Rn. 917

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Der Begriff der Betriebsaufgabe ist im Gesetz nicht definiert und bedarf daher der Auslegung (so bereits BFH v 09.02.1972, I R 205/66, BStBl II 1972, 455). Die nach dem Wortlaut weitestgehende Auslegung erfordert zumindest eine Handlung des StPfl, die darauf gerichtet ist, den Betrieb als selbstständigen Organismus nicht mehr in seiner bisherigen Form bestehen zu lassen (BFH v 09.02.1972, I R 205/66, BStBl II 1972, 455). Zur weiteren Konkretisierung ist dann der Zweck der Regelung heranziehen, der darin besteht, die Erfassung der stillen Reserven sicherzustellen und deren Besteuerung zu privilegieren (BFH v 11.03.1982, IV R 25/79, BStBl II 1982, 707).

 

Rn. 918

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Nach gefestigter Rspr liegt eine Betriebsaufgabe vor, wenn der StPfl den Entschluss gefasst hat, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb als selbstständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen, und in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit entweder insgesamt klar und eindeutig, äußerlich erkennbar in das PV überführt bzw anderen betriebsfremden Zwecken zuführt oder insgesamt einzeln an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das PV überführt und dadurch der Betrieb als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (BFH v 20.04.2020, VI S 9/19 (PKH) (NV); BFH v 03.04.2014, IV R 12/10, BStBl II 2014, 1000; BFH v 02.09.2008, BStBl II 2009, 634; BFH v 30.03.2006, IV R 31/03, BStBl II 2006, 652; v 10.09.1991, VIII R 26/87, BFH/NV 1992, 232; BFH v 07.04.1989, III R 9/87, BStBl II 1989, 874; BFH v 05.07.1984, IV R 36/81, BStBl II 1984, 711; BFH v 13.12.1983, VIII R 90/81, BStBl II 1984, 474; BFH v 29.10.1981, IV R 138/78, BStBl II 1982, 381; BMF v 20.11.2019, BStBl I 2019, 1291 Tz 15).

 

Rn. 919

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Von einer endgültigen Einstellung der gewerblichen Tätigkeit ist auszugehen, wenn der Unternehmer die wesentlichen WG des Betriebs an mehrere Abnehmer veräußert oder wenn er sie objektiv erkennbar in sein PV überführt (BFH v 27.02.1985, I R 235/80, BStBl II 1985, 456).

Richtiger ist es, nicht von der Einstellung der Tätigkeit, sondern von der Einstellung des Betriebs zu sprechen. Auch wenn teilweise die Aufgabe der Tätigkeit als implizites Merkmal der Betriebsaufgabe angesehen wird (Reiss in K/S/M, § 16 EStG Rz F2 (August 1992)), geht es vorrangig nicht um die Tätigkeit, sondern um den betrieblichen Organismus, der aufgegeben werden muss. Deutlich wird dies bei der Aufgabe eines Teilbetriebs: Der StPfl gibt diesen Teilbetrieb, nicht jedoch seine möglicherweise gleichartige Tätigkeit in anderen Teilbetrieben auf. Wird der aufgegebene Teilbetrieb nur an anderer Stelle fortgesetzt (Verlagerung), liegt keine Betriebsaufgabe vor (zur Abgrenzung s Rn 1061), da wesentliche Betriebsgrundlagen (Kundenstamm) nicht wie vorgesehen verwertet werden, sondern in ihrem organisatorischen Funktionszusammenhang verbleiben.

 

Rn. 920

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Obwohl diese Definition sowohl von der Rspr und der FinVerw regelmäßig herangezogen wird, zeigen die entschiedenen Fälle, dass ihre einzelnen Elemente jeweils nicht zwingend kumulativ vorliegen müssen. Daran zeigt sich, dass die Betriebsaufgabe weniger ein Klassenbegriff als ein Typusbegriff ist. Das Vorliegen einer Betriebsaufgabe wird daher nicht durch enumerative Voraussetzungen festgelegt, sondern vielmehr durch beschreibende Merkmale, die – je nach Sachverhalt – stärker oder weniger stark ausgeprägt vorliegen können und auf die im Einzelfall sogar gänzlich verzichtet werden kann (zu den einzelnen Merkmalen und ihrer Gewichtung s Rn 951).

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