Rz. 31

Das Steuerfestsetzungsverfahren ist regelmäßig durch eine förmliche Entscheidung über den Steueranspruch, d. h. durch Erlass eines Steuerbescheids, abzuschließen. Das gilt jedoch nur für den Regelfall; in besonderen Fällen kann von einer förmlichen Entscheidung abgesehen werden, oder die Entscheidung fällt ohne Erlass eines Steuerbescheids.[1] Das Steuerfestsetzungsverfahren wird in folgenden Fällen ohne förmliche Entscheidung über den Steueranspruch beendet:

  • Kleinbetragsfälle, insbesondere § 156 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AO[2]; ebenso die übrigen Kleinbetragsregelungen[3], sowie R 31.1 KStR 2015 (Besteuerung kleinerer Körperschaften);
  • die Steuer ist durch den Steuerabzug abgegolten[4];
  • NV-Verfügung[5];
  • Erlöschen der Steuer durch Festsetzungsverjährung[6];
  • Verwirkung des Steueranspruchs nach Treu und Glauben.[7]
 

Rz. 31a

Dagegen ist es kein zulässiger Grund, von der Steuerfestsetzung abzusehen, wenn die Steuer durch Zahlung erloschen ist, z. B. durch Verrechnung mit Steuerabzugsbeträgen außerhalb einer Abgeltungswirkung und Vorauszahlungen. In diesen Fällen verschafft erst die Steuerfestsetzung der Finanzbehörde den (formalen) Rechtsgrund für das Behalten der Beträge; diese wären ohne Steuerfestsetzung zu erstatten. Eine einmal entstandene Steuer muss grundsätzlich durch Bescheid festgesetzt werden, auch wenn sie im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung bereits durch Verrechnung mit Vorauszahlungen, Steuerabzugsbeträgen oder Zahlung erloschen ist. Die Abrechnung der geleisteten Zahlungen ist nicht Teil des Steuerbescheids, sondern erfolgt auf der Grundlage der Steuerfestsetzung als selbstständige Entscheidung, die im Regelfall mit der Steuerfestsetzung verbunden ist.[8]

 

Rz. 31b

Eine Ausnahme hiervon besteht lediglich, wenn der Stpfl. so gut wie ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezogen hat, von denen ein Steuerabzug vorgenommen wurde. Der LSt-Abzug hat keine abgeltende Wirkung. Trotzdem erfolgt eine Steuerfestsetzung nur, wenn andere Einkünfte vorliegen, die die Freigrenze von 410 EUR übersteigen[9], wenn bestimmte Tatbestände vorliegen, die es möglich erscheinen lassen, dass der Steuerabzug zu niedrig erfolgt ist[10] oder wenn der Stpfl. es beantragt.[11] Rechtsgrund für diese Ausnahme ist, dass das LSt-Verfahren der §§ 38ff. EStG mit seinen stark differenzierenden Regelungen und den Instrumenten der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale, der LSt-Klassen und der LSt-Tabellen eine gewisse Gewähr dafür bietet, dass der Steuerabzug der tatsächlich entstandenen Höhe entspricht.

 

Rz. 31c

Keine Steuerfestsetzung erfolgt im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, wenn ein Steuerabzug[12] vorgenommen wurde und nach § 50 Abs. 2 S. 1 EStG, § 32 Abs. 1 KStG die Steuer hierdurch abgegolten ist. Eine Steuerfestsetzung erfolgt in diesen Fällen nur, wenn die Abgeltungswirkung ausnahmsweise nach § 50 Abs. 2 S. 2 EStG, § 32 Abs. 2 KStG nicht eingreift.

[1] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO Rz. 6.
[2] Erl. zu § 156 AO.
[4] Z. B. § 50 Abs. 5 EStG für beschränkt Stpfl.
[5] Rz. 40.
[6] Arg. § 169 Abs. 1 AO: "Eine Steuerfestsetzung sowie … sind nicht mehr zulässig, …".
[12] LSt, KapESt, Steuerabzug nach § 50a EStG.

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