Rn. 951

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Mangels einer gesetzlichen Definition hat die Praxis eine mittlerweile akzeptierte Formel entwickelt, anhand derer das Vorliegen eine Betriebsaufgabe zu prüfen ist. Eine Betriebsaufgabe liegt vor, wenn der StPfl den Entschluss gefasst hat, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb als selbstständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen, und in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an verschiedene Abnehmer veräußert oder in das PV überführt (BFH v 18.07.2018, X R 36/17, BFH/NV 2019, 195; BFH v 22.10.2014, X R 28/11, BFH/NV 2015, 479; BFH v 13.12.1983, VIII R 90/81, BStBl II 1984, 474). Diese eher erklärende als definierende Formel bietet Orientierung, ist aber gerade in Zweifelsfällen nicht als abschließend anzusehen. Nach Kulosa gibt es kein Kriterium, mit Ausnahme des Kriteriums des einheitlichen Vorgangs, auf das der BFH nicht im Einzelfall verzichtet hat (Kulosa in H/H/R, § 16 EStG Rz 505 (November 2018)).

 

Rn. 952

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Zutreffend daran ist, dass die als Betriebsaufgabe zu beurteilenden Sachverhalte so vielgestaltig sind, dass die einzelnen Merkmale wertend heranzuziehen sind und in ihrer konkreten Gewichtung unterschiedlich bedeutsam sein können. Dennoch ist es im Interesse der Rechtssicherheit geboten und erforderlich, die Merkmale möglichst scharf zu konturieren. Diese Konturierung erfolgt im Sinne eines finalen Betriebsaufgabebegriffs unter Heranziehung der gesetzgeberischen Absicht, (nur) die geballte Aufdeckung der stillen Reserven zu privilegieren, jedoch nicht andere Sachverhalte, die einer Betriebsaufgabe lediglich ähneln und die gerade keine geballte Aufdeckung der im BV enthaltenen stillen Reserven mit sich bringen (BFH v 05.02.2014, X R 22/12, BStBl II 2014, 388).

 

Rn. 953

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

In systematischer Hinsicht ist die Betriebsaufgabe also eine auf einem subjektiven Beschluss des StPfl beruhende Betriebsaufgabehandlung, deren Ergebnis darin besteht, dass der selbstständige Betriebsorganismus aufgelöst wird. Die Aufgabehandlung besteht in der in einem einheitlichen Vorgang erfolgenden Veräußerung und/oder der Entnahme aller wesentlichen Betriebsgrundlagen ins PV.

a) Aufgabehandlung

aa) Veräußerung/Entnahme ins PV

 

Rn. 954

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Nach § 16 Abs 3 S 6 EStG kommt als eine mögliche Handlung iRd Betriebsaufgabe die Veräußerung des BV in Frage. Auch wenn S 7 implizit andere Möglichkeiten vorsieht und für die Bewertung der nicht veräußerten WG lediglich den Ansatz des gemeinen Werts bestimmt, so ist dennoch anerkannt, dass als weitere Tätigkeit, die zu einer Betriebsaufgabe führt, lediglich die ausdrückliche Entnahme ins PV zulässig ist (s auch Graw in K/S/M, § 16 EStG Rz F4 (Dezember 2017)). Werden alle WG verwertet, kommt eine Betriebsaufgabe in Betracht, wenn die Verwertung einzeln, in der Regel also auf unterschiedliche Käufer, erfolgt, hingegen kann eine Betriebsveräußerung iSd § 16 Abs 1 EStG vorliegen, wenn sich die Veräußerung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen als einheitlicher Vorgang an einen einzelnen Erwerber darstellt (s Rn 155).

 

Rn. 955

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Werden wesentliche Betriebsgrundlagen (s Rn 156) auf andere Weise verwertet, ist eine steuerlich begünstigte Betriebsaufgabe ausgeschlossen. Das gilt insbesondere dann, wenn im Zusammenhang mit der Betriebsbeendigung eine wesentliche Betriebsgrundlage zum Buchwert in ein anderes (Sonder-)BV überführt wird (BFH v 29.11.2017, X R 8/16, BStBl II 2018, 426; s bereits BFH v 28.10.1964, IV 102/64 U, BStBl III 1965, 88). Diese Rspr ist vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Privilegierung zutreffend. Mit ihr sollen die Folgen einer zusammengeballten Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven abgemildert werden. Hierzu kann es aber nur dann kommen, wenn tatsächlich alle stillen Reserven, jedenfalls solche, die in den wesentlichen Betriebsgrundlagen ruhen, aufgedeckt werden. Kommt es aufgrund einer möglichen Buchwertfortführung nur zu einer teilweisen Aufdeckung, ist nicht erkennbar, warum die Tarifvergünstigung und der Freibetrag zu gewähren wären (BFH v 05.02.2014, X R 22/12, BStBl II 2014, 388).

 

Rn. 956

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Werden im Zusammenhang mit der Beendigung des Betriebs wesentliche Betriebsgrundlagen zu Buchwerten übertragen (§ 6 Abs 3 EStG) oder überführt (§ 6 Abs 5 EStG), schließt dies die Annahme einer begünstigen Betriebsaufgabe aus (BFH v 29.11.2017, X R 8/16, BStBl II 2018, 426).

Nicht wesentliche Betriebsgrundlagen können auch auf andere Art und Weise verwertet werden, insbesondere durch eine unentgeltliche Übertragung nach § 6 Abs 3 EStG oder die Überführung in ein anderes (Sonder-)BV.

 

Rn. 957

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Die Entnahme von WG ins PV muss klar und deutlich erfolgen und von einem Entnahmewillen getragen sein (FG He v 16.02.2010, 13 K 2820/08, EFG 2011, 618).

 

Rn. 958

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Problematisch ist die bloß formelle Entnahme von WG ins PV...

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