordnung.[11] Es ist zwar die Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen. Diese Verpflichtung besteht aber im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutz der an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis beteiligten Personen, nicht im Interesse nicht beteiligter Dritter. Diese Dritten können daher aus der Verletzung der Verpflichtung keine eigenen Rechte herleiten.[12] Etwas anderes gilt aber im Ergebnis im Zusammenhang mit einem sog. strukturellen Vollzugsdefizit.[13] In einem solchen Fall bewirkt ein struktureller Vollzugsmangel die Verfassungswidrigkeit der sie betreffenden Rechtsnorm und kann dem von dieser Norm ebenfalls belasteten Stpfl. gegen seinen eigenen Steuerverwaltungsakt als eigene Rechtsverletzung geltend gemacht werden.[14] Zu den Besonderheiten bei Konkurrentenklagen siehe Rz. 87.

 

Rz. 64

Für Entscheidungen der Zollbehörden grenzt die Regelung des Art. 44 Abs. 1 Unterabs. 1 UZK den Rechtsschutz in ähnlicher Weise wie § 40 Abs. 2 FGO ein und stellt eine insoweit vorrangige, spezialgesetzliche Regelung dar.[15] Der BFH konnte bisher offenlassen, ob Art. 44 Abs. 1 Unterabs. 1 UZK gegenüber § 40 Abs. 2 FGO weiter gefasst ist, also geringere Anforderungen an die Klagebefugnis stellt. Dies erscheint aber nach überwiegender Auffassung zweifelhaft, weil sich diese Annahme nur mit der Auffassung begründen ließe, dass die "Betroffenheit" i. S. des Art. 44 Abs. 1 Unterabs. 1 UZK nicht notwendigerweise eine rechtliche Betroffenheit sein muss, sondern auch eine wirtschaftliche, ideelle oder sonstige Betroffenheit sein kann.[16]

[3] Für Revisionsverfahren: BFH v. 30.4.2002, X 207/01, BFH/NV 2002, 1313; für Nichtzulassungsbeschwerden: BFH v. 7.1.2002, III B 34/01, BFH/NV 2002, 665; für sofortige Beschwerden: BFH v. 28.3.2007, III B 118/05, BFH/NV 2007, 1336.
[4] Braun, in HHSp, AO/FGO, § 40 FGO Rz. 150 m. w. N.
[5] FG Rheinland-Pfalz v. 27.9.1982, 5 K 113/82, EFG 1983, 295.
[6] V. Beckerath, in Gosch, AO/FGO, § 40 FGO Rz. 129.

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