Rz. 87

Ausnahmsweise kann auch ein Dritter einen (rechtswidrigen) Verwaltungsakt anfechten, der ihm gegenüber gar nicht ergangen und von dem er auch nicht betroffen ist. Allerdings muss der Dritte auch insoweit geltend machen, durch den gegen einen anderen Inhaltsadressat gerichteten Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. In der finanzgerichtlichen Praxis betrifft dies neben der Beseitigung eines Rechtsscheins und der Möglichkeit des Arbeitnehmers, die Lohnsteuer-Anmeldung seines Arbeitgebers aus eigenem Recht anzufechten, soweit sie ihn betrifft[1], vor allem in Wettbewerbssituationen sog. Konkurrentenklagen, in denen der Inhaltsadressat des Verwaltungsakts vermeintlich rechtswidrig durch diesen Verwaltungsakt begünstigt wird und darin zugleich eine vermeintlich rechtswidrige Benachteiligung des Dritten als Mitbewerber zu sehen ist. Insoweit hat der Dritte einerseits substantiiert die Wettbewerbssituation darzustellen und anderseits darzulegen, dass die rechtswidrige Nichtbesteuerung oder zu geringe Besteuerung des mit ihm in Wettbewerb stehenden Stpfl. sein Recht auf Teilnahme an einem steuerrechtlich nicht rechtswidrig zu seinem Nachteil verfälschten Wettbewerb beeinträchtige.[2] Hierfür bedarf es detaillierter Angaben zum Wettbewerbsverhältnis in Bezug auf Kundenkreis und Güterangebot und zu den Auswirkungen einer Nichtbesteuerung oder einer zu geringen Besteuerung wie etwa zu einem Verdrängungseffekt durch günstigere Preise.[3] Das Begehren, anstelle einer Gleichbehandlung eine steuerliche Schlechterstellung des Konkurrenten zu erreichen, soll aber das Fehlen eines Wettbewerbsnachteils indizieren.[4]

Allerdings werden durch die rechtswidrige Nichtbesteuerung oder zu niedrige Besteuerung eines Stpfl. in der Regel nur die Rechte der Steuergläubiger verletzt, die von den Finanzbehörden im Interesse der Allgemeinheit wahrzunehmen sind. Eine Verletzung der Rechte eines an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis nicht beteiligten Dritten kommt deshalb nach der sog. Schutznormtheorie nur in Betracht, wenn die Nichtbesteuerung oder zu niedrige Besteuerung gegen eine Norm verstößt, die nicht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere im öffentlichen Interesse an der gesetzmäßigen Steuererhebung und Sicherung des Steueraufkommens erlassen wurde, sondern – zumindest auch – dem Schutz der Interessen einzelner an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis nicht beteiligter Dritter dient; sog. "drittschützende" Norm.[5] Eine Verletzung lediglich wirtschaftlicher Interessen reicht nicht aus.[6] Drittschützende Normen sind vorrangig solche Vorschriften, die einer wettbewerbsneutralen Besteuerung dienen (Umsatzsteuerbefreiungsvorschriften und Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes). Nach überwiegender Auffassung können auch alle Sozialzweck- oder Lenkungsnormen, deren korrekte Anwendung zur Wahrung der Wettbewerbsfreiheit eines Konkurrenten geboten sind, als potentielle Schutznormen in Betracht kommen.[7] Kann im Streitfall der Dritte eine Rechtsnorm mit drittschützendem Charakter ins Feld führen, ist die Klage zulässig und begründet, wenn das drittschützende Recht tatsächlich verletzt ist. Mit einer Konkurrentenklage kann allerdings nicht erreicht werden, dass die Finanzbehörde eine Billigkeitsmaßnahme gegenüber einem Konkurrenten unterlässt.[8]

 

Rz. 88

Sofern ein Dritter eine Konkurrentenklage wegen der Besteuerung oder Nichtbesteuerung eines Stpfl. erheben will, muss er grundsätzlich die gegen den Stpfl. erlassenen Steuer- bzw. Freistellungsbescheide anfechten und zwar mit dem Ziel einer rechtmäßigen und damit höheren Besteuerung des Konkurrenten. Diese Anfechtungsklage in Gestalt der Abänderungsklage muss der Dritte selbst dann erheben, wenn er nicht weiß, ob schon ein Bescheid gegen den Stpfl. ergangen ist. Ist für einen in der Vergangenheit liegenden Besteuerungszeitraum noch kein Steuerverwaltungsakt ergangen, kann der Dritte unter den Voraussetzungen des § 41 FGO auch Feststellungsklage erheben. Diese erledigt sich jedoch in der Hauptsache, falls vor der Entscheidung über die Klage Steuerbescheide für den betreffenden Zeitraum erlassen werden. Eine Klage mit dem Ziel, eine Finanzbehörde zur Besteuerung einer anderen Person für künftige Zeiträume zu verpflichten, ist schon deshalb unzulässig, weil über die Besteuerung erst nach Verwirklichung des Besteuerungstatbestands entschieden werden darf.[9] Sofern wegen der Nichtbesteuerung des Konkurrenten die Finanzbehörde allerdings einen Steuerbescheid nicht erlassen hat und auch nicht erlassen wird, kann der Dritte – nach Stellung eines Antrags und Durchführung eines Einspruchsverfahrens – eine Verpflichtungsklage erheben.[10] Der Konkurrent wird durch die Konkurrentenklage des Dritten unmittelbar berührt und die Entscheidung kann gegenüber dem Konkurrenten und dem klagenden Mitbewerber nur einheitlich ergehen, so dass der Konkurrent nach § 360 Abs. 3 AO notwendig zum außergerichtliche Einspruchsverfahrens hinzuzuziehen und nach § 60 Abs. 3 ...

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