Rz. 21

Eine fehlerfreie Ermessensentscheidung setzt voraus, dass das FA seiner Pflicht zur einwandfreien und erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung und zur Auswertung des bekannten bzw. erkennbaren Sachverhalts nachgekommen ist. Dabei ist jedoch festzuhalten, dass sich diese Pflicht nur auf den Sachverhalt bezieht, der die eigentliche Ermessensentscheidung betrifft (z. B. ob und in welcher Höhe ein Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird), nicht jedoch auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermessensvorschrift (z. B. die Pflichtverletzung bei Haftungsinanspruchnahme). Maßgebend sind dabei die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art, die nach dem Sinn und Zweck der Ermessensvorschrift zu berücksichtigen wären.[1] Eine sachgerechte Entscheidung kann von der Behörde nur getroffen werden, wenn sie ihrer Entscheidung einen zutreffenden Sachverhalt zugrunde legt. Ist die Behörde bei der gerichtlich zu überprüfenden Ermessensentscheidung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, kann vom Wesen der Ermessensentscheidung her nicht ausgeschlossen werden, dass sie bei Zugrundelegung des richtigen Sachverhalts zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Das Gleiche gilt, wenn der zugrunde gelegte Sachverhalt zwar nicht unrichtig, aber hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit unvollständig war.[2] Denn eine sachgerechte Ermessensentscheidung kann nur erfolgen, wenn alle für die Entscheidungsfindung erforderlichen Umstände dem Entscheidenden im Zeitpunkt der Ermessensentscheidung bekannt sind. Daraus folgt, dass es für die Überprüfung durch das Gericht auf den zum Zeitpunkt der maßgeblichen behördlichen Ermessensentscheidung bekannten Sachverhalt ankommt.[3] Später hinzugetretene Umstände sind grundsätzlich unbeachtlich. Regelmäßig ist der Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung maßgeblich, es sei denn, die Ermessensentscheidung ist vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht der Einspruchsbehörde übertragen. In diesen Fällen kommt es auf die Umstände zum Zeitpunkt der originären Ermessensentscheidung an. Eine Ausnahme besteht dann, wenn im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung eine Einspruchsentscheidung noch nicht ergangen ist. Dann sind auch wesentliche geänderte Umstände, die erst im Einspruchsverfahren eingetreten sind, zu berücksichtigen.[4] Die Ermittlungspflicht des FA ist allerdings begrenzt, wenn der Stpfl. seine Mitwirkungspflicht verletzt.[5]

 

Rz. 22

Das Gericht hat daher regelmäßig den Sachverhalt zu ermitteln, wie er bekannt bzw. erkennbar war, und mit dem Sachverhalt, den die Behörde im Zeitpunkt ihrer Ermessensentscheidung zugrunde gelegt hat, zu vergleichen.[6] Stellt sich heraus, dass die Behörde ihrer Entscheidung auf der Ebene der Rechtsfolgenseite der Ermessensvorschrift einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, ist der Verwaltungsakt als ermessensfehlerhaft aufzuheben. Dabei hat die Behörde bei Änderung der Sach- und Rechtslage schon im Einspruchsverfahren ggf. eine neue Ermessensentscheidung zu treffen.[7] Lediglich wenn sich herausstellt, dass auch bei Zugrundelegung des zutreffenden und vollständigen Sachverhalts nur der von der Behörde erlassene und mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null rechtmäßig gewesen wäre, ist die Klage trotz Vorliegens eines Ermessensfehlers abzuweisen. Allerdings ist das Gericht im Ermessensbereich selbst grundsätzlich nicht zur Tatsachenermittlung befugt.[8] Es genügt für das Gericht, wenn es auf der Ebene der Rechtsfolgenseite feststellt, dass der Sachverhalt, den die Behörde ihren Ermessenserwägungen zugrunde gelegt hatte, unrichtig oder unvollständig war.

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