Zweckbetrieb einer gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft

Entgeltliche Dienstleistungen einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft begründen einen allgemeinen Zweckbetrieb nur dann, wenn die gegenüber ihren Auftraggebern erbrachten Leistungen das ausschließliche Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks sind (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung).

Hintergrund: Arbeitstherapeutische Beschäftigungsgesellschaft

Der Streit geht darum, ob in den Streitjahren 2012/2013 ein Zweckbetrieb vorlag.

Die X-GmbH betreibt ein auf die textile Vollversorgung von Krankenhäusern und Seniorenheimen mit Mietwäsche spezialisiertes Dienstleistungsunternehmen.

In ihrem örtlichen Einzugsbereich betrieb die wegen Förderung des Wohlfahrtswesens als gemeinnützig anerkannte Y-GmbH eine Großwäscherei, in der sie vorwiegend langzeitarbeitslose Menschen und Menschen mit Behinderung beschäftigte. Das FA ging davon, die aus dem Wäschereibetrieb erzielten Gewinne seien steuerbefreit, da die Voraussetzungen eines allgemeinen Zweckbetriebs (§ 65 AO) vorlägen.

Die X-GmbH sah in dem Betrieb der Y-GmbH dagegen einen (steuerpflichtigen) wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und beantragte beim FA, die Y-GmbH als Konkurrentin entsprechend zu besteuern.

Auf die Ablehnung des FA erhob die X-GmbH Konkurrentenklage gegen das FA mit dem Antrag, den Wäschereibetrieb der Y-GmbH als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu besteuern.   

Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, die Zweckbetriebseigenschaft scheitere daran, dass die Y-GmbH in drei aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen jeweils Gewinne erwirtschaftet habe, die ihren Finanzierungsbedarf überstiegen. Zudem führe das enge Zusammenwirken der Y-GmbH mit ihrer gewerblichen Tochtergesellschaft dazu, dass die Gewerblichkeit der Tochtergesellschaft auf die Y-GmbH abfärbe. Hiergegen wandte sich die Y-GmbH (als zum Verfahren Beigeladene) mit der Revision.

Entscheidung: Allgemeiner Zweckbetrieb einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Zum einen schließt die Erzielung von Gewinnen das Vorliegen eines Zweckbetriebs nicht grundsätzlich aus. Zum anderen ergibt sich die Zweckbetriebseigenschaft nicht bereits daraus, dass die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Personen eine Beschäftigungsmöglichkeit bieten.

Zweckbetrieb i.S.v. § 65 AO

Ein Zweckbetrieb setzt insbesondere voraus, dass der Betrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO). Dies verlangt, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb mit den ihn begründenden Tätigkeiten (nicht nur mit den erzielten Einnahmen) unmittelbar der Verwirklichung des steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks dient. Die Feststellung dieser Voraussetzung erfordert eine Gesamtwürdigung anhand des objektiven Charakters der Betätigung (BFH v. 5.8.2010, V R 54/09, BStBl II 2011, S. 191, Rz. 31).

Dreijährige Gewinnerzielung unerheblich

Im Gegensatz hierzu hat das FG die Zweckbetriebseigenschaft allein damit verneint, dass die Y-GmbH in drei aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen erhebliche Gewinne erzielt hat. Es hat sich insoweit dem BMF-Schreiben v. 6.12.2017 (BStBl I 2017, S. 1603, bzw. AEAO § 66 Nr. 2) angeschlossen. Die BMF-Auffassung bezieht sich jedoch auf Zweckbetriebe der Wohlfahrtspflege nach § 66 AO und auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Wohlfahrtspflege "nicht des Erwerbs wegen" (§ 66 Abs. 2 Satz 1 AO) ausgeübt wird. Die Einschränkung des § 66 Abs. 2 AO ("nicht des Erwerbs wegen") betrifft damit nicht die allgemeine Definition des Zweckbetriebs nach § 65 AO. Ein nach § 65 Nr. 1 AO schädliches Gewinnstreben ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn die Erfüllung der steuerbegünstigten Satzungszwecke gegenüber der Gewinnerzielungsabsicht in den Hintergrund tritt. Eine Gewinnerzielung in drei aufeinanderfolgenden Jahren reicht dafür nicht aus.

Allgemeiner Zweckbetrieb

Erfüllt sonach eine arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft mit ihren Tätigkeiten nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i.S.v. §§ 66, 68 AO, kann gleichwohl ein allgemeiner Zweckbetrieb i.S.v. 65 AO vorliegen (BFH v. 21.9.2016, V R 50/15, BStBl II 2017, S. 1173, Rz. 44). Allerdings ergibt sich diese Zweckbetriebseigenschaft nicht bereits daraus, dass arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Personen eine Beschäftigungsmöglichkeit geboten wird (BFH v. 26.4.1995. I R 35/93. BStBl II 1995, S. 767, Rz. 24). Vielmehr sind die Voraussetzungen des § 65 AO im Einzelnen eingehend zu prüfen.

Zurückverweisung an das FG

Der BFH verwies die Sache zur Prüfung der Voraussetzungen des § 65 AO an das FG zurück. Bei Lohnaufträgen einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft wird ein Zweckbetrieb nur dann begründet, wenn die gegenüber den Auftraggebern erbrachten Leistungen das ausschließliche Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks sind (BFH v. 13.6.2012, I R 71/11, BFH/NV 2013, S. 89, Rz. 17). Dies schließt es zwar nicht aus, dass die Beschäftigungsgesellschaft auch nicht förderungsbedürftige Mitarbeiter einsetzt. Dies gilt jedoch nur, soweit dieser Einsatz zum Erreichen der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (zur Ausbildung, Anleitung oder Beaufsichtigung der förderungsbedürftigen Mitarbeiter). Ein unvermeidbarer Wettbewerb i.S. von § 65 Nr. 3 AO liegt nicht mehr vor, wenn die Marktteilnahme den für die Integrationsarbeit notwendigen Umfang überschreitet (BFH v. 13.6.2012, I R 71/11, BFH/NV 2013, S. 89, Rz. 17).

Hinweis: Zulässige Konkurrentenklage

Mit der negativen (defensiven) Konkurrentenklage macht der Steuerpflichtige geltend, sein Wettbewerber werde zu niedrig besteuert. Zur Vorbereitung der Klage steht ihm ein Auskunftsanspruch gegen das FA hinsichtlich der Besteuerung des Konkurrenten zu. Für die Zulässigkeit der Konkurrentenklage (Klagebefugnis) hat der Kläger nicht nur das Konkurrenzverhältnis schlüssig darzulegen, sondern auch die Wettbewerbsrelevanz der Nichtbesteuerung. Dazu sind detaillierte Angaben zum Wettbewerbsverhältnis (gleicher Kundenkreis, gleichartiges Güterangebot) und zu den Auswirkungen der Nichtbesteuerung auf das Wettbewerbsverhältnis (z.B. Verdrängungseffekte durch günstigere Preise) erforderlich. Die X-GmbH hat dazu vorgetragen, sie und die Y-GmbH erbrächten die gleichen Leistungen und die Y-GmbH habe ihr, der X-GmbH, Kunden abwerben können, da sie wegen der steuerlichen Begünstigung niedrigere Preise anbieten könne.

BFH Urteil vom 18.08.2022 - V R 49/19 (veröffentlicht am 26.01.2023)

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Schlagworte zum Thema:  Abgabenordnung, Gemeinnützigkeit