6.1.5.1 Auskunft mit oder ohne Ersuchen

 

Rz. 52

Leistung von Amtshilfe aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen kommt in der Praxis bisher regelmäßig nur beim Vorliegen eines besonderen Ersuchens in Betracht. Allerdings erhalten die deutschen Finanzbehörden von den Behörden anderer (meist EG-)Staaten z. T. massenweise Kontrollmitteilungen. Schon aus Gründen der Gegenseitigkeit ist damit zu rechnen, dass künftig von den deutschen Finanzbehörden in weit größerem Umfang eine Abgabe von Kontrollmitteilungen erwartet wird. Das Ersuchen und die Auskunft sind nach den meisten Abkommen über das BMF oder das Bundeszentralamt für Steuern[1] zu leiten; auch soweit die Abkommen einen unmittelbaren Austausch unterer Finanzbehörden zulassen, werden in der Praxis die Ersuchen über das BZSt und die obersten Landesfinanzbehörden geleitet.

6.1.5.2 Ermittlungen

 

Rz. 53

Führen die deutschen Finanzbehörden Ermittlungen durch, weil sie die erbetenen Auskünfte aus ihren Unterlagen und Kenntnissen nicht geben können, so ist innerhalb der genau zu beachtenden Grenzen, die das Abkommen für Ermittlungen vorsieht, bei den Ermittlungen gem. § 117 Abs. 4 S. 1 AO nach deutschem Abgabenrecht vorzugehen. Die Regelung des § 117 Abs. 4 S. 1 AO ist nach ihrer systematischen Stellung in einem besonderen Absatz außer auf die Kulanzauskünfte auch auf die Auskünfte aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen usw. (§ 117 Abs. 2 AO) anzuwenden.[1]

Für die Durchführung der Ermittlungen gelten die §§ 86ff. AO, insbesondere auch die §§ 93ff. AO. Entsprechend den Regelungen in diesen Vorschriften ist zwischen Beteiligten und anderen Personen zu unterscheiden (z. B. Vorrang der Befragung des Beteiligten, § 93 Abs. 1 S. 3 AO). Der Umstand, dass in der Praxis der von den Ermittlungsmaßnahmen Betroffene im Inland meist nicht der Beteiligte (Stpfl.) des ausländischen Steuerfalls ist, kann nicht prinzipiell die Unterscheidung beseitigen. Zum einen kommen durchaus häufig Fälle vor, in denen der Betroffene gleichzeitig der Beteiligte des ausländischen Steuerfalls ist (z. B. bei Ermittlungen in einer inländischen Betriebsstätte), zum anderen darf der Betroffene, der nur "andere Person" ist, auch nur als Dritter befragt werden. Daraus ergibt sich z. B., dass bei solchen Personen nicht eine Außenprüfung als Maßnahme der Sachaufklärung angesetzt werden darf.[2] Die Außenprüfung richtet sich, wie § 193 AO klar ergibt, nur auf Überprüfungen beim Stpfl., also auf die Einhaltung von eigenen Verpflichtungen des von der Außenprüfung betroffenen Stpfl.[3] Nur für den Verpflichteten einer Abzugsteuer (z. B. LSt) ist in § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO i. V. m. § 194 Abs. 1 S. 4 AO ein Abweichen von diesem Grundsatz vorgesehen. Deswegen gelten für die Ermittlungen bei Dritten die besonderen Mitwirkungspflichten des § 200 AO ebenso wenig wie die Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 u. 3 AO.

Die Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte der §§ 101ff. AO sind anwendbar. Die Belehrung nach § 101 Abs. 1 S. 2 AO und § 103 S. 2 AO ist zu erteilen. § 393 AO über das Verfahren bei einem Zusammentreffen steuerlicher Ermittlungen mit (möglichen) steuerstrafrechtlichen Ermittlungen ist – einschließlich des Abs. 2 – zu beachten.[4]

[1] Förster, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 117 Rz. 28.
[2] So auch Förster, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 117 Rz. 26.
[3] S. a. Rz. 44.
[4] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 117 AO Rz. 109.

6.1.5.3 Rechtliches Gehör

 

Rz. 54

Vor der Übermittlung von Auskünften und Unterlagen ist einem inländischen Beteiligten entsprechend § 91 AO rechtliches Gehör zu gewähren, § 117 Abs. 4 S. 3 AO. Durch das SteuerbereinigungsG 1986[1] ist diesem Satz ein zweiter Halbsatz angefügt worden, demzufolge der inländische Beteiligte bei den von den Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern abweichend von § 91 Abs. 1 stets anzuhören ist, wenn nicht eine Ausnahme nach § 91 Abs. 2 oder 3 AO vorliegt. Hierdurch sollte erreicht werden, dass an die Stelle der nach Hs. 1 entsprechenden Anwendung der Sollvorschrift des § 91 Abs. 1 AO die Anhörung für den Bereich der landesverwalteten Steuern durch eine Mussvorschrift getreten ist.[2] Die Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs betrifft nicht die Phase der Ermittlungen selbst, sondern die ihr folgende Phase der Weitergabe des Ermittlungsergebnisses an die ersuchende ausländische Finanzbehörde. Die Vorschrift gilt daher auch für den Fall, dass eine Ermittlungsphase nicht vorgeschaltet war, sondern die deutsche Finanzbehörde die Auskünfte aus ihren Unterlagen geben kann.[3] Da sich der Hs. 2 an den ersten anschließt und ihn nur für einen Teilbereich verschärfen soll, muss das Gleiche für ihn gelten. Findet eine Phase der Ermittlungen statt, so ist für diese eine vorherige Anhörung nach dem Wortlaut des Hs. 1 wie bei allen anderen Verfahrensverwaltungsakten, die eine Auskunfts- oder Vorlagepflicht konkretisieren, stets erforderlich. Ausnahmen gelten wiederum nur für die Fälle der Abs. 2 und 3 des § 91 AO, wie z. B. bei Gefahr im Verzug oder wenn ein zwingendes...

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