Leitsatz

Art. 9 Abs. 2 Buchst. c erster Gedankenstrich der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die umfassende Leistung, die der Veranstalter einer Messe oder Ausstellung den Ausstellern erbringt, unter die in dieser Bestimmung genannte Kategorie von Dienstleistungen fällt.

 

Normenkette

Art. 9 Abs. 1 und 2 Buchst. c 1. Gedankenstrich der 6. EG-RL (vgl. § 3a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG)

 

Sachverhalt

Die Gillan Beach Ltd veranstaltete in Nizza Schiffsmessen und erbrachte den Ausstellern umfassende Dienstleistungen, die u.a. in der Einrichtung und Bereitstellung von Ständen und Kommunikationsmitteln, dem Hostessendienst sowie der Vermietung und Überwachung der Anlegestellen für die ausgestellten Schiffe bestanden.

Die französische Steuerverwaltung war der Auffassung, die Veranstaltung von Messen und Ausstellungen, die tatsächlich in Frankreich erfolgten, seien am Messeort erbracht und dort zu versteuern. Das ist Gegenstand der Vorlagefrage.

 

Entscheidung

Der EuGH entschied wie im Leitsatz wiedergegeben.

Beachten Sie: Der EuGH beurteilt die Veranstaltung einer Messe als ähnliche Tätigkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 1 und 2 Buchst. c 1. Gedankenstrich der 6. EG-RL (Künste, Sport, Unterhaltung; vgl. § 3a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG) und nicht als Leistung der Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit. Abschn. 34a UStR stellt zwar den Grundstücksbezug in den Vordergrund, dürfte aber überwiegend zum selben Ergebnis kommen. Maßgebend sind jedoch allein die Grundsätze des EuGH.

 

Hinweis

Streitig war, ob die Voraussetzungen für die Mehrwertsteuererstattung nach Art. 1 der 8. EG-RL vorlagen (vgl. § 18 Abs. 6 UStG). Das hing von der Bestimmung des Leistungsorts bei Messen ab.

1. Art. 9 der 6. EG-RL (§ 3a UStG) regelt zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten den Leistungsort bei sonstigen Leistungen; Art. 9 Abs. 1 (vgl.§ 3a Abs. 1 UStG) die allgemeine Regel, die nach ständiger Rechtsprechung des EuGH hinter die Sonderregeln in den nachfolgenden Absätzen zurücktritt. Ziel ist die Vermeidung von Kompetenzkonflikten. Das gilt auch für Art. 9 Abs. 2 Buchst. c erster Gedankenstrich der 6. EG-RL, wonach als Leistungsort für Dienstleistungen auf dem Gebiet u.a. der Künste, des Sports oder der Unterhaltung sowie der mit diesen zusammenhängenden Tätigkeiten der Ort gilt, an dem diese Dienstleistungen tatsächlich bewirkt werden. Es soll die MwSt. an den Staat entrichtet werden, in dem die Leistung tatsächlich erbracht wird – und nicht wo der Leistende seinen Sitz hat –, dort also, wo der Veranstalter die MwSt. einnimmt, die der Endverbraucher für eine Leistung entrichtet, in deren Kosten die im selben Land bezogenen und zu erstattenden Vorbezüge eingehen (vgl. Rd.Nr. 18).

2. Art. 9 Abs. 2 Buchst. c erster Gedankenstrich der 6. EG-RL (vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG) setzt keine Leistungen von besonders hohem, z.B. künstlerischem oder sportlichem, Niveau voraus; unter diese Bestimmung fallen nicht nur Leistungen, die sich auf Tätigkeiten auf dem Gebiet insbesondere der Kunst, des Sports oder der Unterhaltung beziehen, sondern auch solche, die sich auf nur ähnliche Tätigkeiten beziehen (vgl. Rd.Nr. 19 ff.). Bei Kollisionsnormen – wie hier – handelt es sich bei den beschreibenden Begriffen (hier: Kunst, Sport, Unterhaltung) um gemeinschaftsrechtliche Begriffe. Das gilt auch für den Begriff der ähnlichen Tätigkeiten, der einheitlich ausgelegt werden muss, um eine Doppelbesteuerung oder eine Nichtbesteuerung zu verhindern. Eine Tätigkeit ist als ähnlich i.S.d. Art. 9 Abs. 2 Buchst. c erster Gedankenstrich der 6. EG-RL anzusehen, wenn sie Merkmale aufweist, die auch die anderen in dieser Bestimmung genannten Kategorien von Tätigkeiten besitzen und die es angesichts dieses Ziels rechtfertigen, dass diese Tätigkeiten unter die genannte Bestimmung fallen.

Gemeinsame Merkmale dieser Regelung sind:

  • die Komplexität der betreffenden Dienstleistungen, die mehrere Leistungen umfassen;
  • die Tatsache, dass diese Dienstleistungen i.d.R. einer Vielzahl von Empfängern erbracht werden, nämlich allen Personen, die in unterschiedlicher Weise an Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts oder der Unterhaltung teilnehmen;
  • dass sie im Allgemeinen anlässlich punktueller Veranstaltungen erbracht werden und der Ort, an dem diese komplexen Dienstleistungen tatsächlich bewirkt werden, grundsätzlich einfach festzustellen ist, weil die Veranstaltungen an einem bestimmten Ort stattfinden.

Eine Ausstellung oder Messe ist unabhängig von ihrem Thema darauf gerichtet, einer Vielzahl von Empfängern grundsätzlich an einem einzigen Ort und zu einer bestimmten Zeit verschiedene, komplexe Dienstleistungen zu erbringen, um u.a. Informationen, Waren oder Ereignisse so zu präsentieren, dass für sie bei den Besuchern geworben wird. Unter diesen Umständen fällt eine Ausstellung oder Messe unter die ähnlichen Tätigkeiten.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 9.3.2006, Rs. C-114/05 – Gillan Beach Ltd –

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