Rn. 911

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Über die Regelung in § 16 Abs 3 S 1 EStG wird die Betriebsaufgabe als Betriebsveräußerung fingiert. Der bei der Betriebsaufgabe entstehende Aufgabegewinn unterliegt durch die Rechtsfolgenverweisung den gleichen Regeln wie ein Veräußerungsgewinn und kann begünstigt besteuert werden (Freibetrag nach Abs 4, Tarifermäßigung nach § 34 EStG). Daher wird die Unterscheidung zwischen beiden Begriffen mitunter als überflüssig angesehen (s Vorauflage zu § 16 EStG Rz 63 (Hörger/Rapp), was jedoch wegen der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung abzulehnen ist. Auch wenn die Rechtsfolgen in beiden Fällen identisch sein können, kann die Prüfung beider Tatbestände nicht im Sinne einer Art Wahlfeststellung erfolgen. Zwischen Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe besteht in der Sache ein grundsätzlicher Unterschied: Während bei der Betriebsveräußerung der ganze Betrieb oder Teilbetrieb mit seinen wesentlichen Betriebsgrundlagen geschlossen an einen Dritten veräußert wird, werden bei der Betriebsaufgabe in der Regel die einzelnen WG an verschiedene Abnehmer veräußert oder ganz oder teilweise ins PV überführt (BFH v 16.09.1966, VI 118–119/65, BStBl III 1967, 70).

Angesichts der Interpretation der Betriebsaufgabe als ein Typusbegriff (hierzu s Rn 920) dürften sich auch keine ernsthaften Abgrenzungsprobleme ergeben. Allerdings sind in der Praxis Fälle nicht unüblich, in denen beide Tatbestände nebeneinander verwirklicht werden (BFH v 03.10.1989, VIII R 142/84, BStBl II 1990, 420).

 

Rn. 912

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Wie der Veräußerungstatbestand, so ist auch die Regelung zur Betriebsaufgabe deklaratorischer Natur, bereits aus § 15 Abs 1 EStG ergibt sich die Besteuerung der Betriebsaufgabe dem Grunde nach; insofern erschöpft sich die Bedeutung des § 16 Abs 3 EStG in der Privilegierung des Aufgabegewinns (BFH v 26.05.1993, X R 101/90, BStBl II 1993, 710) und den Vorgaben für dessen Berechnung (BFH v 16.09.1966, VI 118–119/65, BStBl III 1967, 70).

 

Rn. 913

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Nach früherer Rspr bestand der Zweck der Regelung zum einen in der Abgrenzung des laufenden vom begünstigten Aufgabegewinn, zum anderen auch darin, zu verhindern, dass Werte des BV der Besteuerung entzogen werden (BFH v 16.03.1967, IV 72/65, BStBl III 1967, 318). Dieser sog finale Betriebsaufgabebegriff rechtfertigte es, eine Entnahme für Betriebszwecke immer dann anzunehmen, wenn WG in den Betrieb einer anderen Einkunftsart und damit einer anderen Gewinnermittlungsart (ggf unter Ausschluss der GewSt) überführt wurden (BFH v 16.03.1967, IV 72/65, BStBl III 1967, 318). Später wurde damit auch die Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven begründet, wenn WG aus einem inländischen BV in eine ausländische Betriebsstätte transferiert wurden oder wenn aus anderen Gründen das Besteuerungsrecht hinsichtlich der im Inland steuerverhafteten WG ausgeschlossen wurde (s Rn 993).

Diese Rspr und den finalen Betriebsaufgabebegriff hat der BFH zwischenzeitlich ausdrücklich aufgegeben, da diese Interpretation des § 16 Abs 3 EStG "im Gesetz keine hinreichende Grundlage [findet]" (BFH v 17.07.2008, I R 77/06, BStBl II 2009, 464). Das schließt zwar nicht aus, dass es neben den typischen Verwertungshandlungen iRd der Betriebsaufgabe (Veräußerung/Entnahme ins PV, s Rn 954) noch andere, sog substituierende Rechtsvorgänge gibt, die zur Anwendung des § 16 Abs 3 EStG führen, diese werden jedoch nicht auf den finalen Betriebsaufgabebegriff gestützt, sondern knüpfen dogmatisch unmittelbar an den Gesetzeswortlaut an (dazu ausführlich s Rn 991f).

 

Rn. 914

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Zur Mitteilungspflicht der Finanzbehörden an die Gewerbebehörden bei einer Betriebsaufgabe vgl BMF v 19.12.2013, BStBl I 2014, 19.

 

Rn. 915

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Im Zusammenhang mit der Beendigung der gewerblichen Tätigkeit sind drei mögliche Stufen zu unterscheiden:

(1) die Betriebsaufgabe iSd § 16 Abs 3 S 1 EStG iVm § 34 Abs 2 Nr 1 EStG,
(2) eine sich an die Betriebsaufgabe möglicherweise noch anschließende (weitere) Abwicklung, die erst mit der Vollbeendigung der betrieblichen Tätigkeit abgeschlossen ist, und
(3) das Fortwirken der früheren gewerblichen Tätigkeit, das zu nachträglichen Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 24 Nr 2 EStG) (BFH v 11.12.1980, I R 119/78, BStBl II 1981, 460), vor allem auch zu nachträglichen BA, zB in Form nachlaufender Zinszahlungen für ursprünglich betriebliche Verbindlichkeiten führen kann (BFH v 11.12.1980, I R 119/78, BStBl II 1981, 460).

Von der Betriebsaufgabe iSd § 16 Abs 3 S 1 EStG ist die Beendigung des Betriebs durch allmähliche Abwicklung, die nicht zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (§ 34 EStG) berechtigt, zu unterscheiden (BFH v 11.12.1980, I R 119/78, BStBl II 1981, 460), zur Abgrenzung s Rn 1053.

 

Rn. 916

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Die Aufgabe eines (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils (zum Aufgabegegenstand s Rn 921f) sieht der BFH als Pendant zur Entnahme iSv § 4 Abs 1 S 2 EStG (BFH v 11.02.2009, X R 56/06, BFH/NV 2009, 1...

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