Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsbescheid: kein Ermessensfehler bei mangelnder Sachverhaltsermittlung hinsichtlich der Höhe der Haftungssumme

 

Leitsatz (NV)

Das FG ist nicht berechtigt, einen angefochtenen Haftungsbescheid gegen den Erwerber eines Teilbetriebes allein deshalb als ermessensfehlerhaft aufzuheben, weil es den Sachverhalt hinsichtlich der Höhe der Haftungssumme (auf den erworbenen Teilbetrieb entfallende Steuern des Veräußerers) durch das FA als nicht hinreichend aufgeklärt ansieht.

 

Normenkette

AO 1977 § 75 Abs. 1, § 191 Abs. 1; FGO § 100 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 102

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Jahre 1991 von dem Unternehmer G, der mehrere Imbißbetriebe unterhielt, einen Imbißstand mit den darin befindlichen Maschinen, Betriebs- und Einrichtungsgegenständen sowie Warenvorräten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) nahm den Kläger als Erwerber eines Teilbetriebes gemäß § 75 der Abgabenordnung (AO 1977) für rückständige Betriebssteuern und Steuerabzugsbeträge des Ver äußerers (Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer 1990 und 1991) in Anspruch. Die auf den erworbenen Teilbetrieb entfallenden Steuern ermittelte das FA im Wege der Schätzung (Aufteilung) anhand der für den Gesamtbetrieb des G angmeldeten Lohnsteuer und Umsatzsteuer nach dem Verhältnis der in den einzelnen Haftungszeiträumen vorhandenen Anzahl der Geschäftslokale.

Der Einspruch gegen den Haftungsbescheid, mit dem der Kläger sich gegen die Annahme einer (Teil-)Betriebsübereignung wandte, führte lediglich zu einer Herabsetzung der Haftungssumme (5 900 DM), da G die Steuern zwischenzeitlich zum Teil getilgt hatte. Auf die Klage des Klägers hob das Finanzgericht (FG) den Haftungsbescheid wegen fehlerhafter Ermessensausübung mit folgender Begründung auf:

Eine fehlerfreie Ermessensausübung setze voraus, daß das FA den entscheidungserheblichen Sachverhalt umfassend und einwandfrei ermittele. Mangelnde Sachverhaltsermittlung führe zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung. Das FA habe im Streitfall wegen unzureichender Sachverhaltsermittlung bei der Berechnung der Höhe der Haftungssumme ermessensfehlerhaft gehandelt. Es sei seiner Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung insoweit nicht nachgekommen, als es ohne weitere Ermittlungen die auf den in Rede stehenden Teilbetrieb gründenden Steuern anhand der für den Gesamtbetrieb angemeldeten Steuern geschätzt habe.

Die bloße Heranziehung der für den gesamten Imbißbetrieb des G abgegebenen Steuer anmeldungen genüge zur erforderlichen Aufklärung des Sachverhalts nicht. Zum einen ordne § 75 AO 1977 die Haftung eines Betriebsübernehmers ausdrücklich nur für die Steuern an, die auf den Betrieb des übernommenen Unternehmens bzw. Teilbetriebs gründeten. Zum anderen seien Art und Umfang der auf den Betrieb gründenden Steuern in der Regel der Kenntnis des Übernehmers entzogen. Darüber hinaus sei gemäß § 162 AO 1977 ohnehin eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen nur dann zulässig, wenn Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder berechnet werden könnten. Das FA hätte zur weiteren Sachverhaltsaufklärung sowohl auf Erkenntnisse aus der bei dem Steuerpflichtigen G durchgeführten Steuerfahndungsprüfung als auch auf Erkenntnisse aus dem zum Zeitpunkt der Inhaftungnahme des Klägers bereits abgeschlossenen Strafverfahren gegen den Steuerpflichtigen zurückgreifen können und müssen. Wegen der Begründung im übrigen wird auf den Urteilsabdruck in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 791 Bezug genommen.

Mit der Revision macht das FA im wesentlichen geltend, die Vorentscheidung verkenne die Vorschrift des § 191 Abs. 1 AO 1977, wonach der Erlaß eines Haftungsbescheides in das Ermessen der Behörde gestellt sei. Die Vorschrift setze voraus, daß ein gesetzlicher Haftungsanspruch bestehe. Ob das der Fall sei, hänge allein von der Verwirklichung des Haftungstatbestandes ab. Nur die Frage, ob der Anspruch auch geltend gemacht werden solle, unterliege der Disposition der Behörde. Das hierfür in § 191 AO 1977 eingeräumte Ermessen erschöpfe sich in der Frage, ob eine bestimmte Person als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden solle (Entschließungsermessen); ein Auswahlermessen komme hier nicht in Betracht.

Im Streitfall habe das FA fehlerfrei von seinem Entschließungsermessen Gebrauch gemacht. Mit seiner Auffassung, daß der Haftungsbescheid wegen mangelnder Sachverhaltsermittlung bei der Berechnung der Haftungssumme ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig sei, habe das FG die Berechnung der Haftungssumme fehlerhaft in die vom FA zu treffende Ermessensentscheidung hineingezogen, obwohl die Berechnung der Haftungssumme nicht im Ermessen der Behörde liege. Bei Fehlern im Bereich der Höhe der Haftungssumme komme keine Aufhebung, sondern nur eine Änderung des Bescheids nach § 130 AO 1977 in Betracht.

Im übrigen liege der Auffassung des FG, daß das FA zu weiteren Sachverhaltsaufklärungen bezüglich der Berechnung der Haftungssumme auf den Steuerfahndungsbericht und das Strafurteil gegen den Veräußerer hätte zurückgreifen müssen, eine fehlerhafte Auslegung des § 88 AO 1977 zugrunde. Diese Vorschrift verlange nur notwendige und taugliche Ermittlungsmaßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung. Für die Ermittlung der Haftungssumme habe hier die Steuer, die auf den erworbenen Teilbetrieb entfalle, nur im Wege der Schätzung ermittelt werden können. Denn auch aus dem Strafurteil und den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle hätten sich nur Gesamtumsätze und Gesamtsteuern ergeben, die hier der weiteren Aufteilung bedurften. Vom Kläger und auch von dem Veräußerer hätten Anhaltspunkte für eine andere Aufteilung der auf die einzelnen Grillbetriebe entfallenden Steuern nicht erlangt werden können.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Aufhebung des Haftungsbescheides sei schon deshalb geboten, weil der Haftungstatbestand gemäß § 75 AO 1977 mangels Fortführung eines erworbenen lebenden Betriebes nicht erfüllt sei; denn der erworbene Teilbetrieb sei stillgelegt und nicht mehr lebensfähig gewesen. Zudem sei die vom FA vorgenommene Schätzung der darauf entfallenden Steuern willkürlich. Es sei kein Problem gewesen, über den Steuerschuldner und seinen Geschäftsführer zu ermitteln, welche Umsätze durchschnittlich in welchem (Teil-) Betrieb getätigt wurden und welche Arbeitnehmer wo beschäftigt gewesen seien. Nach der Inhaftierung des Veräußerers seien die monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen für die einzelnen Imbißbetriebe spezifiziert abgegeben worden, so daß daraus rückwirkend Schlüsse für die hier notwendige Aufteilung gezogen werden könnten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG war nicht berechtigt, den angefochtenen Haftungsbescheid wegen der von ihm angenommenen mangelnden Sachverhaltsermittlung des FA zur Höhe der Haftungssumme in vollem Umfang als ermessensfehlerhaft aufzuheben.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Entscheidung darüber, ob der Kläger als Erwerber eines Teilbetriebes bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 75 AO 1977 gemäß § 191 Abs. 1 AO 1977 als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen sei, eine Ermessensentscheidung ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach § 102 FGO darauf zu überprüfen, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners zweigliedrig (vgl. Urteile vom 13. April 1978 V R 109/75, BFHE 125, 126, BStBl II 1978, 508, und vom 4. Oktober 1988 VII R 53/85, BFH/NV 1989, 274, 275). Das FA hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO 1977 zu treffende Ermessensentscheidung des FA an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar.

Nach § 75 Abs. 1 AO 1977 haftet der Erwerber eines Unternehmens oder eines in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes (Teilbetriebes) für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens (Teilbetriebes) gründet und für Steuerabzugsbeträge, vorausgesetzt, daß die Steuern innerhalb eines bestimmten Zeitraums -- der hier nicht problematisch ist -- entstanden sind und festgesetzt oder angemeldet werden. Die Haftungssumme beschränkt sich also im Streitfall auf die Höhe der rückständigen Betriebssteuern und Steuerabzugsbeträge des Veräußerers G (hier Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer 1990 und 1991), soweit diese auf den vom Kläger erworbenen Imbißstand als Teilbetrieb i. S. des § 75 AO 1977 entfallen. Die Höhe der Haftungssumme, die das FA im Wege der Schätzung auf der Grundlage der für das Gesamtunternehmen des Veräußerers G angemeldeten Umsatzsteuer und Steuerabzugsbeträge und der Anzahl der Geschäftslokale ermittelt hat, worin das FG eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung sieht, gehört demnach -- wie die Revision zutreffend ausführt -- zu dem gerichtlich uneingeschränkt überprüfbaren Haftungstatbestand (§ 75 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) und ist nicht Gegenstand der Ermessensentscheidung des FA nach § 191 Abs. 1 AO 1977.

In Rechtsprechung und Schrifttum ist indes anerkannt, daß eine Ermessensentscheidung nur dann als rechtmäßig angesehen werden kann, wenn das FA den entscheidungserheblichen Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt hat. Daraus folgt umgekehrt, daß die Ermessensentscheidung fehlerhaft ist, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art, die nach dem Sinn und Zweck der Ermessensvorschrift zu berücksichtigen wären, außer acht läßt (Senatsurteile vom 1. Juli 1981 VII R 84/80, BFHE 134, 79, 86, BStBl II 1981, 740; in BFH/NV 1989, 274, 275, m. w. N., und vom 25. Juli 1989 VII R 54/86, BFHE 157, 467, BStBl II 1990, 284, 285; ebenso Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 191 AO 1977 Tz. 7). Die im Rahmen der Haftung nach § 191 Abs. 1 AO 1977 zu treffende Ermessensentscheidung ist nach den vorstehenden Grundsätzen wegen nicht ausreichender Ermittlung bzw. Berücksichtigung des zutreffenden Sachverhalts zum Teil auch in solchen Fällen als fehlerhaft angesehen worden, in denen das Ermittlungsdefizit nicht nur Fragen des Entschließungs- oder Auswahlermessens der Behörde im engeren Sinne betraf, sondern sich auf bestimmte Tatbestandsmerkmale der Haftungsvorschrift bezog. So ist insbesondere bei der Haftung des Geschäftsführers nach § 69 AO 1977 (§ 109 der Reichsabgabenordnung) die Berücksichtigung des zutreffenden Verschuldensgrades verlangt worden, weil dieser für die Ermessensentscheidung von Bedeutung sei und die Ermessensausübung von einem schweren Verschulden in gewisser Weise vorgeprägt werden könne (BFHE 125, 126, BStBl II 1978, 508). Ferner ist z. B. nach der Rechtsprechung des Senats bei der Ausübung des Entschließungsermessens auch zu berücksichtigen, ob die Steuer, für die der Steuerhinterzieher haftet (§ 71 AO 1977), erlassen werden kann oder gar muß (BFHE 157, 467, BStBl II 1990, 284, 285); wegen sonst denkbarer Fehler bei der Ausübung des Entschließungsermessens, die auf der Nichtberücksichtigung tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte beruhen, wird auf die Rechtsprechungsbeispiele bei Tipke/Kruse (a. a. O., § 191 AO 1977 Tz. 7 a) hingewiesen. Aus der vorstehend angeführten Rechtsprechung ergibt sich aber, daß Merkmale des Haftungstatbestandes -- ebenso wie außertatbestandliche Gesichtspunkte -- bei der Ermessensentscheidung nach § 191 Abs. 1 AO 1977 nur dann berücksichtigt werden müssen und demgemäß für diesen Zweck einwandfrei und erschöpfend zu ermitteln sind, wenn sie nach dem Sinn und Zweck der Ermessensvorschrift für die Ermessensausübung von Bedeutung sind (vgl. insoweit auch BFH-Urteil vom 23. Mai 1985 V R 124/79, BFHE 143, 512, BStBl II 1985, 489, 490, hier: Berücksichtigung einer Erlaß- oder Stundungssituation hinsichtlich verspätet gezahlter Steuerschulden für die Ermessensentscheidung über den Erlaß von Säumniszuschlägen).

Das FG hat den angefochtenen Haftungsbescheid wegen fehlerhafter Ausübung des hier allein in Betracht kommenden Entschließungsermessens (§ 191 Abs. 1 AO 1977) mit der Begründung aufgehoben, daß das FA den Sachverhalt hinsichtlich der Höhe der Steuerschulden und Steuerabzugsbeträge, die auf den vom Kläger erworbenen Teilbetrieb entfallen (Haftungssumme) nicht ausreichend aufgeklärt habe; es hat die Schätzung der Haftungssumme durch das FA als nicht ausreichend und daher unzulässig angesehen. Aus der Vorentscheidung geht aber nicht hervor, aus welchen Gründen die genaue Ermittlung der Höhe der Haftungssumme für die Ausübung des Entschließungsermessens durch das FA, den Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, nach dem Sinn und Zweck der Ermessensnorm maßgeblich sein soll. Der Senat vermag auch von sich aus und aus den Revisionsvorbringen der Beteiligten einen Einfluß der Höhe der Haftungssumme auf die Ermessensentscheidung des FA, den Kläger als Betriebsübernehmer nach § 75 AO 1977 für den jeweiligen -- hier vom FA im Wege der Schätzung ermittelten -- Haftungsbetrag in Anspruch zu nehmen, nicht zu erkennen. Es ist deshalb davon auszugehen, daß das FA sein Entschließungsermessen, einen Haftungsbescheid gegen den Kläger zu erlassen, nicht von der Höhe der Haftungssumme abhängig gemacht und damit auch den Fall einbezogen hat, daß sich die Schätzung der Haftungssumme als überhöht erweisen und im gerichtlichen Verfahren der Haftungsbetrag herabzusetzen sein sollte. Das gilt jedenfalls innerhalb des finanziellen Rahmens, in dem sich die hier streitige Haftungssumme bewegt, die im Einspruchsverfahren von ursprünglich ca. 16 000 DM auf nunmehr 5 900 DM herabgesetzt worden ist. Die aus der Sicht des FG unzureichende Ermittlung der Haftungssumme hatte somit auf die Ermessensentscheidung des FA keinen Einfluß; sie rechtfertigte jedenfalls nicht die Aufhebung des Haftungsbescheids in vollem Umfang wegen fehlerhafter Ermessensausübung.

2. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das FG konnte aus seiner rechtlichen Sicht unentschieden lassen, ob der Kläger den Haftungstatbestand der Teilbetriebsübernahme nach § 75 AO 1977 tatsächlich erfüllt hat. Insbesondere hat es eine tatsächliche und rechtliche Würdigung der zwischen den Beteiligten streitigen Frage unterlassen, ob der Kläger einen lebenden bzw. selbständig lebensfähigen Betrieb erworben hat. Das FG wird auf der Grundlage der von ihm nachzuholenden Feststellungen zunächst darüber zu entscheiden haben, ob der vom FA angenommene Haftungstatbestand in der Person des Klägers erfüllt ist. Für den Fall, daß der Kläger dem Grunde nach als Betriebsübernehmer nach § 75 AO 1977 haftet, ist die vom FA getroffene Ermessensentscheidung -- wie ausgeführt -- rechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat dann lediglich noch über die Höhe der Haftungssumme zu entscheiden. Dabei wird es auch unter Berücksichtigung und tatsächlicher Würdigung des neuen Vorbringens der Beteiligten zu prüfen haben, ob die rückständigen Betriebssteuern und Steuerabzugsbeträge des Veräußerers sachgerechter auf die einzelnen Teilbetriebe (Geschäftslokale) aufgeteilt werden können, als es die -- rechtlich grundsätzlich zulässige -- Schätzung des FA (§ 162 Abs. 1 AO 1977) vermocht hat. Da eine Kassation des angefochtenen Verwaltungsakts ohne Sachentscheidung nach § 100 Abs. 3 FGO wegen Zeitablaufs nicht mehr möglich ist (§ 100 Abs. 3 Satz 5 FGO), hat das FG eine etwa erforderliche weitere Sachaufklärung zur Höhe der Haftungssumme selbst vorzunehmen. Bei dem angefochtenen Haftungsbescheid i. d. F. der Einspruchsentscheidung, der einen Geldbetrag festsetzt, kommt im Streitfall nach § 100 Abs. 2 FGO nur eine Herabsetzung der Haftungssumme -- teilweise Zurücknahme des Haftungsbescheids (§ 130 Abs. 1 AO 1977) --, nicht aber (allein wegen der Fehlerhaftigkeit des Haftungsbetrages) seine Aufhebung in vollem Umfang gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 1994 VI R 120/92, BFHE 174, 89, BStBl II 1994, 536, auch zur Frage der Schätzungsbefugnis der Besteuerungsgrundlagen).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422004

BFH/NV 1997, 386

ZKF 1998, 18

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