3.1 Grundlagen

 

Rz. 6

Im Geschäftsverkehr erfolgen Zahlungen überwiegend bargeldlos über Konten der Kreditinstitute. Dies gilt insbesondere auch für Gehalts- oder Lohnzahlungen. Nach § 835 Abs. 3 S. 2 ZPO,[1] der durch die Verweisung in § 314 Abs. 3 AO auch für das Vollstreckungsrecht nach der AO gilt, darf das Kreditinstitut aus dem gepfändeten Guthaben erst 4 Wochen nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses (s. Rz. 4) leisten.[2] Diese zeitliche Verzögerung der Leistungspflicht erweitert den Schutz des Schuldners. Hierdurch hat der Vollstreckungsschuldner Gelegenheit, die erforderliche Kontenfreigabe zu erreichen, um die für den Lebensunterhalt erforderlichen Beträge zu sichern.[3] Allerdings gilt seit 2012, dass der Schutz nur dann gegeben ist, wenn es sich um ein Pfändungsschutzkonto handelt[4]

[1] Hierzu Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 835 ZPO Rz. 15.
[2] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 314 AO Rz. 10.
[3] S. Kommentierung bei Dißars, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, zu § 319 AO; Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 314 AO Rz. 36.
[4] Loose, Tipke/Kruse, AO/FGO; § 314 AO Rz. 11; Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 314 Rz. 5.

3.2 Voraussetzungen

 

Rz. 7

Der Vollstreckungsschuldner[1] muss eine natürliche Person sein. Nur diese ist als schutzwürdig anzusehen.[2] Damit gilt § 314 Abs. 3 AO nicht für juristische Personen, aber auch nicht für Personengesellschaften.[3]

 

Rz. 8

Der Drittschuldner der gepfändeten Forderung muss ein Kreditinstitut sein. Kreditinstitute sind "Kreditinstitute" i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 1 KWG.[4] Dies sind Unternehmen, die in kaufmännischer Weise Bankgeschäfte[5] betreiben. Hierzu zählt u. a. das "Einlagengeschäft"[6], nämlich die Annahme fremder Gelder als verzinsliche oder unverzinsliche Einlagen, und das "Girogeschäft"[7], nämlich die Durchführung des bargeldlosen Zahlungs- und Abrechnungsverkehrs. Erfasst werden also alle Banken und Sparkassen unabhängig von der Rechtsform und Größe des jeweiligen Kreditinstituts.[8]

 

Rz. 9

Beim Drittschuldner muss zudem eine Forderungspfändung[9] erfolgt sein. Diese Pfändung muss ein Guthaben bei dem Kreditinstitut betreffen. Guthaben i. d. S. ist jede Geldforderung des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner. Die Art des der Forderung zugrunde liegenden Bankgeschäfts (s. Rz. 8) ist unerheblich.[10] Geschützt wird auch ein einmaliger Zahlungseingang.[11]

 

Rz. 10

Die Einziehungsverfügung (s. Rz. 2) für das gepfändete Guthaben muss schließlich ergangen sein, d. h. sie muss bekannt gegeben worden sein.

[2] Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 835 ZPO Rz. 10.
[3] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 314 AO Rz. 8.
[4] BGBl I 2002, 2010.
[8] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 314 AO Rz. 37.
[10] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 314 Rz. 3; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 314 AO Rz. 9.
[11] Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 835 ZPO Rz. 1ff.

3.3 Auswirkungen

 

Rz. 11

Die allgemeinen Wirkungen der Pfändungsverfügung, vornehmlich das Verbot, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen[1], bleiben unberührt. § 314 Abs. 3 AO betrifft nur die Einziehungsverfügung.

 

Rz. 12

Aufgrund der Einziehungsverfügung kann die Vollstreckungsbehörde[2] die Zahlung der gepfändeten Forderung verlangen (s. Rz. 5). Der Drittschuldner muss die Leistung erbringen.[3] § 835 Abs. 3 S. 2 ZPO bringt hier lediglich ein zeitliches Leistungsverbot (s. Rz. 6). Der Drittschuldner darf in diesem Fall bei Vorliegen der Voraussetzungen erst nach 4 Wochen, nachdem ihm die Einziehungsverfügung zugestellt worden ist (s. Rz. 4), an die Vollstreckungsbehörde leisten oder den Betrag hinterlegen. Für die Dauer dieser Sperrfrist ist die nach § 315 Abs. 1 S. 3 AO für die Einziehungsverfügung geltende Wirksamkeitsvermutung beseitigt.[4] Das in § 835 Abs. 3 S. 2 ZPO ausgesprochene Verbot hat zur Folge, dass während der Sperrfrist erbrachte Leistungen nicht schuldbefreiend wirken[5], wenn die Einziehungsverfügung nachträglich aufgehoben wird.[6] Das Kreditinstitut kann zudem nach § 823 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig sein, wenn es die Sperrwirkung nach dem Antrag des Schuldners auf Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos[7] unbeachtet lässt.

 

Rz. 12a

§ 314 Abs. 4 AO normiert eine entsprechende Anwendung des § 835 Abs. 4 ZPO (bis 1.12.2021: Abs. 4) in Fällen, in denen die Einziehung einer nicht wiederkehrenden Vergütung eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, für persönliche Dienste oder Arbeiten oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitslohn sind, angeordnet wird.[8] § 835 Abs. 4 ZPO soll sicherstellen, dass der Schuldner rechtzeitig einen Schutzantrag nach § 850i ZPO stellen kann. Diese Bestimmung gewährt Pfändungsschutz bei sonstigen Einkünften. Damit dieser gewährleistet ist, wird in § 835 Abs. 4 ZPO eine Frist von einem Monat normiert, bevor der Drittschuldner den gepfändeten Betrag dem Gläubiger überweisen darf.[9]

[1] Arrestatorium; s. Kommentierung bei Dißars, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO zu § 309 AO.
[3] S. Ko...

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