Rz. 68

Wie in den Fällen der Amtshilfe aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen soll auch die Kulanzauskunft keine einseitige, sondern eine gegenseitige Hilfe sein. Das Hauptmotiv der Amtshilfebereitschaft jedes Staates für einen anderen ist die Erlangung der Bereitschaft auf der anderen Seite für die eigenen steuerlichen Zwecke. Verpflichtet sich die Bundesrepublik in einem Abkommen zur Leistung umfassender steuerlicher Amtshilfe, so tut sie dies in erster Linie, um eine entsprechende Amtshilfe erlangen zu können. Das gleiche Motiv liegt der Zulassung der Kulanzauskunft zugrunde, die in Abs. 3 ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden hat. Da diese Vorschrift also in erster Linie der deutschen Besteuerung dient, ist das Verbürgtsein der Gegenseitigkeit eine fundamentale Voraussetzung der Kulanzauskunft. Umgekehrt erwächst aus dem Gegenseitigkeitsprinzip bei einer durch den ausländischen Staat praktizierten Kulanzamtshilfe ein tatsächlicher Druck auf die Ermessensentscheidungen der deutschen Finanzbehörden nach § 117 Abs. 3 AO.

Das Verbürgtsein der Gegenseitigkeit ist Voraussetzung jeder Kulanzauskunft. Die Gegenseitigkeit kann durch längere Praxis in der Vergangenheit tatsächlich verbürgt sein, sie kann aber auch durch verbindliche Erklärung der fragenden Behörde, der bei der nächsten Gelegenheit Taten folgen, geschehen. "Lippenbekenntnisse" reichen nicht.[1] Eine gewisse Sicherheit in der Kenntnis praktizierter Gegenseitigkeit wird dadurch erreicht, dass die Entscheidung der Kulanzauskunft nach Abs. 3 S. 2 stets vom BMF (bei den Besitz- und Verkehrssteuern im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Finanzbehörde des Landes), also an einer Stelle getroffen wird.

Das Hauptmotiv der Kulanzauskunft und auch das Motiv des Geheimnisschutzes[2] fordern jedoch nicht nur eine prinzipielle Gegenseitigkeit, sondern eine Gegenseitigkeit bis in die Einzelheiten. Auch in den Abkommen ist aus Gründen der Gegenseitigkeit meist vereinbart, dass kein Vertragsstaat verpflichtet ist, Verwaltungsmaßnahmen durchzuführen, die von seinen Gesetzen und seiner Verwaltungspraxis oder derjenigen des fragenden Staates abweichen, sowie Informationen zu erteilen, die nach den Gesetzen oder in den üblichen Verwaltungsverfahren dieses oder des anderen Staates nicht beschafft werden können.[3] Ebenso ist eine Gegenseitigkeit i. S. d. Abs. 3 nur dann verbürgt, wenn die einzelnen Verwaltungsmaßnahmen oder die einzelne Informationsbeschaffung ebenfalls seitens des anderen Staates möglich ist und auch durchgeführt würde. Ein wesentlich weitergehender Geheimnisschutz des anderen Staates zum Schutz seiner Wirtschaft kann daher die Gegenseitigkeit ausschließen.

[1] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 117 AO Rz. 121.
[2] Abs. 3 Nr. 4.
[3] Vgl. Art. 26 Abs. 3 OECD-Musterabkommen DBA 2014.

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