Rz. 66

Nach § 47 AO hat der Ablauf der Festsetzungsfrist zur Folge, dass alle betroffenen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen, also sowohl die Steueransprüche als auch Steuererstattungs- und Vergütungsansprüche sowie Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen, soweit sie der Festsetzungsverjährung unterliegen (Rz. 10). Nach Ablauf der Festsetzungsfrist sind danach eine erstmalige Steuerfestsetzung und auch eine Aufhebung oder Änderung des Bescheids einschließlich der Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO nicht mehr möglich. Das gilt auch, wenn der Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO steht.[1] Mit Ablauf der Festsetzungsfrist entfällt der Vorbehalt nach § 164 Abs. 4 S. 1 AO kraft Gesetzes. Auch der Stpfl. ist mit Anträgen auf Steuerfestsetzung, Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung, z. B. nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, Freistellung von einer Steuer und Festsetzung einer Steuervergütung ausgeschlossen.[2] Entsprechend können auch Wahlrechte nicht mehr ausgeübt werden, weil diese sich nicht mehr auf eine Steuerfestsetzung auswirken können.[3]

Rz. 67 einstweilen frei

 

Rz. 68

Dagegen ist ein Ergänzungsbescheid nach § 179 Abs. 3 nicht ausgeschlossen. Der Ergänzungsbescheid trifft keine selbstständige Feststellung (diese müsste durch einen selbstständigen Feststellungsbescheid erfolgen), sondern ergänzt einen wirksamen, aber unvollständigen Feststellungsbescheid. Die Festsetzungsfrist ist durch den unvollständigen Feststellungsbescheid gewahrt worden. Die Ergänzung ändert dessen Regelungsgehalt nicht, sondern ergänzt ihn lediglich, ist also keine Änderung des Bescheids. Die Ergänzung ist daher durch den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht ausgeschlossen.[4]

 

Rz. 69

Ebenfalls nicht durch den Ablauf der Festsetzungsfrist ausgeschlossen ist eine Änderung des Zerlegungsbescheids nach § 189 AO. Diese Vorschrift mit der darin enthaltenen Jahresfrist ist eine Sonderregelung, die der Festsetzungsfrist vorgeht.[5]

 

Rz. 70

Ist durch die Steuerfestsetzung eine zu niedrige Steuer festgesetzt worden, erlischt der überschießende Steuerbetrag mit Ablauf der Festsetzungsfrist. Der bisher unrichtige Steuerbescheid wird richtig, da die Steuer nur noch in Höhe des festgesetzten Betrags besteht. Ist eine zu hohe Steuer festgesetzt worden, führt der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht zum Entstehen des zu hoch festgesetzten Steuerbetrags. Die Steuerfestsetzung bleibt insoweit unrichtig. Der aufgrund des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr änderbare Steuerbescheid stellt jedoch die formale Rechtfertigung ("causa") für die Erhebung dieses Steuerbetrags dar.

 

Rz. 71

Entsprechendes gilt für Steuervergütungen. Ist die Vergütung zu niedrig festgesetzt, erlischt mit Ablauf der Festsetzungsfrist der nicht festgesetzte Teilbetrag. Ist die Vergütung zu hoch festgesetzt, bildet die Festsetzung mit Ablauf der Festsetzungsfrist die causa dafür, dass der Vergütungsgläubiger den überschießenden Betrag verlangen und behalten kann.

 

Rz. 72

Liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor, gilt Entsprechendes. Der Steuerbescheid kann nicht mehr berichtigt werden.[6] Zwar berührt die offenbare Unrichtigkeit den Regelungsgehalt des Verwaltungsakts nicht, die Steuer ist richtig festgesetzt, wenn auch der Steuerbescheid eine falsche Steuerfestsetzung ausweist.[7] Unrichtig ist nicht der Verwaltungsakt, sondern nur sein äußerer Anschein. Mit Ablauf der Festsetzungsfrist kann aber dieser äußere Anschein nicht mehr berichtigt und an den eigentlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsakts angepasst werden. Das hat zur Folge, dass jetzt für das Verhältnis der Finanzbehörde zum Stpfl. dieser äußere Anschein des Verwaltungsakts, nicht mehr sein Regelungsgehalt maßgebend ist. Der nach § 129 AO offenbar unrichtige Verwaltungsakt stellt also die causa dafür dar, dass, je nach der Lage des Falls, die zu hohe Steuer erhoben werden kann bzw. die nicht in dem Wortlaut des Verwaltungsakts erfasste Steuer erlischt.

Zu berücksichtigen ist aber, dass § 171 Abs. 2 AO eine Ablaufhemmung für die Festsetzungsfrist enthält.

 

Rz. 73

Wird der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht beachtet, wird eine nicht mehr bestehende Steuer festgesetzt. Der ergehende Bescheid ist anfechtbar, nicht nichtig, da der Fehler nicht offenkundig ist.[8] Es handelt sich um einen unrichtigen Steuerbescheid, der eine nicht (mehr) bestehende Steuer festsetzt; er kann daher wie jeder andere unrichtige Steuerbescheid in Bestandskraft erwachsen. Gegen den Ablauf der Festsetzungsfrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, da es sich nicht um eine Frist handelt, die von dem Stpfl. "einzuhalten" ist.[9]

 

Rz. 74

Nicht eindeutig geklärt ist das Verhältnis der Festsetzungsfrist zu Vorauszahlungsbescheiden. Die Frage entsteht, wenn keine endgültige Steuerfestsetzung erfolgt. Erfolgt eine Steuerfestsetzung, erledigt sich der Vorauszahlungsbescheid "auf andere Weise" nach § 124 Abs. 2 AO.[10] M. E. ergibt sich aus der Qualität des Vora...

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