Rz. 29

Die Vorschrift ordnet die Verlängerung der Festsetzungsfrist nur bei Steuerhinterziehung, § 370 AO, und leichtfertiger Steuerverkürzung, § 378 AO, an. Eine Steuerhinterziehung bzw. leichtfertige Steuerverkürzung kann auch darin liegen, dass die Pflicht zur Berichtigung der Steuererklärung nach § 153 AO oder zur Anzeige von veränderten Verhältnissen in Kindergeldsachen nach § 68 Abs. 1 EStG verletzt wird.[1] Andere Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten als Steuerhinterziehung und leichtfertige Steuerverkürzung führen nicht zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist.[2] Bei allen anderen Straftatbeständen, seien sie steuerrechtlicher, seien sie allgemein-strafrechtlicher Natur, greift die Verlängerung der Festsetzungsfrist daher nicht ein. Das gilt auch für den Tatbestand des Subventionsbetrugs, § 264 StGB, insbesondere das Erschleichen von InvZul[3] und der Eigenheimzulage.[4] Die Rechtsprechung[5] hatte ursprünglich auch bei Subventionsbetrug (Erschleichen von InvZul) die Verlängerung der Festsetzungsfrist eingreifen lassen und dies damit begründet, dass in den Investitionszulagengesetzen[6] ebenso wie im ausgelaufenen Eigenheimzulagengesetz die Vorschriften der AO über die Steuerfestsetzung (und damit auch für die Festsetzungsfrist) für entsprechend anwendbar erklärt worden seien; damit sei die Verlängerung der Festsetzungsfrist ebenfalls entsprechend anwendbar. Dieser Begründung war aber nicht zu folgen. Entsprechende Anwendung des § 169 Abs. 2 S. 2 AO kann nicht bedeuten, dass anstelle der "Steuerhinterziehung" entsprechend "Subventionsbetrug" stehen muss; die Verweisung macht auch einen Subventionsbetrug nicht zur Steuerhinterziehung. § 169 Abs. 2 S. 2 AO nimmt konkrete Straftatbestände in Bezug und macht die Verlängerung der Festsetzungsfrist nicht allgemein von vorsätzlichen Straftaten abhängig. Der BFH hat seine Rechtsprechung daher aufgegeben. Subventionsbetrug, d. h. Erschleichung der InvZul und der Eigenheimzulage, kann daher nicht unter den steuerrechtlichen Begriff der "Steuerhinterziehung" subsumiert werden und führt daher nicht zur Verlängerung der Festsetzungsfrist. Es wäre eine ausdrückliche Rechtsgrundlage erforderlich.[7]

Daher führt auch Steuerhehlerei nicht zur Verlängerung der Festsetzungsfrist für die Haftung des Steuerhehlers. Allerdings enthält § 191 Abs. 3 AO insoweit eine eigenständige Verlängerung der Festsetzungsfrist.

 

Rz. 30

Dagegen sind die Vorschriften über Steuerhinterziehung und leichtfertige Steuerverkürzung in

  • § 14 Abs. 3 S. 1 des 5. VermBG für die Arbeitnehmer-Sparzulage,
  • in § 8 Abs. 2 S. 1 WoPG für die Wohnungsbauprämie,
  • in § 96 Abs. 7 S. 1 EStG für die Altersvorsorgezulage,
  • in § 108 EStG für die Mobilitätsprämie
  • und in § 13 FZulG für die Forschungszulage ausdrücklich für anwendbar erklärt worden. Di Steuerhinterziehung und die leichtfertige Steuerverkürzung dieser Prämien und Zulagen führen daher zu der entsprechenden Verlängerung der Festsetzungsfrist. Für die Wohnungsbauprämie enthält § 4 Abs. 4 S. 2 WoBauG allerdings eine Sonderregelung für die Rückforderung der Prämie, die die Festsetzungsfrist verdrängt.[8]
 

Rz. 31

Die Verlängerung der Festsetzungsfrist tritt nur ein, soweit Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung vorliegt, also u. U. nicht hinsichtlich des vollen Steueranspruchs. Es kann also hinsichtlich einzelner Teile des Steueranspruchs Teilverjährung eintreten, soweit diese nicht von der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung betroffen sind.[9] Das bedeutet auch, dass die verlängerte Festsetzungsfrist nicht für Steuererstattungsansprüche gilt (hierzu Rz. 26).

[2] FG Rheinland-Pfalz v. 17.12.1984, 5 K 38/84, EFG 1985, 431; a. A. FG München v. 13.3.1985, III 169/81 U, EFG 1985, 431.
[3] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 169 AO Rz. 17; Banniza, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 169 AO Rz. 42; FG Berlin v. 18.8.1993, II 379/87, EFG 1994, 864.
[4] BFH v. 12.1.2016, IX R 20/15, BStBl II 2017, 21, BFH/NV 2016, 617; vgl. auch AEAO zu § 169 AO Ziff. 2.2. Vgl. jedoch Rz. 30.
[5] BFH v. 28.8.1997, III R 3/94, BStBl II 1997, 827; FG München v. 24.9.1991, 13 K 13048/87, EFG 1992, 171; FG Berlin-Brandenburg v. 28.8.2009, 11 V 11151/09, EFG 2010, 4 zur Eigenheimzulage.
[6] Im Streitfall: § 19 Abs. 7 BerlFG; vgl. auch § 7 Abs. 1 InvZulG.
[7] Grundsätzlich BFH v. 19.12.2013, III R 25/10, BStBl II 2015, 119, BFH/NV 2014. 928 zur gleichgelagerten Frage bei § 71 AO; BFH v. 12.1.2016, IX R 20/15, BStBl II 2017, 21, BFH/NV 2016, 617 zur Eigenheimzulage.
[8] Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 169 AO Rz. 17.

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