Rz. 38

Nach Abs. 2 der Vorschrift können die deutschen Finanzbehörden zwischenstaatliche Amtshilfe aufgrund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen[1] sowie – nach Änderung der Vorschrift durch das SteuerbereinigungsG 1986 – aufgrund innerstaatlich anwendbarer Rechtsakte der EU und des EUAHiG leisten. Die Verpflichtung zur Amtshilfe und ihr Umfang ergeben sich aus der völkerrechtlichen Vereinbarung. Völkerrechtliche Vereinbarungen in Doppelbesteuerungs- und Amtshilfeabkommen sehen stets lediglich Amtshilfe aufgrund eines Ersuchens vor oder erklären – so die meisten DBA mit Großer Klausel – allgemein Auskünfte für zulässig und verpflichten zu ihnen. In diesen Fällen der Großen Klausel sollen nach Auffassung des FG Düsseldorf v. 20.4.1982, V 327/81 AO, EFG 1982, 60[2] wie nach den besonderen Vorschriften der §§ 8 u. 9 EUAHiG[3] auch eine Spontanauskunft und der Empfang einer Spontanauskunft seitens eines anderen Mitgliedstaats zulässig sein, da § 117 Abs. 2 AO im Gegensatz zu Abs. 3 nicht von einem Ersuchen der fremden Finanzbehörde spreche, ein solches also nicht voraussetze. M. E. ist dieses entgegen der früher h. M.[4] im Ergebnis zutreffend, da die Vorschrift im Zusammenwirken mit den Auskunftsklauseln den Auskunftsverkehr fördern und nicht vom Zufall abhängig machen sollen.[5] Dementsprechend sieht der Kommentar 2014 zu Art. 26 des Musterabkommens der OECD 2014 auch spontane und automatische Mitteilungen vor. Zunehmend wird die Zulässigkeit von Spontanauskünften bereits in den bi- oder multilateralen Abkommen geregelt, so beispielsweise im TIEA-MA und im Multilateralen Übereinkommen.

 

Rz. 39

Das Steuergeheimnis steht der Amtshilfe nicht entgegen, da § 117 Abs. 2, 3 AO sie ausdrücklich zulässt.[6] Abgesehen von dieser besonderen Bestimmung über die Zulässigkeit ergibt sich entgegen Hamacher, RIW 1989, 378 auch im Hinblick auf die Rspr. des BVerfG zur informationellen Selbstbestimmung[7] und zum Steuergeheimnis in Verfahren parlamentarischer Untersuchungsausschüsse[8] nichts anderes.[9] Die Amtshilfe dient wegen der Gegenseitigkeit der eigenen Besteuerung. Wenn hierzu in größerem Umfang als verbindlich vorgeschriebene Auskünfte erteilt werden (z. B. Spontanauskünfte bei DBA mit Großer Amtshilfeklausel), so geschieht dies nur an Staaten, bei denen die Gegenseitigkeit gewährleistet ist. Als Ausfluss des Steuergeheimnisses ist allerdings zu beachten, dass Handels-, Industrie-, Gewerbe- und Berufsgeheimnisse bei Gefahr eines unverhältnismäßigen Schadens nicht weitergegeben zu werden brauchen.[10]

[2] In beschränktem Umfang nach BFH v. 29.4.2008, I R 79/2007, BFH/NV 2008, 1807.
[3] Bis 31.12.2012: § 2 Abs. 2 EGAmtshG.
[4] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 117 AO Rz. 144, 145, 221.
[5] BFH v. 23.7.1986, I R 306/82, BStBl II 1987, 92; Förster, in Koch/Scholtz, AO, 10. Aufl. 2009, § 117 Rz. 13; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO § 117 AO Rz. 70; a. A. Fischer, DB 1984, 738; Hamacher, RIW 1989, 378.
[6] § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO; vgl. Fischer, DB 1984, 739.
[7] BVerfG v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65, 1.
[8] BVerfG v. 17.7.1984, BvE 11/83, 2 BvE 15/83, BStBl II 1984, 634.
[9] Ebenso Hendricks, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 117 AO Rz. 19; BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654.
[10] Vgl. Rz. 49.

6.1.1 Umfang der Auskunftspflicht

 

Rz. 40

Stets ist zu prüfen, ob eine Amtshilfevereinbarung mit dem ersuchenden oder empfangenden Staat besteht, für welche Steuern sie gilt, ob sie in der Form der Großen Klausel[1] mit oder ohne Einschränkungen oder in der Form einer Kleinen Auskunftsklausel[2] gegeben ist. Nur soweit die Auskunft vom Abkommenstext gedeckt wird, ist die deutsche Finanzbehörde zur Auskunft verpflichtet. Nur insoweit ist sie grundsätzlich im Rahmen des Abkommens zur Auskunft berechtigt.[3]

Zunächst ist daher der Kreis der von der Amtshilferegelung erfassten Steuern und der Rahmen der Amtshilfefälle zu ermitteln. Für diesen Rahmen sind folgende Formulierungen am häufigsten anzutreffen:

  • "die zur Durchführung dieses Abkommens erforderlich sind" (z. B. früheres DBA Papua-Neuguinea v. 17.1.1995),
  • "die zur Durchführung dieses Abkommens und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung erforderlich sind" (z. B. DBA Liberia v. 25.11.1970),
  • "die erforderlich sind, um dieses Abkommen durchzuführen, um bei den Steuern i. S. dieses Abkommens die Hinterziehung zu verhindern oder gesetzliche Vorschriften gegen Steuerverkürzungen durchzuführen" (z. B. DBA Irland v. 17.10.1962),
  • "die erforderlich sind zur Durchführung des Abkommens und des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten betreffend die unter das Abkommen fallenden Steuern" (DBA Norwegen v. 4.10.1991).

Für die EU-Mitgliedstaaten ergibt sich der Rahmen der betroffenen Steuern aus § 1 EUAHiG (NG 3), der sich nach seinem Abs. 1 S. 2 auf jede Art von Steuern bezieht, die von den Mitgliedstaaten festgesetzt und erhoben werden, mit Ausnahme der in Abs. 2 aufgeführten Steuern und Abgaben. Dies sind die USt (einschl. EUSt), die Zölle, die harmonisierten Verbrauchsteuern so...

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