Rn. 991

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Es ist anerkannt, dass die Betriebsaufgabe nicht nur durch die von einem entsprechenden Entschluss getragene Veräußerung/Entnahme ins PV der wesentlichen Betriebsgrundlagen erfolgen kann, sondern dass die Betriebsaufgabe auch dann zu bejahen ist, wenn der Betrieb durch einen Rechtsvorgang in seiner ertragsteuerlichen Einordnung so verändert wird, dass die Erfassung der stillen Reserven ansonsten nicht mehr gewährleistet ist (BFH v 13.12.1983, VIII R 90/81, BStBl II 1984, 474). Mit diesem Topos wurde unter dem Stichwort des sog finalen Betriebsaufgabebegriffs eine Reihe von Sachverhalten unter § 16 Abs 3 EStG subsumiert, denen vor allem die Rechtsfolge gemein war, dass – ohne den Rückgriff auf die Rechtsfigur der Betriebsaufgabe – eine Besteuerung der stillen Reserven nicht oder jedenfalls nicht mehr ohne weiteres möglich gewesen wäre.

 

Rn. 992

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Diese ergebnisorientierte Rspr ist zum Teil heftig kritisiert worden und wurde schließlich vom BFH ausdrücklich aufgegeben (BFH v 28.10.2009, I R 99/08, BStBl II 2011, 1019; BFH v 17.07.2008, I R 77/06, BStBl II 2009, 464 mit zahlreichen Nachweisen zum Streitstand – Aufgabe des finalen Betriebsaufgabebegriffs). Allein der Hinweis auf die fehlende Sicherung der Besteuerung der stillen Reserven genügt daher nicht mehr zur Begründung einer Betriebsaufgabe. Die vor Änderung der Rspr auf diese Art und Weise gelösten Fälle werden nun mehr im Wesentlichen über den im Anschluss an die Urteile neu hinzugefügten § 16 Abs 3a EStG gelöst. Daneben gibt es weitere Sachverhalte, die ebenfalls unter bestimmten Voraussetzungen als Betriebsaufgabe zu qualifizieren sind (BFH v 22.10.2013, X R 14/11, BStBl II 2014, 158) und die Entstrickungssachverhalte darstellen:

fa) Verlagerung von WG in ausländische Betriebsstätte

 

Rn. 993

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Die Verlagerung von Einzel-WG aus einer inländischen in eine ausländische Betriebsstätte war unter der Geltung des finalen Betriebsaufgabebegriffs als Betriebsaufgabe einzustufen (BFH v 28.04.1971, I R 55/66, BStBl II 1971, 630). Da die stillen Reserven aufgrund der anzuwendenden Vorschriften des DBA aus der deutschen Besteuerung ausschieden, schied auch eine evtl denkbare Betriebsverlegung von vornherein aus (BFH v 28.04.1971, I R 55/66, BStBl II 1971, 630). Nach der Aufgabe des finalen Betriebsaufgabebegriffs war diese Rspr hinfällig (BFH v 28.10.2009, I R 99/08, BStBl II 2011, 1019), worauf die FinVerw zunächst mit einem Nichtanwendungserlass reagiert hat (BMF v 20.05.2009, BStBl I 2009, 671). Durch die Einführung des neuen § 16 Abs 3a EStG ist die Verlagerung von WG in eine ausländische Betriebsstätte einer Betriebsaufgabe nunmehr gleichgestellt (dazu s Rn 1000).

fb) (Wohn-)Sitzverlegung ins Ausland

 

Rn. 994

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Die Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland wurde bis zur Aufgabe des finalen Betriebsaufgabebegriffs von der Rspr als Betriebsaufgabe qualifiziert, da damit die stillen Reserven endgültig dem Besteuerungsrecht entzogen würden. Durch BFH v 28.10.2009, I R 28/08, BFH/NV 2010, 432 wurde dies aufgegeben. Der BFH sah in § 16 Abs 3 EStG keine hinreichende Rechtsgrundlage mehr und hielt diese Rspr zutreffend auch nicht (mehr) für erforderlich, da die im Inland gebildeten stillen Reserven gemäß § 1 Abs 4 EStG iVm § 49 Abs 1 Nr 2 EStG weiterhin der beschränkten StPfl unterliegen (BFH v 28.10.2009, I R 28/08, BFH/NV 2010, 432).

fc) Beendigung Betriebsaufspaltung

 

Rn. 995

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Einen Sonderfall der Betriebsaufgabe stellt die Beendigung der Betriebsaufspaltung dar.

Eine Betriebsaufspaltung liegt nach der Rspr vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden (sachliche Verflechtung) und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben (personelle Verflechtung).

Rechtsfolge einer Betriebsaufspaltung im Sinne der von der Rspr aufgestellten Grundsätze (BFH v 08.11.1971, GrS 2/71, BStBl II 1972, 63) ist, dass die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens als gewerblich iSv § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, Abs 2 EStG qualifiziert wird (BFH v 17.04.2019, IV R 12/16, BStBl II 2019, 745).

Zu den Rechtsfolgen einer Betriebsaufspaltung im Einzelnen s § 15 Rn 301 (Bitz).

 

Rn. 996

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Früher war streitig, ob die bewusst herbeigeführte oder die zB aufgrund Todes eines Mitgesellschafters ungewollt ausgelöste Beendigung der Betriebsaufspaltung zwingend als Betriebsaufgabe anzusehen war oder ob dem StPfl uU ein Wahlrecht einzuräumen war, wie bei einer Betriebsverpachtung die Besteuerung der stillen Reserven zunächst hinauszuschieben (zum Streitstand vgl BFH v 13.12.1983, VIII R 90/81, BStBl II 1984, 474). Der BFH hat sich mE zu Recht letzterer Auffassung nicht angeschlossen, da er keinen rechtfertigenden Grund sah, Inhaber eines Besitzunternehmens gegenüber anderen Verpächtern gewerblich genutzter Grundstücke zu privilegieren und ihnen ein Wahlrecht hinsichtlich des Zeitpunkts der Aufdeckung und der Versteu...

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